# taz.de -- Mietendeckel in Berlin: Angst vor der eigenen Courage | |
> Kurz vor der Senatssitzung kommt insbesondere aus der SPD scharfe Kritik | |
> am Mietendeckel. Womöglich wird er nicht wie geplant verabschiedet. | |
Bild: Knickt er ein? Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) | |
BERLIN taz | Eigentlich galt es als klare Sache, dass der Senat am Dienstag | |
die [1][Eckpunkte des Mietendeckels], die seit Anfang Juni öffentlich sind, | |
beschließen wird. Stunden vor der Sitzung zeigte sich, dass diese | |
Gewissheit doch keine war. Seit Montagabend tobt ein offener | |
Koalitionsstreit. Alles deutet darauf hin, dass das Eckpunktepapier nicht | |
in der von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) vorgelegten | |
Version verabschiedet wird. | |
Aus der Senatskanzlei, so ein SPD-Politiker im Gespräch mit der taz, seien | |
am Montag Forderungen nach erneuten Prüfungen laut geworden. | |
Senatskanzleichef Christian Gaebler (SPD) habe sich, so schreibt es der | |
[2][Tagesspiegel], Argumente zu eigen gemacht, dass der Mietenstopp den | |
Neubauzielen der Wohnungsbaugesellschaften zuwiderlaufen würde. | |
Der Vorsitzende des SPD-“Fachausschusses Soziale Stadt“, Volker Härtig, | |
habe argumentiert, dass die Gesellschaften aus den ihnen bei einem | |
Mietenstopp entgehenden Einnahmen von 600 Millionen Euro 3.000 Wohnungen | |
errichten könnten. Der Stadtentwicklungsexperte Andrej Holm kritisierte auf | |
taz-Anfrage diese Rechnung. Bei bislang kalkulierten Mietsteigerungen von | |
einem Prozent pro Jahr für die 300.000 Wohnungen der Gesellschaften | |
summieren sich die Einnahmeverluste innerhalb von fünf Jahren auf lediglich | |
225 Millionen Euro. | |
Die zuständige Linken-Abgeordnete Gaby Gottwald sagte auf Anfrage der taz, | |
Teile der SPD „torpedieren den Mietendeckel“. Sie kritisierte den Versuch, | |
den Deckel mit dem Thema Neubau zu verbinden. | |
Kritik am Mietendeckel sei, so heißt es aus der SPD, auch von den Grünen | |
gekommen. Einerseits habe das Haus von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop | |
darauf bestanden, Ausnahmen für energetische Sanierungen festzuschreiben. | |
Andererseits habe Justizsenator Dirk Behrendt die im Eckpunktepapier | |
festgehaltene Möglichkeit kritisiert, Mieten abzusenken, falls sie eine | |
noch zu definierende Obergrenze überschreiten. | |
Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger betont hingeen die Rolle der | |
Grünen, den Angriff aus der SPD abzuwehren. Am Abend kursierte ein Entwurf, | |
der „nicht mal ein Beschluss, sondern nur eine Kenntnisnahme der Eckdaten“ | |
enthielt. Schmidberger sagt: „Mit der Formulierung wäre das Gesetz zur | |
Deckelung der Mieten nicht rückwirkend wirksam auf das Datum des | |
Beschlusses geworden“. Dies galt es zu verhindern. | |
Am Dienstagmorgen schien noch eine andere Option möglich: Das Gesetz könnte | |
zumindest n Teilen beschlossen werden. Umstrittene Punkte würden zu | |
Prüfaufträgen. | |
## Was wird aus den Mieterhöhungen? | |
Was das für die Gültigkeit von [3][Mieterhöhungen] bedeutet, steht noch | |
nicht fest. Bislang wurde angenommen, dass ein Gesetz eine rückwirkende | |
Stichtagsregelung mit dem Datum des Senatsbeschlusses enthalten wird. Alle | |
Mieterhöhungen zu einem späteren Zeitpunkt wären damit hinfällig. [4][Der | |
Eigentümerverband Haus & Grund hatte Vermieter aufgerufen, bis zum Montag | |
die Mieten zu erhöhen]. | |
Zuletzt war eine Debatte darüber entstanden, ob die Mieterhöhungen, die in | |
den letzten Tagen bei den Mietern eingegangen sind, erst nach Zustimmung | |
der Mieter Gültigkeit haben oder bereits beim Eingang der Schreiben. Die | |
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte nach dem Aufruf von Haus und | |
Grund darauf verwiesen, dass Mieter bis zu drei Monate Zeit haben, einer | |
Mieterhöhung zuzustimmen. Eine „wirksame Vereinbarung der Miethöhe“ käme | |
bei Ausschöpfung der Frist erst nach dem Senatsbeschluss zustande und wäre | |
laut Senat damit ungültig. | |
Reiner Wild vom Berliner Mieterverein widerspricht dieser Einschätzung und | |
sagt, dass der Eingang der Mieterhöhungen als relevantes Datum gilt. | |
Demnach gelte für alle Mieterhöhungen, die vor dem Senatsbeschluss | |
eingehen, das alte Recht, und für alle die danach eintreffen, das neue | |
Recht, sprich die Vorgaben des Mietendeckels. | |
Seit Bekanntwerden des Eckpunktepapiers [5][war von verschiedenen Seiten | |
Kritik an dem Entwurf] laut geworden: So klagten Genossenschaften darüber, | |
dass sie sich bei einem Mietenstopp die notwendigen Investitionen für | |
Instandhaltung und Neubau nicht mehr leisten könnten. | |
Benjamin Raabe vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein, der | |
seit Ende vergangenen Jahres an der Debatte zum neuen Mietendeckel | |
beteiligt ist, versteht die Aufregung nicht. Schließlich würden zunächst | |
nur Eckpunkte beschlossen, der Gesetzgebungsprozess beginne damit erst. | |
Somit sei der Mietendeckel auch weiterhin offen für die Gestaltung durch | |
verschiedene Interessengruppen. | |
Auf die Vorbehalte der Genossenschaften antwortet Raabe, dass hier durchaus | |
eine Ausnahmeregelung denkbar sei – möglicherweise eine, die | |
Genossenschaften erlaubt, ihre Mieten bis zur noch festzulegenden, aber im | |
Eckpunktepapier bereits erwähnten Obergrenze zu erhöhen. | |
Anmerkung der Redaktion: Die Passage mit Zitaten von Katrin Schmidberger | |
wurde nachträglich ergänzt. In der ersten Version hatte eine Reaktion der | |
Grünen auf ihre Rolle in der Debatte um die Eckpunkte gefehlt. | |
18 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Mietendeckel-in-Berlin/!5601029 | |
[2] https://www.tagesspiegel.de/politik/streit-in-berlins-senatskoalition-miete… | |
[3] /Last-Minute-Mieterhoehungen/!5600573 | |
[4] /Mietendeckel-in-Berlin/!5599961 | |
[5] /Mietendeckel-in-Berlin/!5599961 | |
## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
Erik Peter | |
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