# taz.de -- Bürgerini für Transparenzgesetz: Alles offen für alle | |
> Für das im Koalitionsvertrag geplante Transparenzgesetz hat R2G bislang | |
> wenig getan. Eine Bürgerinitiative macht jetzt per Volksentscheid Druck. | |
Bild: Wo genau werden am BER die Millionen verbuddelt? Ein Transparenzgesetz k�… | |
Politik und Verwaltung der Hauptstadt haftet nicht gerade der Ruf an, | |
besonders durchsichtig zu sein. Darüber, wie Entscheidungen zustande | |
kommen, sei es auf Bezirks- oder Senatsebene, lässt sich häufig nur | |
spekulieren. Mangelnde Transparenz ist ineffizient, undemokratisch und | |
fördert Korruption, findet das zivilgesellschaftliche Bündnis | |
„Volksentscheid Transparenzgesetz“ – und will Abhilfe schaffen. Gemäß i… | |
Namens fordern sie ein neues Transparenzgesetz für Berlin, um politisches | |
Handeln öffentlich und nachvollziehbar zu machen. | |
Die Initiative, hinter der vor allem die Open Knowledge Foundation und der | |
Verein Mehr Demokratie stehen, hat einen 64-seitigen Gesetzentwurf | |
erarbeitet, über den parallel zu den Bundestagswahlen im Herbst 2021 | |
abgestimmt werden soll. Sollte das Gesetz in der vorgeschlagenen Form | |
beschlossen werden, hätte dies weitreichende Folgen für die Berliner | |
Verwaltungen. Der Entwurf sieht vor, dass alle staatlichen Institutionen | |
des Landes, einschließlich landeseigener Unternehmen und Verfassungsschutz, | |
sämtliche anfallenden Informationen in einem zentralen und frei | |
zugänglichen Transparenzportal online veröffentlichen müssen. Dazu gehören | |
Verträge, Gutachten, Umweltdaten zur Luft- und Wasserverschmutzung, aber | |
auch ein Lobbyregister und Informationen darüber, mit welchen Personen sich | |
Senator*innen treffen. Grundidee ist, dass das Land Informationen nicht wie | |
bisher erst auf Anfrage, sonder selbst aktiv und zeitnah veröffentlicht. | |
„Wir wollen das Verhältnis von Bürger und Stadt umkehren“, erklärt Arne | |
Semsrott von der Open Knowledge Foundation. „Die Entscheidungsprozesse in | |
den Verwaltungen sollen transparent soll fließengemacht werden.“ | |
Derzeit regelt das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) den Umgang mit | |
behördeninternen Informationen. Nach dem 1999 in Kraft getretenen Gesetz | |
sind Behörden zwar grundsätzlich zu einer Herausgabe von Informationen | |
verpflichtet, allerdings nur, wenn diese explizit angefragt wird. In der | |
Praxis würde die Genehmigung von Anträgen auf Akteneinsicht aufgrund der im | |
Gesetz fehlenden Frist oft viel zu lange dauern oder wegen der vielen | |
Ausnahmeregelungen gleich ganz verweigert werden. Zudem seien Anträge | |
gebührenpflichtig und damit diskriminierend, kritisiert Semsrott. „Die | |
bisherige Transparenzregelung ist aus dem letzten Jahrhundert.“ | |
## „Auch Behördenarbeit würde effizienter“ | |
Dazu kommt, dass sich das IFG nur auf die Verwaltungsbehörden des Landes | |
beschränkt. Andere Institutionen wie zum Beispiel landeseigene Unternehmen | |
sind nicht auskunftspflichtig. Da immer mehr Aufgaben auf diese ausgelagert | |
werden, spricht Semsrott von einer „Flucht ins Privatrecht“, durch die sich | |
die Politik der öffentlichen Kontrolle entziehe. Wie problematisch das ist, | |
sehe man an aus dem Ruder gelaufenen Großprojekten wie dem BER-Flughafen | |
oder der Restaurierung der Staatsoper. „Gerade am Anfang hätte hier mehr | |
Transparenz geholfen“, so Semsrott. | |
Nicht zuletzt würde die zentrale Verfügbarkeit sämtlicher Verwaltungsdaten | |
die Arbeit der Behörden selbst viel effizienter gestalten, argumentiert die | |
Initiative. Schließlich würde so der behördenübergreifende | |
Informationsaustausch erheblich vereinfacht werden. Ein Transparenzgesetz | |
würde zudem Korruption vorbeugen, weil die Möglichkeit zu geheimen | |
Absprachen gar nicht erst bestehe: „Es profitieren alle Seiten“, ist | |
Semsrott überzeugt. | |
Ein ähnliches Informationsportal gibt es bereits seit 2014 in Hamburg. Dort | |
wurde schon 2012 ein Transparenzgesetz erlassen, ebenfalls angeregt durch | |
eine Bürgerinitiative. Nach fünf Jahren wird das Portal von | |
Zivilgesellschaft und Senat überwiegend als positiv bewertet und rege | |
genutzt. Derzeit wird überlegt, das Gesetz auszuweiten. | |
Gut möglich, dass auch der Berliner Senat dem Volksentscheid zuvorkommt, | |
indem er ein eigenes Transparenzgesetz beschließt. Im Koalitionsvertrag von | |
Rot-Rot-Grün heißt es: „Das Berliner Informationsfreiheitsgesetz wird | |
weiterentwickelt in Richtung eines Transparenzgesetzes […].“ Auf Anfrage | |
der taz teilte die Pressestelle der Senatsverwaltung für Inneres mit, dass | |
die Koalitionspartner bezüglich des Transparenzgesetzes noch in Gesprächen | |
seien – und man deshalb keine Auskünfte geben könne. Gegenüber der taz | |
zeigten sich die Sprecher aller drei an der Regierung beteiligten | |
Abgeordnetenhaus-Fraktionen allerdings optimistisch, ein entsprechendes | |
Gesetz noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen. „Wir halten an dem Ziel | |
fest, das im Koalitionsvertrag steht“, so Sven Kohlmeier, Sprecher für | |
Rechts- und Netzpolitik der SPD-Fraktion. Allerdings sei das Gesetz bisher | |
noch nicht an der Tagesordnung gewesen, die Arbeit beginne gerade erst. | |
## Gesetzentwurf von der FDP | |
Solche Aussagen sind Semsrott zu vage. Mit dem Volksentscheid will die | |
Initiative Druck aufbauen. „Wenn wir es nicht machen, passiert auch | |
nichts“, ist der Netzaktivist überzeugt. Die Linke hat sich bereits für den | |
Entwurf der Initiative ausgesprochen, die FPD-Fraktion hat im Februar einen | |
stark von der Initiative inspirierten Gesetzentwurf im Abgeordnetenhaus | |
eingebracht, über den vermutlich im September entschieden wird. | |
Unklar ist auch noch, in welcher Form das Gesetz kommen wird, sollte der | |
Senat dem Volksentscheid zuvorkommen. Gerade die SPD hat Bedenken bezüglich | |
Kosten und Aufwand, die die Umsetzung einer umfassenden digitalen | |
Veröffentlichungspflicht mit sich bringen würde. „Mir macht Sorge, dass die | |
Verwaltung das auch umsetzen kann“, gibt Kohlmeier zu bedenken. Auch müsse | |
das Transparenzportal analog anbietbar sein, da nicht alle Berliner*innen | |
über einen Internetzugang verfügten. | |
Tobias Schulze, Sprecher für Netzpolitik und digitale Verwaltung der | |
Fraktion der Linken, geht davon aus, das viele Punkte des Entwurfs den | |
Koalitionspartnern zu weit gingen – etwa die Veröffentlichungspflicht von | |
Senator*innenterminen: „Das erfordert eine ganz andere Kultur der | |
Verwaltung.“ Wie gläsern die Berliner Verwaltung am Ende tatsächlich wird, | |
bleibt daher fraglich. | |
3 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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