# taz.de -- Betriebe in Berlin: Wo geht das ganze Wachstum hin? | |
> Die Zahl der Berliner Betriebe wächst, aber viele der neuen Stellen sind | |
> prekäre Teilzeit- und Minijobs. Und: Immer weniger bilden aus. | |
Bild: Azubi-Protest für eine gerechtere Ausbildungsvergütung 2018 in Berlin | |
Die Berliner Wirtschaft brummt: Die Zahl der Betriebe wächst, die Zahl der | |
Beschäftigten ebenfalls. In Berlin ist der Bedarf an Fachkräften sogar | |
bundesweit am höchsten. Knapp 60 Prozent aller Berliner Betriebe haben | |
mittlerweile gar keine Arbeitsplätze mehr für Ungelernte (bundesweit: 47 | |
Prozent). Entsprechend ist die größte Sorge von hiesigen Arbeitgebern, dass | |
sie frei werdende Stellen aus [1][Fachkräftemangel] womöglich nicht | |
besetzen können. All dies ergibt sich aus dem „Betriebspanel Berlin 2018“, | |
das am Montag von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) vorgestellt | |
wurde. | |
Ihre Schlussfolgerung: Angesichts dieser Ergebnisse „wäre es naheliegend, | |
für den eigenen Nachwuchs zu sorgen“ – sprich: mehr auszubilden. Doch dies | |
geschehe nicht: Nur noch 20 Prozent aller Berliner Betriebe bildeten aus, | |
viele junge Menschen blieben daher unversorgt. „Da ist viel Luft nach | |
oben!“, so die Senatorin. | |
Das Betriebspanel basiert auf einer bundesweiten Befragung von 15.000 | |
Arbeitgebern, die jährlich vom Institut für Arbeitsmarkt- und | |
Berufsforschung der Arbeitsagentur vorgenommen wird. Die Daten sind | |
repräsentativ für die 2,1 Millionen Betriebe in Deutschland und die | |
inzwischen rund 99.000 in Berlin. Ausgewertet werden die Berliner Zahlen | |
vom Institut für sozialökonomische Strukturanalysen (SÖSTRA). | |
Wie dessen Projektleiter Marek Frei erklärte, ist das | |
[2][Wirtschaftswachstum] in Berlin ein zweischneidiges Schwert. Einerseits | |
steigt die Zahl der Betriebe (seit 2005: 20.000 mehr) sowie die Anzahl der | |
Beschäftigten (seit 2005: 465.000 mehr) – damit liegt Berlin über dem | |
Bundesdurchschnitt. Andererseits: „Mit dem Zuwachs hat auch die Bedeutung | |
von atypischer Beschäftigung zugenommen“, so Frei. | |
## Mehr MinijobberInnen | |
Immer mehr Jobs sind Teilzeitstellen (mit Sozialversicherung) oder Minijobs | |
(ohne) oder sie sind befristet oder es handelt sich um Leiharbeit. | |
Insgesamt entsprechen rund 41 Prozent der Jobs damit nicht der klassischen, | |
sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeit, dem sogenannten | |
Normalarbeitsverhältnis. In Berlin nimmt vor allem die Teilzeitarbeit zu, | |
2018 betraf das 20 Prozent der ArbeitnehmerInnen. In befristeten Jobs waren | |
13 Prozent angestellt. | |
Interessant sind die Gründe für Befristungen. So geben 35 Prozent der | |
Betriebe an, damit den neuen Mitarbeiter über die Probezeit hinaus testen | |
zu können (2009: 16 Prozent). Bei 51 Prozent der Befristungen geben die | |
Arbeitgeber gar keinen Grund an. Breitenbach kritisierte dieses Vorgehen | |
und appellierte erneut an die Bundesregierung, die sachgrundlose Befristung | |
zu verbieten. Sie erinnerte daran, dass das Land Berlin als Arbeitgeber auf | |
solche „sachgrundlosen Befristungen“ inzwischen verzichte. | |
Nicht im Sinne von „guter Arbeit“ ist auch, dass immer weniger Betriebe | |
tarifgebunden sind. Ihr Anteil ist von 23 Prozent in 2005 auf 18 Prozent | |
gesunken, das ist deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. | |
Die Sprecherin der Industrie- und Handelskammer wehrte sich gegen den | |
Vorwurf, die Betriebe bildeten zu wenig aus. „Das Angebot an betrieblichen | |
Ausbildungsstellen hat sich seit 2009 um 60 Prozent erhöht und die Anzahl | |
der [3][unbesetzten Ausbildungsplätze] ist seitdem von Jahr zu Jahr | |
gestiegen.“ | |
Solche unbesetzten Lehrstellen fielen aus der Statistik und damit sinke die | |
offizielle Zahl der Ausbildungsbetriebe. „Die Berliner Wirtschaft kann nur | |
dann mehr ausbilden, wenn sie diese Plätze auch mit geeigneten Bewerbern | |
besetzen kann.“ Breitenbachs Konter: „Man kann sich keine neue Menschen | |
bauen.“ Ausbildung sei Sache der Betriebe. | |
19 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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