# taz.de -- Volksentscheid Transparenzgesetz: Immerhin ein erster Wurf | |
> Per Volksentscheid wollen Aktivisten den Berliner Senat zu mehr | |
> Transparenz zwingen. Ein geleaktes Papier zeigt: Der bastelt schon an | |
> einem Gesetz. | |
Bild: Die Initiative Volksentscheid Transparenzgesetz im August vor dem Roten R… | |
In Politik und Verwaltung soll bald Schluss sein mit undurchsichtigen | |
Entscheidungen, geheimen Verträgen und monatelangen Wartezeiten auf | |
Auskünfte von Behörden. Bereits 30.000 Unterschriften sammelten die | |
Aktivist*innen der [1][Initiative Volksentscheid Transparenzgesetz] | |
dafür, das Land Berlin ein ganzes Stück durchsichtiger zu machen. Nun will | |
der Senat dem Volksentscheid mit einem eigenen Transparenzgesetz | |
zuvorkommen, wie aus einem am Montag geleakten Dokument hervorgeht. Die | |
Inhalte dieses Papiers gehen den Aktivist*innen aber nicht weit genug. | |
Das Eckpunktepapier der von Andreas Geisel (SPD) geführten | |
Senatsinnenverwaltung wurde am Montag von dem Onlineportal Netzpolitik.org | |
veröffentlicht. Enthalten sind schon viele der von den Aktivist*innen | |
geforderten Punkte. So sollen Politik und Verwaltung grundsätzlich dazu | |
verpflichtet werden, sämtliche Akten, Verträge, Gutachten und | |
Parlamentsbeschlüsse proaktiv digital auf einer zentralen Plattform zu | |
veröffentlichen. Explizit eingeschlossen sind auch mittelbare Behörden, wie | |
etwa die landeseigenen Unternehmen und Anstalten des öffentlichen Rechts. | |
Mit wem die Flughafengesellschaft Verträge schließt und wie viel Geld die | |
Gewobag in den Wohnungsbau investiert, könnte in Zukunft also mit wenigen | |
Klicks in Erfahrung gebracht werden. | |
## Ist der Volksentscheid jetzt überflüssig? | |
Ist der Volksentscheid nun also überflüssig? Ganz und gar nicht, meint | |
Mitinitiator Arne Semsrott. „Der Senat hat einen guten Weg eingeschlagen, | |
dann aber bei der Hälfte aufgehört.“ Vor allem kritisiert der | |
Open-Data-Aktivist die lange Liste von Ausnahmen, die in dem | |
Eckpunktepapier vorgesehen sind. So soll gerade der skandalträchtige | |
Verfassungsschutz von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen sein. Auch | |
gebe es einige schwammige Formulierungen, die es ermöglichen könnten, dass | |
einige sensible Daten am Ende doch nicht veröffentlicht werden, erklärt | |
Semsrott. Beispielsweise steht wörtlich in dem Papier, dass Informationen | |
nicht veröffentlicht werden müssen, wenn sie „dem Wohle des Bundes […] | |
schwerwiegende Nachteile bereiten“. | |
Weiter kritisiert Semsrott die großzügigen Fristen, die sich am | |
Vorgängergesetz, dem Informationsfreiheitsgesetz, orientieren sollen. Denn | |
die Informationen sollen nicht sofort veröffentlicht werden, sondern erst | |
nach mehreren Monaten und auch nur dann, wenn die Verwaltung Kapazitäten | |
dafür hat. Auch sollen einige Informationen weiterhin nur gegen Gebühr | |
veröffentlicht werden. „Das führt dazu, dass nur Leute, die es sich leisten | |
können, Zugriff auf bestimmte Informationen haben“, und widerspreche dem | |
Grundgedanken des Transparenzgesetzes, so Semsrott. | |
Der von der Initiative, hinter der vor allem die Open Knowledge Foundation | |
und der Verein Mehr Demokratie stehen, entwickelte 64-seitige Gesetzentwurf | |
geht an vielen Stellen deutlich weiter. Ginge es nach den Aktivist*innen, | |
dann müssten auch Umweltdaten wie Feinstaubwerte und Wasserbelastung, in | |
der Verwaltung verwendete Programmquellcodes und Algorithmen veröffentlicht | |
werden. Sogar ein Lobbyregister soll es geben, in dem festgehalten wird, | |
mit wem sich Abgeordnete und Minister*innen treffen. Und nicht zuletzt | |
müsste auch der Verfassungsschutz mit offenen Karten spielen. „Wir wollen | |
das Verhältnis von Staat und Bürger umkehren“, erklärte Semsrott die | |
Grundidee des Volksentscheids bereits im Juni gegenüber der taz. | |
Mit Digitalisierung und Transparenz sollen Entscheidungen in Verwaltung und | |
Politik für alle nachvollziehbar gemacht werden. Das beuge nicht nur der | |
Korruption vor, sondern mache auch die Verwaltung selbst effizienter, wirbt | |
die Initiative auf ihrer Website. | |
## Hamburg zeigt, wie es geht | |
Die Ideen der Initiative mögen teilweise radikal klingen, aber ein Blick | |
nach [2][Hamburg beweist], dass ein Transparenzgesetz kein Ding der | |
Unmöglichkeit ist. Dort erließ der Senat schon 2012 ein ähnliches Gesetz, | |
ebenfalls dem Druck einer Bürgerinitiative zuvorkommend. Ausgangspunkt war | |
die Kostenexplosion beim Bau der Elbphilharmonie; die Initiative forderte | |
die Offenlegung der Verträge. Das Argument, dass sich ein solches Debakel | |
nicht wiederholen dürfe, überzeugte viele Hamburger*innen. | |
Seit 2014 gibt es ein bundesweit einzigartiges Transparenzportal in | |
Hamburg, das mit sechs- bis siebenstelligen Aufrufen pro Monat auch rege | |
genutzt wird. Trotz einiger Mängel sind die Reaktionen von allen Seiten | |
überwiegend positiv. Der Hamburger Senat plant derzeit eine Erweiterung des | |
Gesetzes. | |
Dass man in Berlin daher etwas Ähnliches haben wollte, hielt Rot-Rot-Grün | |
damals schon im Koalitionsvertrag fest. Man wolle das bisher gültige | |
Informationsfreiheitsgesetz „in Richtung eines Transparenzgesetzes“ | |
weiterentwickeln, heißt es dort wortwörtlich. Lange passierte in der | |
Koalition diesbezüglich aber nichts. | |
Dass sich der Senat jetzt mit dem Gesetz befasst, dürfte ein Stück weit auf | |
den Druck der Initiative zurückzuführen sein. „Ich bin froh, dass das Thema | |
jetzt Priorität hat“, sagt Stefan Ziller, Sprecher für Digitales der | |
Grünen-Fraktion. Auch er sieht Defizite, diese könnten aber behoben werden, | |
sobald der Gesetzentwurf im Frühjahr im Parlament diskutiert werde: „Das | |
Eckpunktepapier ist nicht weitgehend genug, aber eine gute Grundlage“, so | |
Ziller. | |
Auch Tobias Schulze, Sprecher für Netzpolitik und Digitale Verwaltung der | |
Linksfraktion, ist der Ansicht, über die Punkte Gebühren, Verfassungsschutz | |
und Fristen müssen man noch diskutieren. Probleme sieht er auch in der | |
Umsetzung, weil die Voraussetzungen für die Berliner Verwaltungen viel | |
schwieriger seien als in Hamburg. Bevor ein Transparenzportal eingerichtet | |
werden könne, gebe es viel Reformbedarf: „Es gibt nicht einmal ein System | |
der gemeinsamen Aktenführung“, geschweige denn eine elektronische | |
Aktenführung, so Schulze. Das Transparenzgesetz sei deshalb unweigerlich | |
mit hohen Kosten oder Mehrarbeit für die Verwaltungen verbunden. „Es wird | |
kein beliebtes Gesetz werden, aber ein notwendiges“, prognostiziert | |
Schulze. | |
In welcher Form das Transparenzgesetz kommen wird, bleibt also noch offen. | |
Aktivist Semsrott erklärte jedoch, dass man weiter Unterschriften sammeln | |
wolle. Mit dem Volksentscheid will die Initiative sicherstellen, dass am | |
Ende kein verwässertes Gesetz herauskommt. „Es wäre doch peinlich für die | |
Koalition, wenn wir mit einem Volksentscheid das Gesetz entgegen dem Willen | |
des Senats durchdrücken können“, so Semsrott. | |
28 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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