# taz.de -- Kandidatinnen für Grindel-Nachfolge: Die DFB-Zukunft kann weiblich… | |
> Im Gespräch um die neue DFB-Präsidentschaft fallen vor allem männliche | |
> Namen. Dabei gibt es viele qualifizierte Frauen für den Posten. | |
Bild: Zeit für eine weibliche Spitze: Nach der ersten Schiedsrichterin für M�… | |
Nach dem Rücktritt von DFB-Präsident Reinhard Grindel vergangene Woche | |
diskutiert die deutsche Fußballnation über eine mögliche Nachfolge. In den | |
Medien und Sozialen Netzwerken wird wildes Namedropping betrieben. Auch | |
Kandidatinnen sind im Gespräch, jedoch eher am Rande. Spiegel Online hält | |
in einer Bildergalerie immerhin eine Frauenquote von 15 Prozent ein, betont | |
bei den vorgestellten Frauen jedoch deren sehr geringe Chancen. Die | |
Tagesschau meint, dass es nun einen „Fußballfachmann“ mit „einer harten | |
Hand“ brauche. Dabei gibt es Fachfrauen aus Sport, Politik und Wirtschaft, | |
die für den Posten mindestens genauso geeignet sind wie Philipp Lahm, | |
Christoph Metzelder oder Oliver Bierhoff. | |
## Katja Kraus: erfahrene Fußball-Funktionärin und Managerin | |
Die ehemalige Bundesliga- und Nationalspielerin saß acht Jahre lang im | |
Vorstand des Hamburger SV. Bis heute ist sie die einzige Frau, die es je in | |
den Vorstand eines Bundesligavereins geschafft hat. Sie hat also | |
ausreichend Erfahrung mit einem männlich dominierten Arbeitsumfeld. Kraus | |
ist derzeit geschäftsführende Gesellschafterin der Marketingagentur Jung | |
von Matt und sitzt im Aufsichtsrat von Adidas. [1][Gegenüber der taz] | |
sprach sie sich für eine Frauenquote im Fußball aus und kritisierte, dass | |
Funktionärsposten in der Regel von männlichen Ex-Profis bekleidet werden. | |
Sie könnte als erste DFB-Präsidentin dafür sorgen, dass sich das ändert. | |
## Tanja Walter-Ahrens: gegen Homophobie und Sexismus im Fußball | |
Die Sportwissenschaftlerin hat bei den Bundesligavereinen Tennis Borussia | |
Berlin und Turbine Potsdam gespielt. Seit Jahren setzt sich die 48-Jährige | |
[2][gegen Homophobie und Sexismus im Fußball ein], wofür sie bereits | |
mehrfach ausgezeichnet wurde. Der Job als Präsidentin könnte ihrem | |
Engagement noch stärkeres Gewicht verleihen. Walther-Ahrens saß in der | |
DFB-Kommission für Nachhaltigkeit, die mit dem Wechsel von Theo Zwanziger | |
zu Wolfgang Niersbach jedoch aufgelöst wurde. | |
Diese Kommission könnte sie an der DFB-Spitze wieder aufleben lassen. Auf | |
Nachfrage der taz, ob sich Walther-Ahrens eine Kandidatur vorstellen könne, | |
entgegnet sie: „Das finde ich eine sehr interessante Idee, eine | |
DFB-Präsidentin! Immerhin sind wir in der Politik auch schon bei einer | |
Kanzlerin angekommen. Der DFB könnte auf alle Fälle nur gewinnen mit einer | |
Frau an seiner Spitze. Ich selbst würde dieses Amt nicht übernehmen wollen, | |
da mein Lebensmittelpunkt in Berlin ist und ich gerne Zeit mit meiner | |
Familie und Freund*innen genieße.“ | |
## Silvia Neid: die offensichtlichste Kandidatin | |
Der erste weibliche Name, der im Zusammenhang mit einer möglichen | |
Nachfolgerin Grindels fiel, war wohl der von Silvia Neid. Das liegt | |
natürlich daran, dass Neid sowohl auf dem Feld als auch am Spielfeldrand | |
äußerst erfolgreich war: Rekordnationalspielerin, dreifache Weltmeisterin | |
und Olympiasiegerin, dreifache Welt-Trainerin. Den DFB kennt sie also schon | |
wie ihre Blazertasche. Heute leitet Neid die Scoutingabteilung für Frauen- | |
und Mädchenfußball. Als Präsidentin wäre sie die ideale Stimme für die | |
immerhin knapp 6.000 Frauenteams unter dem Dach des DFB. | |
## Heike Ullrich: weiß, wie der DFB-Hase läuft | |
Als Direktorin ist Ullrich beim DFB für Vereine, Verbände und Ligen | |
zuständig. Das Fußballspielen hat sie selbst schon in Jugendjahren | |
aufgegeben, den Sport dafür 1996 zum Beruf gemacht, als sie zum Fußballbund | |
kam. Nun ist sie dort auf operativer Ebene die mächtigste Frau. Sie ist für | |
den gesamten Spielbetrieb verantwortlich. Nach 23 Jahren beim DFB hätte sie | |
die nötige Binnenerfahrung, um Präsidentin zu sein. | |
## Jennifer Kettemann: führende Frau im Männersport | |
Von der zweitpopulärsten könnte Kettemann zur beliebtesten deutschen | |
Sportart „aufsteigen“: Die studierte Betriebswirtschaftlerin ist seit 2016 | |
Geschäftsführerin des Handball-Bundesligisten Rhein-Neckar-Löwen und damit | |
die einzige weibliche Führungskraft in dieser Disziplin. Ihr Spitzname | |
„Königin der Löwen“ zeigt, dass sie von den Fans in ihrer Position | |
geschätzt wird und sich in ihrem männlichen Umfeld durchgesetzt hat. | |
Kettemann bedankt sich auf Anfrage der taz für den Vorschlag, ihre | |
Fähigkeiten als führende Sportmanagerin auch beim DFB unter Beweis zu | |
stellen. Der Posten sei jedoch „aktuell keine Option“ für sie. | |
## Sylvia Schenk: mit Transparenz gegen Korruption | |
Die ehemalige Leichtathletin, SPD-Politikerin und Richterin hat bereits | |
Erfahrungen in der Führung eines deutschen Sportbundes gesammelt. Sie war | |
drei Jahre lang Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer. Seit 2006 | |
leitet sie die Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International, einem | |
Verein, der sich bundesweit gegen Korruption einsetzt. [3][Im Interview mit | |
der taz] sagte sie, dass sie sich gern ihre „ganz andere Fifa backen“ | |
würde, wenn sie denn könnte. Sie könnte schon mal mit dem DFB anfangen, | |
Arbeit genug gäbe es. Schenk traue sich den Job Medienberichten zufolge | |
zwar zu, eine Kandidatur lehne sie jedoch ab. | |
## Birgit Bohle: Top-Managerin in männlicher Führungsetage | |
Als Vorstandsvorsitzende für den Fernverkehr lernte Bohle bei der Deutschen | |
Bahn mit dem schlechten Ruf eines Konzerns umzugehen. Auch darin, sich als | |
Nachfolgerin einer männlichen Führung zu beweisen, ist sie bereits geübt. | |
Das tut sie momentan bei der Deutschen Telekom, wo sie Anfang des Jahres | |
Christian Illek als Personalvorstand ablöste. Beste Voraussetzungen also, | |
um in die bisher männlich dominierte Führung eines zunehmend in die Kritik | |
geratenen DFB einzusteigen. Doch in ihrer jetzigen Position findet Bohle | |
wohl keine Zeit für eine Kandidatur. So heißt es von Seiten der Deutschen | |
Telekom, Bohle konzentriere sich „voll und ganz auf ihre | |
verantwortungsvolle Aufgabe“. | |
## Dagmar Freitag: mit sportlichem und politischem Know-How | |
Ganze 16 Jahre lang war Freitag Vizepräsidentin des Deutschen | |
Leichtathletik-Verbandes. Seit 2009 ist die SPD-Politikerin Vorsitzende des | |
Sportausschusses im Deutschen Bundestag. Mit ihrer Laufbahn in Sport und | |
Politik würde sie das Amt der DFB-Präsidentin mit einem ähnlichen | |
Background wie Grindel antreten – nur ohne dass sie bereits, wie dieser, | |
vor der Nominierung in die Kritik geraten ist. Freitags Antwort auf die | |
Frage, ob sie sich eine Kandidatur vorstellen könnte, ist leider ebenfalls | |
ein klares Nein: „Der DFB hat erkannt, dass es zunächst eine Diskussion | |
über strukturelle Änderungen geben sollte, bevor die Personaldebatte | |
entfacht wird. Ich jedoch habe keinerlei Ambitionen auf das Amt der | |
DFB-Präsidentin.“ | |
## Claudia Roth: Fußballenthusiastin für mehr Anstand und Moral | |
Dass sich Claudia Roth für Fußball begeistert, ist kein Geheimnis. Sie hat | |
sich bereits beim DFB engagiert und gehört dem Kuratorium der | |
Kulturstiftung des Fußballbundes an. Ob sie sich persönlich eine Kandidatur | |
vorstellen kann, wollte sie im [4][taz-Interview] jedoch nicht so richtig | |
beantworten. Sie plädierte für einen „Einbruch in die alte weiße | |
Männerwelt“ sowie für mehr Anstand und Moral und verglich den DFB mit der | |
katholischen Kirche. Den Einbruch könnte sie vornehmen, dann für Zweiteres | |
sorgen und die Ähnlichkeiten mit der Glaubensgemeinschaft damit aus der | |
Welt schaffen. | |
Das weibliche Potential ist also groß. Nur an Willen und an Zeit scheint es | |
den Kandidatinnen zu fehlen. Vielleicht ist ein Posten an der Spitze des | |
DFB aktuell schlichtweg nicht das Traumziel von erfolgreichen Frauen. | |
9 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Managerinnen-in-Fussballvereinen/!5554387 | |
[2] /Homosexualitaet-im-Frauenfussball/!5050216 | |
[3] /Sylvia-Schenk-ueber-die-Fifa/!5517923 | |
[4] /Claudia-Roth-ueber-Grindel-Affaere/!5583464 | |
## AUTOREN | |
Hanna Lohoff | |
## TAGS | |
DFB-Präsident | |
Fußball | |
Frauenfußball | |
Deutscher Fußballbund (DFB) | |
Deutscher Fußballbund (DFB) | |
Sexismus | |
Reinhard Grindel | |
Kolumne Frühsport | |
Fußball | |
DFB-Präsident | |
Fifa-Präsident | |
Frauen-WM 2019 | |
Fußball | |
DFB-Präsident | |
Turbine Potsdam | |
Frauen-Fußball-WM 2023 | |
Schwerpunkt Brexit | |
DFB-Präsident | |
Reinhard Grindel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
DFB reagiert auf Frauen-Initiative: Sie lässt sich nicht einschüchtern | |
Der Deutsche Fußball-Bund will über die Forderungen der Fraueninitiative in | |
den Dialog treten. Vertrauenswürdig ist das Angebot eher nicht. | |
Frauen fordern Quote in Fußballgremien: Ein Drittel des Platzes! | |
Neun prominente Frauen aus dem Fußball fordern eine 30-Prozent-Quote beim | |
DFB und in den Klubs. Die ersten Reaktionen fallen ernüchternd aus. | |
Wahl des DFB-Präsidenten: Wo die Chefs herkommen | |
Dass es bei der Wahl des DFB-Präsidenten undemokratisch zugeht, ist | |
bekannt. Es herrscht eine rechte bis rechtsextreme Selbstverständlichkeit. | |
Kongress des Weltfußballverbands: Infantino als FIFA-Präsident bestätigt | |
Gianni Infantino bleibt der wichtigste Mann im Weltfußball. Per Applaus | |
wurde er von den Funktionären der FIFA-Mitgliedsländer im Präsidentenamt | |
bestätigt. | |
Werbung der Fußball-Frauen-Nationalelf: Keine Eier, aber Pferdeschwänze | |
Ein Werbespot der Commerzbank räumt mit Vorurteilen gegen Frauenfußball | |
auf. Warum macht das ein Sponsor und nicht der DFB selbst? | |
Fußballtrainerin über Macht: „Die Spieler respektieren mich“ | |
Patrizia Panico ist die erste Trainerin eines männlichen | |
Juniorenauswahlteams in Italien. Sie erklärt, warum Frauen für den | |
Männerbereich wichtig sind. | |
TuSA 06-Chefin über DFB-Bewerbung: „Das ist kein Witz“ | |
Ute Groth, Vorsitzende des Düsseldorfer Vereins TuSA 06, möchte | |
DFB-Präsidentin werden. Damit wäre sie die erste Frau auf dem Posten. | |
Letztes Heimspiel für Turbine Potsdam: In ihrem eigenen Tempo | |
Svenja Huth galt schon als ewiges Talent – dann wurde sie bei Turbine | |
Potsdam zum Star. Jetzt wechselt sie zum VfL Wolfsburg. Ein Abschied. | |
Rahmenterminkalender im Fußball: Kaffee, Kuchen und Frauenfußball | |
Bei der Terminplanung im Fußball haben die Männer Vorrang. Nicht einmal die | |
WM der Frauen im Sommer ist frei von männlicher Konkurrenz. | |
Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch? | |
Grindel als Uhrensohn: Zeit, den gemeinnützigen Breitensport mit 7 | |
Millionen Aktiven abzusprengen vom Geschäftsmodell Profifußball. | |
Kolumne Pressschlag: Abbau der Kruste | |
Der DFB hat in den vergangenen Jahren eine merkwürdige Personalpolitik | |
gepflegt. Jetzt ist Zeit für den Neubeginn – und eine Doppelspitze. | |
Claudia Roth über Grindel-Affäre: „Der DFB braucht radikale Reform“ | |
Claudia Roth ist eine Grüne mit Fußballherz. Ein Gespräch über den | |
Rücktritt von Reinhard Grindel und die Bedeutung des DFB für eine | |
Gesellschaft im Wandel. |