# taz.de -- Berliner Grünen-Chef zu Enteignungen: „Die Politik muss sich meh… | |
> Die Grünen sind jetzt auch für Enteignungen von Wohnungsunternehmen – | |
> aber nur nach bestimmten Kriterien, sagt Landeschef Werner Graf. | |
Bild: Bezieht Position in der Enteignungsdebatte: Werner Graf, Landeschef der B… | |
taz: Herr Graf, in einem Antrag für die Landesdelegiertenkonferenz der | |
Berliner Grünen am Mittwoch heißt es sinngemäß zur laufenden | |
Enteignungsdebatte: Vergesellschaftung als letztes Mittel – ungern, aber | |
wenn nötig, dann ja. Damit hat sich die Parteispitze der Grünen doch jetzt | |
festgelegt, oder? | |
Werner Graf: Da steht nicht nur die Parteispitze dahinter, sondern ein | |
breites Bündnis – unter anderem auch Verkehrssenatorin Regine Günther. Im | |
Übrigen kommt unsere Unterstützung für die Ziele des [1][Volksbegehrens | |
„Deutsche Wohnen und Co. enteignen“] ja nicht aus heiterem Himmel. Wir | |
haben schon vorher gesagt, dass wir uns das prinzipiell als letztes Mittel | |
vorstellen können. Aber wir wollten nicht einfach diese Forderung | |
übernehmen, ohne eigene differenzierte Kriterien zu entwickeln. | |
Das Volksbegehren will pauschal alle Immobilienunternehmen, die in Berlin | |
mehr als 3.000 Wohnungen besitzen, rekommunalisieren. Wie sehen die | |
Kriterien der Grünen konkret aus? | |
Unser Ziel muss schon sein, dass wir Unternehmen, die sich korrekt | |
verhalten, nicht bestrafen. Aber der [2][Mietspiegel] muss eingehalten | |
werden, mit [3][Leerstand darf nicht spekuliert] werden, VermieterInnen | |
müssen gewillt sein, in ein Mietenmoratorium mit einzusteigen. Da wird man | |
gucken müssen: Was kann man gesetzlich festlegen? Was kann man durch | |
Abwendungsvereinbarungen klären? Beim Vorkaufsrecht funktioniert das ja | |
ganz gut. Wir betreten mit der Anwendung von Artikel 15 des Grundgesetzes … | |
… das die Vergesellschaftung von Grund und Boden erlaubt … | |
… wir betreten da für den Wohnungsmarkt Neuland: Was Enteignungen beim | |
Autobahnbau oder beim Bau von Kohlekraftwerken betrifft, gibt es | |
Erfahrungen. Deshalb sind qualitative Kriterien und der Dialog mit allen | |
Akteuren wichtig und nicht eine womöglich rechtlich unsichere Obergrenze, | |
wie sie das Volksbegehren fordert. | |
Was, glauben Sie, ist denn tatsächlich möglich im Dialog? Um das | |
Vorkaufsrecht zu umgehen, nutzen viele Immobilienunternehmen sogenannte | |
Share Deals, bei denen nicht die Häuser an sich, sondern Anteile an den | |
besitzenden Gesellschaften verkauft werden – als scheunentorbreites | |
Schlupfloch. | |
Da ist wieder mehr möglich, wenn die Politik sich mehr traut. Wenn wir | |
jetzt mit der Wohnungswirtschaft verhandeln, dann lachen sich die privaten | |
Investoren doch ins Fäustchen. Und wenn die Unternehmen [4][über Share | |
Deals kommunales Vorkaufsrecht umgehen], dann kann ein Gesetz über | |
Vergesellschaftung natürlich richtig sein. | |
Als Ultima Ratio – die man eigentlich nicht will, aber mit der man gut | |
drohen kann? | |
Natürlich sind [5][private Investoren] und Fonds dafür da, ihren Einlegern | |
Rendite zu erwirtschaften. Profitorientiert zu sein ist ihre Aufgabe. Aber | |
wir haben als Politiker eben auch eine Verantwortung, dem etwas | |
entgegenzusetzen: Die neoliberalen Ideen der Vergangenheit haben uns große | |
Probleme beschert. | |
Sie meinen den Verkauf vieler städtischer Wohnungen in den nuller Jahren, | |
auch in Berlin. | |
Wir sehen nicht, dass das Instrument das Entscheidende ist, sondern das | |
Ziel eines gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkts. Und wenn die Unternehmen | |
merken, wir meinen es ernst, dann ist wieder eine andere Debatte möglich. | |
Grundsätzlich denke ich aber auch, dass man sich dem Dialog nicht entziehen | |
sollte. Das gehört sich in einer demokratisch verfassten Gesellschaft so. | |
Sie wollen auch auf kleinere Unternehmen schauen. Warum, glauben Sie, ist | |
das nötig? | |
Es gibt größere Unternehmen wie die evangelische Hilfswerk-Siedlung, da | |
wüsste ich nicht, warum man denen an den Kragen soll. Gleichzeitig will ich | |
nicht, dass ein Vermieter mit drei Wohnungen davonkommt, wenn er seine | |
MieterInnen rausmodernisiert. Wir brauchen differenzierte Kriterien. | |
Morgen stellt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) den neuen | |
Mietspiegel vor. Offenbar hat sich das Wachstum der Mieten verlangsamt, sie | |
steigen mit jährlich 2,5 Prozent nur noch halb so schnell wie vor zwei | |
Jahren. Grund zum Aufatmen? | |
Nee, dafür hat sich der Wohnungsmarkt insgesamt zu sehr zugespitzt. Jeder | |
vierte Umzug in Berlin hat Verdrängung als Grund. | |
12 May 2019 | |
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[4] /Mietenwahnsinn-in-Berlin/!5581628 | |
[5] /Deutsche-Wohnen-Chef-im-Interview/!5583589 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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