# taz.de -- Karl Lauterbach über die Krise der SPD: „Wir können uns schlech… | |
> Angesichts herber Wahlniederlagen erinnert der Fraktionsvize an die | |
> konstanten Erfolge der SPD. Man müsse nun eine Mitte-Links-Regierung | |
> forcieren. | |
Bild: „Man muss nach den neuen Regeln spielen“, sagt Lauterbach | |
taz: Herr Lauterbach, bleibt die SPD in der Koalition? | |
Karl Lauterbach: Jeden Tag darüber zu spekulieren und Wasserstandsmeldungen | |
zu verbreiten, das brauchen wir nicht. Das ist eine erbärmliche Diskussion. | |
Die wird uns natürlich von Medien aufgedrängt… | |
Ach, sind jetzt die Medien an der [1][SPD-Krise] Schuld? | |
Nein, so nicht. Wir dürfen diese richtige Frage nicht falsch beantworten. | |
Wo sind die Sollbruchstellen für die SPD in Sachen Regierung: | |
[2][Klimaschutzgesetz] und Grundrente? | |
Wenn wir unsere Sollbruchstellen öffentlich definieren, sind wir | |
erpressbar. Die hat man im Kopf, aber man plaudert sie nicht aus. Das weiß | |
ich aus sehr langer Erfahrung mit Verhandlungen. | |
Also macht die SPD , trotz des Europawahlergebnisses, einfach so weiter wie | |
vorher? | |
Ja und nein. Wir haben bei Gesundheit und Pflege 90 Prozent der im | |
Koalitionsvertrag vereinbarten Gesetze begonnen oder abgeschlossen. Ich | |
arbeite intensiv seit langem an einem Gesetz zur besseren Ausbildung von | |
Psychotherapeuten. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass Depressive | |
schneller eine Therapie bekommen. Das sind wichtige sozialdemokratische | |
Gesetze. Soll ich, weil die SPD ein schlechtes Wahlergebnis hatte, die | |
Arbeit einstellen? Ich versuche noch so viel zu erreichen wie es geht. | |
Weniger quatschen, mehr arbeiten. Und wir bereiten die Zwischenbilanz der | |
Regierung vor. Wir werden an zwei Fragen entscheiden, ob wir die Regierung | |
fortsetzen: Wie viel haben wir erreicht? Wie viel ist noch möglich? | |
Aber das ist alles der Stand vor der Europawahl. | |
Das ist ein vernünftiger Plan. Den werden wir nicht wegen einer | |
Wahlniederlage aufgeben. | |
Ist die SPD Motor der Regierung? | |
Ja, die Gesetze dieser Regierung stammen zum großen Teil von der SPD. | |
Aber nur 16 Prozent der WählerInnen sehen das auch so. Woher kommt diese | |
Kluft in der Selbst- und Außenwahrnehmung? | |
Drei Gründe: Wir können uns schlecht nach außen verkaufen. Wir beschäftigen | |
uns zu viel mit uns selbst. Und: Die Groko ist bei den BürgerInnen nicht | |
beliebt. Das bedeutet: Wir bekommen für die guten Gesetze, die wir machen, | |
keine einzige Stimme mehr. Dafür kosten uns gute Gesetze, die wir nicht | |
machen, Stimmen. Das ist asymmetrisches Geschäft. Aber das hält mich nicht | |
davon ab, meinen Job zu machen. | |
Warum schätzt das Publikum so wenig, was die SPD tut? | |
Die Regeln des politischen Geschäfts verändern sich. Die soften Faktoren | |
sind angesagt. Botschaften, Symbole und Inszenierung sind wichtiger | |
geworden als das Handwerk, Gesetze zu machen. Darauf müssen wir uns endlich | |
einstellen. Man muss nach den neuen Regeln spielen. Dazu fehlt uns auch | |
eine klare Linie beim Klimawandel und zur Umverteilung. | |
Die SPD ist zum dritten Mal Juniorpartner der Union, und es geht immer | |
weiter bergab. Ist mit Merkel zu regieren einfach die falsche Medizin für | |
die SPD? | |
Nein, die Gesetze die wir gemacht haben, werden bleiben, auch wenn die SPD | |
mal nicht mehr regiert. Wenn wir mit Merkel Unionspolitik gemacht hätten, | |
würde ich sagen: Wir sind völlig gescheitert. Aber so ist es nicht. Das | |
Land ist sozialdemokratischer geworden. Und es gibt auch bei Wahlen | |
Hoffnung. Die Wahlen sind volatiler als früher… | |
Die Verluste der SPD in den Großen Koalitionen sind nicht volatil, sondern | |
konstant. | |
Das ist unbenommen. Trotzdem wird die SPD sich auch wieder erholen. | |
Olaf Scholz glaubt, dass die Aussicht der SPD die Bundestagswahl zu | |
gewinnen, viel größer ist als in den Jahren zuvor. Da schüttelt die halbe | |
Republik nur noch den Kopf… | |
Ich hätte das so nicht gesagt. Zumindest nicht heute. Aber es ist nicht | |
ganz falsch. Der Abstand zur Union ist nicht größer geworden. Und die | |
Sympathien für die Grünen waren in der Vergangenheit öfters sehr | |
schwankend. Ich glaube, dass die SPD bei Wahlen erfolgreicher sein kann, | |
wenn wir uns Grünen und Linkspartei annähern. Ich bin schon lange für | |
dieses Bündnis und in gutem Kontakt mit der Führung der Linkspartei. Es | |
reicht nicht, nur offen für eine Mitte-Links-Regierung zu sein. Wir müssen | |
offensiv dafür kämpfen. | |
Will die SPD das? | |
Es gibt bei uns viel weniger Gegner von Rot-Rot-Grün als früher. Die | |
SPD-Spitze ist weit offener als früher. Aber dieses Bündnis auch zu | |
fordern, dazu sind in der SPD nur wenige bereit. Das ist bei Grünen und | |
Linkspartei nicht anders. | |
Ist für die Grünen im Bund eine Koalition mit SPD und Linkspartei noch eine | |
ernsthafte Möglichkeit? | |
Das ist die Frage. Die Grünen sind gespalten. Ein Teil will eine Art grüne | |
Macron-Partei werden und setzt ganz auf Schwarz-Grün. Manche scheinen sich | |
da sogar für Rot-Rot-Grün zu schämen. Diese Grünen unterschätzen aber | |
dramatisch den Widerstand der Wirtschaftspartei Union gegen Investitionen | |
beim Klimaschutz. Der andere Teil der Grünen versteht, dass grüne | |
Investitionen und Soziales zusammengehören. Rot-Rot-Grün ist das einzige | |
Bündnis, das Fortschritt beim Sozialen mit Ökologischem verbinden kann. | |
Und [3][Bremen]? | |
Rot-Rot-Grün in einem westlichen Bundesland ist extrem erfreulich Aber ich | |
würde die Wirkung nicht überschätzen. | |
7 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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