# taz.de -- Vonovia-Aktionärsversammlung: Teure Mieten, hohe Dividende | |
> Deutschlands größter Privat-Vermieter will 750 Millionen Euro | |
> ausschütten. Woher das Geld dafür kommen soll, ist klar – und umstritten. | |
Bild: Haie und Enteignungen: Damit wollen Immobilienkonzerne nicht in Verbindun… | |
BOCHUM taz | Bei der Hauptversammlung des Wohnungsriesen Vonovia in Bochum | |
wird Vorstandschef Rolf Buch am Donnerstag Zahlen vorlegen, die seine | |
Aktionär*innen erfreuen dürften: Allein in 2018 ist der Gewinn [1][des | |
größten deutschen Privatvermieters] um satte 17 Prozent auf mehr als 909 | |
Millionen Euro gestiegen – und knapp 750 Millionen davon will Buch als | |
Dividende an die Anteilseigner*innen ausschütten lassen. | |
Auch für den Vorstandsvorsitzenden selbst lohnt sich das Geschäft: Nach | |
eigenen Angaben erhielt Buch allein im vergangenen Jahr fixe und | |
erfolgsabhängige Zahlungen in Höhe von knapp fünf Millionen Euro von | |
Vonovia. Ein einziges Monatsgehalt des 54-jährigen Managers betrug damit | |
mehr als schwer vorstellbare 400.000 Euro. | |
Zahlen sollen das die Mieter*innen der mehr als 486.000 Wohnungen, die der | |
Immobilienkonzern in Deutschland selbst besitzt oder für Dritte verwaltet. | |
Doch deren finanzielle Schmerzgrenze ist oft längst erreicht – schließlich | |
gehen nach Berechnungen kritischer Immobilienaktionär*innen 36 Prozent | |
ihrer Überweisungen in die Dividende. „Wäre Vonovia nicht profitorientiert, | |
könnten die Mieten also ein Drittel niedriger sein“, rechnet der kritische | |
Aktionär Karlheinz Paskuda, Vorstand des Mietervereins Mannheim, vor. | |
Bei einer Mieter*innenversammlung hagelte es am Mittwochabend im Bochumer | |
soziokulturellen Zentrum Bahnhof Langendreer deshalb Kritik an dem | |
Immobilienriesen, der im Aktienindex Dax notiert ist und damit zu | |
Deutschlands 30 größten Unternehmen zählt. Mit miserabel geplanten, oft | |
wenig effektiven Modernisierungen drücke Vonovia die Mieten immer weiter | |
nach oben – und habe die Betriebskosten entgegen gesetzlicher Vorgaben als | |
Gewinnmaschine entdeckt, klagten Mieter*innen und Rechtsanwält*innen. | |
## Das Spiel mit den Modernisierungen | |
„Wir wurden modernisiert“, sagte etwa Pia Runge aus Witten. In der | |
ehemaligen Thyssen-Werkssiedlung, in der die 36-Jährige lebt, hat Vonovia | |
die seit den frühen sechziger Jahren nicht mehr gestrichene Fassade | |
erneuert, eine neue Heizung und neue Fenster eingebaut. Dafür stieg die | |
Kaltmiete der innen nicht modernisierten Wohnungen von 5,30 auf 7,40 Euro | |
pro Quadratmeter. | |
In Witten, an der Peripherie des noch immer vom Niedergang von Kohle und | |
Stahl gebeutelten Ruhrgebiets, ist das viel: Die ortsübliche | |
Vergleichsmiete liegt bei 5,49 Euro und damit 35 Prozent unter den | |
Vonovia-Preisen. Mehr als 700 Euro warm zahlt Runge, die mit Mann und Sohn | |
auf 68 Quadratmetern wohnt, jetzt. Die Miete frisst mehr als ein Drittel | |
des Haushalteinkommens – Sozialwissenschaftler und Ökonomen halten 30 | |
Prozent für gerade noch vertretbar. | |
Deutschlandweit klagen Mieter*innen, Vonovia rechne nötige | |
Instandhaltungsarbeiten als Modernisierung ab – und sei damit nicht an die | |
Kappungsgrenzen der örtlichen Mietspiegel gebunden. Stattdessen können | |
jährlich zwischen acht und elf Prozent der Kosten umgelegt werden – egal in | |
welcher Höhe. In Zeiten niedriger Zinsen ist das ein kaum schlagbares | |
Geschäftsmodell: Der Wert der Wohnungsbestände wächst, die Mieter*innen | |
zahlen | |
## In Frankfurt überschreiten viele den kritischen Mietwert | |
„Die Häuser, in denen wir wohnen, waren marode: Die Fenster undicht, in den | |
Wohnungen Schimmel“, klagte in Bochum auch Günter Wolff, Mieteraktivist aus | |
Hamburg-Steilshoop. Trotzdem seien die dringend nötigen Reparaturen nicht | |
als Instandhaltung, sondern als Modernisierung abgerechnet worden. In Folge | |
seien die Mieten der 2.050 Wohnungen, die Vonovia allein in Steilshoop von | |
der ehemals gemeinnützigen Gagfah übernommen hat, um bis zu 65 Prozent | |
gestiegen. „Das ist unzumutbar“, sagt Wolff. | |
Wie der Immobilienriese damit ganze Straßenzüge gentrifiziert und so | |
finanzschwache durch zahlungskräftige Mieter*innen ersetzt, erklärte | |
Susanne Heeg, Humangeographin der Goethe-Universität Frankfurt: Dort | |
verlangt Vonovia in den ehemaligen Eisenbahnerwohnungen in der Knorrstraße, | |
direkt an der Grenze zum hochpreisigen Europaviertel, schon heute Preise | |
von 9,61 kalt und mehr als 12 Euro warm. Nach der angekündigten | |
Modernisierung sollen es durchschnittlich noch einmal 122 Euro mehr pro | |
Wohnung sein, rechnete Heeg vor. | |
Die Folge: Den kritischen Anteil von 30 Prozent ihres Einkommens und mehr | |
zahlen in der Knorrstraße schon heute 38 Prozent der Haushalte – nach der | |
Modernisierung werden etwa 60 Prozent sein. „Ein hoher Anteil der | |
Mieter/innen wird die steigenden Wohnkosten nicht aus ihrem | |
Haushaltseinkommen tragen können“, heißt es deshalb in einem | |
Forschungsbericht der Goethe-Uni. Neu von Vonovia gebaut würden in dem | |
Viertel dagegen Luxus-Unterkünfte „mit 150 Quadratmetern, Kamin, zwei | |
Bädern, 50 Quadratmetern Terrasse“, erklärte Heeg. Kostenpunkt: 2.200 Euro | |
kalt. | |
## Mieter*innen-Protest bei der Aktionär*innenversammlung | |
Heftig kritisiert wurde bei der Mieter*innenversammlung auch der Umgang des | |
Konzerns mit den Nebenkosten. Seit Jahren setzt Vonovia auf das | |
„Insourcing“ sämtlicher Handwerksleistungen über vier Tochterunternehmen … | |
und berechnet dabei offenbar massiv überhöhte Preise. So könne ein | |
einfacher Hausmeisterposten mit einem Jahresgehalt von 82.000 Euro | |
abgerechnet werden, hieß es auf Plakaten, die Mieter*innen den | |
Aktionär*innen bei der Hauptversammlung am Donnerstag entgegenhalten | |
wollten. | |
[2][Schon im vergangenen November hatte der Spiegel berichtet], wie Vonovia | |
bei den Betriebskosten abkassiert: Demnach wurde der Winterdienst in | |
Wohnanlagen in Dresden und Hamburg um unglaubliche 1.900 Prozent teurer. In | |
Magdeburg stiegen die Müllgebühren um 160 Prozent. Für Wasser sollten die | |
Vonovia-Mieter*innen fast 60, für Beleuchtung 223 Prozent mehr bezahlen. | |
[3][Wie in Berlin im Fall des Konkurrenten „Deutsche Wohnen“] wurden | |
deshalb auch in Bochum Forderungen laut, Vonovia zu enteignen. Konzernchef | |
Buch ist deshalb alarmiert: Reiner „Populismus“ seien die Forderungen von | |
Juso-Chef Kevin Kühnert, nach denen jedeR nur die Wohnung besitzen solle, | |
in der selbst gewohnt wird, warnte der Vorstandsvorsitzende erst am Montag | |
im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung – und forderte, jede dritte | |
neu gebaute Einheit solle eine staatlich geförderte Sozialwohnung sein. | |
Mietervertreter*innen reicht das nicht. „Wohnungen gehören nicht an die | |
Börse“, sagt etwa Knut Unger, Vorsitzender des Mietervereins Witten. „Die | |
Vermögens-Umverteilung von unten nach oben, für die Vonovia steht, ist | |
einfach nicht sozialverträglich“, sagt er. „Heute werden die Mieter jeden | |
Tag enteignet.“ | |
16 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Wohnungen-in-Bremen/!5584651 | |
[2] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/vonovia-wie-der-wohnungskonze… | |
[3] /Deutsche-Wohnen-enteignen-in-Berlin/!5586364 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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Kevin Kühnert | |
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