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# taz.de -- Umweltschutz in Deutschland: Woher kommt die Kohle fürs Klima?
> Wie den CO2-Ausstoß schneller senken? Wenn am 20. September beim
> Klima-Kabinett darüber gesprochen wird, geht es immer auch ums Geld.
Bild: Protestieren bis die Politik handelt: Demonstrierende beim Fridays-for-Fu…
Emissionshandel, CO2-Steuer, Klima-Anleihen: Welche finanziellen Abgaben
und Anreize können den Klimaschutz vorantreiben und wie spielen diese
Möglichkeiten zusammen? Wir geben [1][vor dem Klima-Kabinett] einen
Überblick.
▸ Der Preis
Der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid soll teurer werden. Darüber
sind sich CDU, CSU und SPD im Prinzip einig, ebenso die Opposition im
Bundestag aus FDP, Linken und Grünen. Nur die AfD sieht das anders. Der
Preis für den Verbrauch fossiler Energieträger wird wohl steigen – in
erster Linie für Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas. Dabei geht es vor allem
um die Abgase von Fahrzeugen und Gebäuden. Durch steigende Kosten will die
Politik eine Verhaltensänderung der Verbraucherinnen und Verbraucher
bewirken – weg von konventionellen Treibstoffen hin zu regenerativer
Energie. Regierung und Bundestag können das Niveau beeinflussen, indem sie
einen höheren staatlichen Aufschlag auf den Preis festsetzen, zu dem
Unternehmen die Energie anbieten.
▸ Der Emissionshandel
Ein Mechanismus, um fossile Energie staatlich zu verteuern, ist der
Emissionshandel. Auf europäischer Ebene läuft dieser bereits für Kraftwerke
und große Industrieanlagen. Vor allem die Union neigt zu der Idee, einen
zusätzlichen, nationalen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude zu
etablieren. Der würde grundsätzlich so funktionieren: Im Auftrag der
Deutschen Emissionshandelsstelle des Umweltbundesamtes versteigert die
Strombörse in Leipzig Verschmutzungszertifikate an Ölraffinerien und andere
Unternehmen, die hierzulande fossile Energie verkaufen. Diese Zertifikate
sind Erlaubnisscheine für den Ausstoß von Abgasen. Für jede Tonne
Kohlendioxid (CO2) müssen die Verursacher einen Schein kaufen.
Die Kosten der Zertifikate legen die Firmen dann auf die Endkundenpreise
für Benzin und Heizwärme um. Um die Emissionen zu verringern, werden dann
jedes Jahr weniger Zertifikate versteigert. Das Angebot sinkt also im
Vergleich zur Nachfrage – damit steigt der Preis. Luftverschmutzung wird
teurer. Damit es nicht zu starken, kurzfristigen Preissteigerungen für die
Verbraucher kommt, könnte man Unter- und Obergrenzen definieren.
Ein Problem dabei: Ein nationaler Emissionshandel für Verkehr und Gebäude
existiert bisher nicht. „Das wäre ein für Deutschland vollkommen neuer
Ansatz“, sagt Christoph Kühleis, Chefökonom der Emissionshandelsstelle. Die
Treibstoffproduzenten, Händler und verkauften Mengen müssten erfasst
werden. Die Versteigerungsplattform würde ausgeschrieben. Die
Emissionshandelsstelle bräuchte mehr Personal.
„Die Vorbereitung würde mehr als zwei Jahre in Anspruch nehmen, ein Start
des Systems vor 2022 wäre also nicht zu erwarten“, schätzt Kühleis. Das
müsse und könne schneller gehen, argumentiert dagegen CDU-CSU-Fraktionsvize
Andreas Jung. Schon 2021 solle das neue System arbeiten.
▸ Die Kohlendioxidsteuer
SPD-Umweltministerin Svenja Schulze plädiert statt für Emissionshandel für
[2][eine CO2-Steuer], um das verhaltensändernde Preissignal zu senden. Die
ist vergleichbar mit den gegenwärtigen Energiesteuern auf Mineralöl und
Strom, nur ausgerichtet am Grad des jeweiligen CO2-Ausstoßes. Während beim
Emissionshandel die Menge der Zertifikate genau festgelegt ist und der
Preis mit Angebot und Nachfrage schwankt, ist es bei der Steuer umgekehrt.
Hier definiert der Gesetzgeber den exakten Aufschlag – beispielsweise
anfangs 10 Cent pro Liter Benzin – und hofft, damit die Reduzierung der
Abgasmenge auszulösen.
Wie lange das dauert und welche Steuererhöhungen nötig sind, bis es klappt,
weiß man allerdings nicht. Vielleicht fahren die Leute ihre Benzinautos
trotz höherer Kosten weiter, weil es zu wenige Alternativen gibt. Die
Bürgerinnen und Bürger würden zwar draufzahlen, doch die Abgase gingen
nicht zurück.
Das ist ein Argument gegen die Steuer und für den Emissionshandel. Viele
Leute von CDU und CSU lehnen die Steuerlösung auch deshalb ab, weil sie
schlicht keine Steuererhöhung wollen. Allerdings ist die Union nicht ganz
konsistent. Flugtickets müssten teilweise teurer werden, heißt es – mittels
höherer staatlicher Abgaben. Umgekehrt soll Bahnfahren billiger werden,
indem die Mehrwertsteuer auch für den Fernverkehr von 19 auf 7 Prozent
sinkt. Außerdem erscheint es realistisch, dass die Kraftfahrzeugsteuer für
CO2-arme Autos bald abgesenkt wird, für Wagen mit hohem Ausstoß jedoch
deutlich steigt. Auch das wäre ein Preissignal. „Unterm Strich sollen die
Bürgerinnen und Bürger nicht draufzahlen“, betont CDU-Politiker Andreas
Jung jedoch.
▸ Ein sozialer Ausgleich
Diesen verspricht Umweltministerin Svenja Schulze. Als Kompensation für die
höhere Steuer auf Treibstoff und Heizwärme schlägt sie eine Pro-Kopf-Prämie
für alle Bürgerinnen und Bürger vor, „gerade um kleine und mittlere
Einkommen zu entlasten“. Jeder würde beispielsweise 80 Euro pro Jahr vom
Staat ausgezahlt bekommen.
Weil die Überweisung an 82 Millionen Personen, deren Kontonummern nicht
zentral erfasst sind, zu kompliziert erscheint, will CDU-Politiker Andreas
Jung lieber die Pendlerpauschale anheben. Die wird als Ausgleich für den
Weg zur Arbeit von der Steuer abgezogen. Damit würde aber auch das Pendeln
in dicken Dreckschleudern belohnt. Dazu sagt Jung: „Es sollte auch hier ein
Klima-Signal geben: Wer etwa Bahn fährt, könnte einen deutlich höheren
Steuerabzug erhalten.“
Zudem plädieren CDU und CSU dafür, die Umlage zur Finanzierung der
erneuerbaren Energien (EEG-Umlage) beim Strom zu reduzieren, die heute die
meisten Kunden entrichten. Insgesamt lautet die Ansage: Der Staat macht den
CO2-Ausstoß teurer, gibt die Einnahmen aus Emissionshandel oder Steuer aber
überwiegend an die Bürger zurück.
▸ Die Zuschüsse
Fossile Energie und Abgasausstoß zu verteuern ist nur die halbe Miete.
Damit die Leute auf umweltfreundliche Fahrzeuge umsteigen und die
Heizanlagen der Gebäude umrüsten können, müssen deren Anschaffungskosten
sinken. Das lässt sich etwa mit einem höheren staatlichen Zuschuss zum Kauf
eines Elektroautos erreichen, wie ihn die SPD vorschlägt.
Im Klima-Papier der CSU heißt es, die Bürgerinnen und Bürger könnten pro
Jahr eine zusätzliche Steuerabschreibung bis zu 10.000 Euro erhalten. Wer
beispielsweise eine stromsparende Waschmaschine für 700 Euro kauft, bekäme
vielleicht 50 Euro vom Staat dazu. Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein
schlägt zudem höhere Steuerabschreibungen vor, die es Immobilienbesitzern
erleichtern, Investitionen in moderne Heiztechnik zu tätigen, ohne diese
komplett auf die Mieter umzulegen. Auch Unternehmen könnten solche
Vergünstigungen in Anspruch nehmen, wenn sie ihre Betriebsgebäude sanieren.
▸ Die Klima-Anleihe
Um sehr viel Geld geht es mittlerweile, wenn Union und SPD über den
Klimaschutz der nächsten zehn Jahre sprechen. Zuschüsse,
Steuerabschreibungen, Investitionen – von 30, 50 oder auch 150 Milliarden
Euro ist die Rede. Diese Wünsche treffen aber auf eine gerade erlahmende
Konjunktur. Im Bundeshaushalt wird sich das Geld deshalb wohl nicht mehr so
einfach finden lassen.
Daher kommt die Idee, dass beispielsweise die öffentliche KfW-Bankengruppe
oder eine staatliche Stiftung eine Klima-Anleihe mit einer Laufzeit von
zehn Jahren auflegt, die Bürgerinnen und Bürger diese Wertpapiere kaufen
und so dem Staat das benötigte Kapital zur Verfügung stellen. Dafür
könnten sie Zinsen von vielleicht 2 Prozent jährlich erhalten – mehr als
das Spar- oder Festgeldkonto und andere Anlagen derzeit bringen.
Die Mittel stünden dann für Programme zur Verfügung, die nicht aus den
unmittelbaren Staatshaushalten finanziert würden. Die Milliarden aus der
Anleihe könnten teilweise als Kredite an Unternehmen für die Entwicklung
synthetischer Kraftstoffe und der Wasserstoff-Technologie fließen, damit
später nicht der gesamte Verkehr von der Elektromobilität abhängig ist.
Auch der Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur für E-Autos wäre eine
sinnvolle Maßnahme. Nach zehn Jahren gäbe die öffentliche Hand das Geld an
die Kapitalgeber zurück.
Dass der Staat in diesem Fall vernünftige Zinsen zahlt, könnte manche
Bürgerinnen und Bürger mit der Klimapolitik versöhnen. Wobei es für den
Bund derzeit billiger wäre, einfach Staatsanleihen zu verkaufen, für die er
keine Zinsen bieten muss. Aber dagegen spricht das Prinzip von CSU, CDU und
Teilen der SPD, zusätzliche Schulden im Bundeshaushalt unbedingt zu
vermeiden. Die sogenannte schwarze Null ist heilig. Dafür nimmt man selbst
den Vorwurf in Kauf, einen Schattenhaushalt zu etablieren – eine
ausgelagerte Schuldenaufnahme, die offiziell nicht auf die Staatsfinanzen
angerechnet werden soll.
Besonders Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bewarb die
Klima-Anleihen und schlug vor, dafür eine „gemeinnützige Bürger-Stiftung
Klimaschutz“ zu gründen. Das sei eher eine „Klimaschutzbremse“, sagt
dagegen Ökonom Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für
Weltwirtschaft. Wenn die Stiftung den Kapitalgebern 2 Prozent Zinsen zahle,
obwohl sich der Staat umsonst verschulden könne, werde Geld verschwendet
und der Klimapolitik entzogen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hält
angeblich ebenfalls nichts von dem Vorhaben. Ob und wie die Anleihe
funktioniert, muss sich erst noch zeigen.
14 Sep 2019
## LINKS
[1] /Klimaschutzplaene-der-Koalition/!5623365
[2] /Bundesregierung-uneins-ueber-CO2-Steuer/!5612578
## AUTOREN
Hannes Koch
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