| # taz.de -- Studie über prekäre Arbeitsverhältnisse: Arbeit macht arm | |
| > Nirgendwo gibt es so viele prekäre Jobs wie in Bremen. Immerhin: Bevor es | |
| > den Mindestlohn gab, war es noch schlimmer. | |
| Bild: Putzen gehört zu den Klassikern prekärer Arbeitsverhältnisse | |
| Bremen taz | In keinem Bundesland gibt es so viele prekäre | |
| Arbeitsverhältnisse wie in Bremen. Dieser Befund kommt nicht überraschend, | |
| wurde jetzt aber durch [1][eine Studie der gewerkschaftsnahen | |
| Hans-Böckler-Stiftung] bestätigt. Der Anteil der so genannten „atypischen | |
| Beschäftigungsverhältnisse“ liegt demzufolge in Bremen bei 26 Prozent. Dazu | |
| zählen laut Definition neben Minijobs und Leiharbeitsverhältnissen alle | |
| Teilzeit-Stellen mit weniger als 20 Stunden pro Woche. | |
| Zum Vergleich: in Hamburg und Berlin sind es knapp 18 Prozent solcher Jobs, | |
| in Niedersachsen 22, in Schleswig-Holstein 20 Prozent. Zudem ist der Anteil | |
| in den ostdeutschen Bundesländern deutlich niedriger als im Westen – | |
| Brandenburg hat nur einen Anteil von 14 Prozent. | |
| Frauen sind erwartungsgemäß deutlich stärker betroffen als Männer: Laut der | |
| Studie arbeiten 30 Prozent der erwerbstätigen Frauen zwischen 15 und 64 | |
| Jahren in prekären Jobs, aber nur 12 Prozent der Männer. Und während bei | |
| den Männern die Zahl solcher Beschäftigungsverhältnisse mit zunehmendem | |
| Alter tendenziell abnimmt, ist das bei den Frauen nicht der Fall. | |
| Die Entwicklung zeichnet sich schon seit langer Zeit ab, schreiben die | |
| AutorInnen der Studie – schon in den 80er- Jahren sei von einer „Erosion | |
| des Normalarbeitsverhältnisses“ die Rede gewesen, und von 1991 bis 2007 | |
| stieg die Zahl der „atypisch“ Beschäftigten an allen Erwerbstätigen | |
| zwischen 15 und 64 Jahren bundesweit von 13 auf 23 Prozent. Gleichwohl hat | |
| sich die [2][Einführung eines bundesweiten Mindestlohns] positiv | |
| ausgewirkt, gerade in Bremen. Seither gibt es im Land Bremen 9,8 Prozent | |
| weniger Minijobs, also Tätigkeiten auf 450-Euro-Basis – im | |
| Bundesdurchschnitt lag der Rückgang nur bei 7,1 Prozent. | |
| „Der gesetzliche Mindestlohn hat für viele Beschäftigte mehr Lohn | |
| gebracht“, sagt die DGB-Chefin Annette Düring. Nach Angaben der | |
| Bundesregierung ist derzeit ein Stundenlohn von 12,63 Euro notwendig, um | |
| bei einer Vollzeitbeschäftigung nach 45 Arbeitsjahren im Alter nicht auf | |
| Grundsicherung angewiesen zu sein. | |
| In Bremen gilt ab dem 1. Juli ein neuer Landesmindestlohn in Höhe von 11,13 | |
| Euro, bundesweit sind es nur 9,19 Euro. Der Landesmindestlohn gilt für | |
| Beschäftigte von öffentlichen Unternehmen und Einrichtungen sowie für | |
| Beschäftigte von „Zuwendungsempfängern“, also etwa Kultur- oder | |
| Jugendeinrichtungen und die 2.600 studentischen Hilfskräfte an den Bremer | |
| Hochschulen. | |
| SPD, Grüne und Linkspartei in Bremen sind sich programmatisch in vielen | |
| Punkten einig, was prekäre Jobs angeht: „Minijobs haben zu keiner Zeit das | |
| Ziel erreicht, Brücken in reguläre Beschäftigung zu bauen“, schreiben die | |
| Grünen in ihrem Wahlprogramm und fordern „einen flächendeckenden | |
| Mindestlohn, die Eindämmung der Minijobs und die Abschaffung des | |
| Ehegattensplittings für alle Ehen“ zugunsten einer besseren Förderung von | |
| Familien mit Kindern. | |
| Auch Doris Achelwilm, gleichstellungspolitische Sprecherin der | |
| Linksfraktion im Bundestag, verlangt, „endlich das Ehegattensplitting | |
| abzuschaffen“, von dem Verheiratete umso mehr profitieren, je größer der | |
| Einkommensunterschied der PartnerInnen ist. Außerdem fordert die Bremer | |
| Abgeordnete, „vom ersten Euro an“ die Minijobs durch | |
| sozialversicherungspflichtige Arbeit zu ersetzen, und sachgrundlose | |
| Befristungen abzuschaffen. Dafür wäre die Große Koalition in Berlin | |
| zuständig. | |
| Doch auch die Bremer SPD verweist vor allem auf die eigene Bundesregierung: | |
| „Wir setzen uns im Bund für die weitere Einschränkung prekärer | |
| Beschäftigung in Form von Leiharbeit, Befristungen, Minijobs und | |
| missbräuchlichen Werkverträgen ein“, steht in ihrem Bremer | |
| Regierungsprogramm. | |
| Und was will die neue Landesregierung tun? „In Bremen werden wir weiter auf | |
| sachgrundlose Befristungen verzichten“ schreibt die SPD, außerdem | |
| Befristungen mit Sachgrund „auf ein Minimum reduzieren“ sowie Leiharbeit | |
| und Minijobs „nur in Ausnahmefällen“ zulassen. | |
| 26 Jun 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_pb_34_2019.pdf | |
| [2] /Archiv-Suche/!5557753&s=minijobs+bremen&SuchRahmen=Print/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
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