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# taz.de -- Rücktritt von Andrea Nahles: Abgang mit Knall
> Am Ende war der Druck aus der SPD zu groß. Andrea Nahles tritt als
> Partei- und Fraktionschefin zurück – und hört sogar als
> Bundestagsabgeordnete auf.
Bild: Nach knapp 30 Jahren beendet Nahles ihre politische Karriere
Berlin taz | Es ging einfach nicht mehr. „Die Diskussion in der Fraktion
und die vielen Rückmeldungen aus der Partei“, so Andrea Nahles am
Sonntagfrüh, „haben mir gezeigt, dass der zur Ausübung meiner Ämter
notwendige Rückhalt nicht mehr da ist.“ [1][Deshalb tritt sie zurück], am
Montag als Parteivorsitzende, am Dienstag als Fraktionschefin. Auch ihr
Bundestagsmandat will sie niederlegen. Damit ist offen, wie sich die SPD
neu organisiert – und auch, ob die Große Koalition kollabiert. „Ich hoffe
sehr, dass es Euch gelingt, Vertrauen und gegenseitigen Respekt wieder zu
stärken“, so Nahles' letzter Satz in der Erklärung – ein Wink mit den
Zaunpfahl.
Denn respektvoll war die Art, wie die erste SPD-Partei- und Fraktionschefin
madig gemacht wurde, wirklich nicht. Schon vor der Europawahl lancierten
anonyme Spitzengenossen eine Reihe von Medienberichten, in denen Nahles'
Fähigkeit, die Fraktion zu führen, angezweifelt wurden. Geahnt hatte Nahles
Rückzug niemand. Kevin Kühnert hatte seinen GenossInnen per Facebook
geraten, am Wochenende „zur Abkühlung ein Eis zu essen“.
Am Dienstag wollte Nahles eigentlich vorgezogen wiedergewählt werden – ein
Schachzug, um ihre Kritiker in die Arena zu zwingen. Doch die hielten es
für erfolgreicher, in der Deckung zu bleiben. Auch weil sie politisch zu
diffus sind, um sich auf einen Kandidaten zu einigen.
Zu den lautstärksten Kritikern, die Nahles Rücktritt forderten, gehören
SPD-Rechte wie Bernd Westphal und der SPD-Linke Sascha Raabe. Der
SPD-Gesundheitsexperte und Nahles Vertraute Karl Lauterbach bezeichnet
diese Zurückhaltung öffentlich als „feige“. [2][Linksfraktionschef Dietmar
Bartsch erklärte]: „So brutal darf Politik nicht sein. Vielleicht denken
wir darüber alle einfach nur nach.“
## Nahles machte zuletzt Fehler
Nahles Stellvertreter als Parteivorsitzende, Olaf Scholz, Malu Dreyer,
Manuela Schwesig, Natascha Kohnen Thorsten Schäfer-Gümbel und Ralf Stegner,
hatten am Samstag noch einen „solidarischen Umgang“ mit Nahles
eingefordert. Doch der Aufruf klang nicht selbstbewusst, eher defensiv, wie
der Wunsch nach Gnade. Der Druck war zu heftig, der Wunsch, dass jemand für
die 15, 8 Prozent bei der Europawahl Verantwortung übernehmen müsse, zu
groß.
Nahles hatte in der vergangenen Woche zwei [3][Fehler gemacht]: Ihre
einsame Entscheidung, die Wahl in der Fraktion von September auf diesen
Dienstag vorzuverlegen, erschienen vielen machtverliebt und egozentrisch.
Zudem hatte sie im Bremer Wahlkampf einen jener ihrer gefürchteten
skurrilen Auftritte und rief, mit den Armen rudernd, „Ich liebe Carsten“
(womit der SPD-Bürgermeister gemeint war). Damit minderte sie das Zutrauen,
dass sie der SPD in ohnehin schwieriger Lage noch nützlich kann. Nahles, so
die flügelübergreifend anschwellende Kritik, fordere von allen anderen viel
Disziplin ein, sei aber selbst nicht fähig, sich ihre befremdlichen
Auftritte zu verkneifen.
Nun ist vieles möglich. In der Fraktion wird die Neubesetzung der
Fraktionsspitze nicht gegen die Landesverbände Niedersachsen und NRW
möglich sein. Achim Post, Chef der Landesgruppe NRW im Bundestag, gilt als
ein möglicher Kandidat, der von der SPD-Rechten unterstützt werden würde.
Der Niedersachse Matthias Miersch, Umweltpolitiker und moderater
Parteilinker, hatte schon seinen Verzicht auf die Kandidatur erklärt – aber
nun sind die Karten neu gemischt.
Möglich ist auch eine Doppelspitze, um die chaotische Lage zu
stabilisieren. Fraktions- und Parteispitze zusammen neu zu besetzen halten
manche für eine Chance. Für die Parteispitze fallen öfters die Namen des
niedersächischen Ministerpräsidenten Stephan Weil und der
Ministerpräsidentin aus Schwerin, Manuela Schwesig.
Nahles' politische Karriere geht, nach knapp 30 Jahren SPD als Jusochefin,
Generalsekretärin, Arbeitsministerin und erste SPD-Chefin überhaupt, mit
einem lauten Knall zu Ende. Nahles hatte die widerstrebende SPD mit viel
Energie in die Große Koalition gelotst – die erste in der Geschichte der
Bundesrepublik, die verlängert worden war. Die Partei war, trotz Basisvotum
für die Groko, nie mit ihr warm geworden, die Wahlniederlagen waren ein
deutliches Zeichen, dass auch die WählerInnen nicht viel von der SPD als
Juniorpartnerin hielten.
Nahles schreibt in ihrer Rücktrittserklärung, dass ihr Ziel war,
„Verantwortung für unser Land zu tragen“ und „gleichzeitig die Partei
wieder aufzurichten“. Regieren und die taumelnde Partei retten – Nahles'
Rücktritt ist das Eingeständnis, dass dies nun gescheitert ist.
2 Jun 2019
## LINKS
[1] /SPD-Parteichefin-gibt-auf/!5599729
[2] https://twitter.com/DietmarBartsch/status/1135097088109404160
[3] /SPD-nach-der-Europawahl/!5596536
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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