# taz.de -- Thorsten Schäfer-Gümbel über Klimakrise: „Geld ist nicht unser… | |
> Seine Partei war beim Klimaschutz zu langsam, sagt SPD-Chef Thorsten | |
> Schäfer-Gümbel. Woher die Mittel für bessere Maßnahmen kommen sollen, | |
> weiß er. | |
Bild: Windenergie oder Kohlekraft – wo sieht die SPD ihre Zukunft? | |
taz: Herr Schäfer-Gümbel, ist es nicht seltsam, dass Olaf Scholz den | |
Klimaschutz pünktlich vor dem 20. September entdeckt, [1][an dem die Groko | |
ein Klimaschutzgesetz verabschieden will?] | |
Thorsten Schäfer-Gümbel: Wir müssen am 20. September wichtige | |
Entscheidungen treffen. Die Aufgabe ist nicht trivial. Die Koalition hat | |
ein echt dickes Paket vor sich. | |
Scholz ist bisher nicht als Klimaschützer aufgefallen. Ist das glaubwürdig? | |
Fast alle Parteien sind in der Klimaschutzpolitik in der Vergangenheit zu | |
selten aufgefallen. | |
Ist das eine Selbstkritik der SPD? | |
Ja, natürlich. Wir waren in den letzten Jahren zu wenig erkennbar bei der | |
Verbindung von Arbeit und Umwelt. Das ist eine Zukunfts- und | |
Menschheitsaufgabe, die wir mit neuer Ernsthaftigkeit angehen. | |
Was hat die SPD versäumt? | |
Die SPD ist die Partei der Arbeit und sozialen Sicherheit. Bergleute oder | |
Kraftwerksmitarbeiter und ihre Familien wollen von der SPD wissen, wie es | |
mit ihnen weitergeht. Für uns ist klar: Die ökologische und die ökonomische | |
Perspektive gehören zusammen. Das macht Entscheidungsprozesse komplexer. | |
Und da sind wir in der Vergangenheit zu langsam gewesen. | |
Über 20.000 Jobs in der Braunkohle wird jahrelang verhandelt, in der Solar- | |
und Windbranche gehen sang- und klanglos weit mehr Jobs verloren. Warum? | |
Ich verstehe, was Sie meinen. Wir müssen den Deckel bei der Solarenergie | |
heben. Aber es geht bei der Braunkohle nicht nur um 20.000 Jobs, sondern um | |
Wertschöpfungsketten, von denen ganze Regionen abhängen. Ein Kohleausstieg | |
vor 2038 wäre für den Klimaschutz besser. Aber dann sind auch die | |
Konsequenzen zu benennen: schnellerer Netzausbau, schnellerer Ausbau der | |
Erneuerbaren. Aber dazu müssen die Fragen der Speicherung und die | |
Verteilnetzfrage geklärt sein. Außerdem müssten wir dann den Strukturwandel | |
in den betroffenen Regionen noch schneller umsetzen, also neue | |
Infrastruktur und Firmen ansiedeln. | |
Die SPD nimmt viel Rücksicht auf die Kohlekumpel – auch weil die sonst AfD | |
wählen. Die AfD hat in der Lausitz trotzdem gut abgeschnitten. Führt die | |
SPD da keinen aussichtslosen Kampf gegen einen Gegner, der den Klimawandel | |
leugnet und bis in alle Ewigkeit Kohle fördern will? | |
Im Moment sind die Menschen mit Veränderungen konfrontiert und wissen | |
nicht, ob das, was an Strukturhilfen zugesagt ist, auch kommt. Dieses | |
Vertrauen müssen wir herstellen, es geht nicht um Ankündigungen, sondern um | |
Taten. Deswegen ist das Klimaschutzgesetz auch so wichtig. Und deshalb sind | |
die Eckpunkte zum Strukturwandelgesetz beschlossen worden. | |
Was muss denn aus SPD-Sicht auf jeden Fall beschlossen werden? | |
Ein Gesetz, das das Klima effektiv schützt und sozial gerecht ist. Es muss | |
dabei [2][eine CO2-Bepreisung] geben, das scheint ja weitgehend Konsens zu | |
sein. Gleichzeitig damit müssen wir Ausgleichsmechanismen schaffen, damit | |
Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen nicht benachteiligt werden. | |
Aber der CO2-Preis allein reicht eben nicht. Wir brauchen einen Kanon aus | |
Ordnungsrecht, Förderprogrammen und Bepreisung. Der Instrumentenkasten, wie | |
wir unsere Ziele erreichen wollen, muss konkret werden. | |
Dann werden Sie doch mal konkret. Was gehört dazu? | |
Wenn wir Elektromobilität wirklich wollen, müssen wir nicht nur mehr | |
Ladesäulen fordern. Wir müssen auch festlegen, wer das macht. Im Moment | |
gibt es da ein System der organisierten Unzuständigkeit. Und wenn wir | |
wollen, dass Menschen auf den ÖPNV umsteigen, müssen wir den massiv | |
ausbauen, gerade in ländlichen Regionen. Der ÖPNV muss preiswerter werden – | |
etwa durch das 365-Euro-Ticket für ein ganzes Jahr. | |
Woher soll das Geld dafür kommen? | |
Ein Teil davon sollte aus der CO2-Bepreisung kommen. Aber Geld ist im | |
Moment nicht unser Problem, sondern dass es nicht genutzt und abgerufen | |
wird. Wir müssen zudem die öffentliche Hand in die Lage versetzen, diese | |
Investitionen auch zu machen. | |
Aber auch andere Teile des Klimapakets kosten. Die Union setzt lieber auf | |
teure Förderprogramme als auf Verbote. Also: Woher kommt das Geld? | |
Geld für den investiven Bereich ist vorhanden. | |
Glauben Sie, dass wir wirksamen Klimaschutz mit einem ausgeglichenen | |
Haushalt erreichen? | |
Ich halte es für sinnvoller, über höhere Steuern für Reiche zu reden. Mir | |
wäre es recht, wenn wir die notwendigen Ausgaben auch durch eine | |
Vermögensteuer und einen höheren Spitzensteuersatz finanzieren würden und | |
nicht über neue Schulden. | |
Wenn die EU wirklich bis 2050 klimaneutral sein will, muss auch das Ziel | |
für 2030 weit radikaler ausfallen als derzeit geplant. | |
Ja, wir werden uns sehr anstrengen müssen. Deswegen bin ich dafür, dass wir | |
jetzt erst mal einen ordentlichen Einstieg machen. Und dann brauchen wir | |
auf jeden Fall einen Mechanismus zur Evaluierung, in dem wir Jahr für Jahr | |
prüfen, wo wir was für Nachsteuerungen brauchen. Darüber wird mit der Union | |
noch zu reden sein. | |
10 Sep 2019 | |
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[1] /Kommentar-Klimaschutzgesetz/!5575874 | |
[2] /CO2-Steuer-und-Klima/!5611876 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
Stefan Reinecke | |
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