# taz.de -- Letztes Heimspiel für Turbine Potsdam: In ihrem eigenen Tempo | |
> Svenja Huth galt schon als ewiges Talent – dann wurde sie bei Turbine | |
> Potsdam zum Star. Jetzt wechselt sie zum VfL Wolfsburg. Ein Abschied. | |
Bild: „Ich habe von Anfang an das Vertrauen gespürt“, sagt Svenja Huth üb… | |
„Die Entscheidung, zu gehen, ist mir nicht leicht gefallen“, sagt Svenja | |
Huth irgendwann im Gespräch, und man glaubt ihr das. Ein warmer Vormittag | |
in Potsdam, zur sportlichen Uhrzeit von acht Uhr morgens hatte Huth heute | |
das erste Training. Jetzt sitzt sie auf einer Parkbank, es ist so ruhig und | |
provinziell hier wie üblicherweise in Potsdam, es scheint sie nicht zu | |
stören. Svenja Huth wirkt trotz ihrer 1,63 Meter im echten Leben größer als | |
auf dem Spielfeld. Sie spricht mit einer Autorität, die der Spitzenfußball | |
vielleicht mit sich bringt, die sie sich aber auch erarbeitet hat. | |
Am Sonntag wird die Stürmerin und Kapitänin ihr letztes Heimspiel für | |
[1][Potsdam] bestreiten. Sie wechselt zu den alten und neuen Meisterinnen | |
vom VfL Wolfsburg – und der Verlust für Turbine ist groß: Huth war in | |
Potsdam beinahe alles, verlässliche Torschützin, Vorlagengeberin, schnell | |
und wendig, kämpferisch, dribbelstark, Lebensader des Offensivspiels. Zum | |
Schluss war die Kapitänin schlicht zu herausragend. | |
„Natürlich habe ich auch die17:06 Erinnerung aus Frankfurt, wie schön es | |
ist, um Titel mitzuspielen oder zu gewinnen“, sagt Svenja Huth, jetzt im | |
Interview-Modus, ein bisschen routiniert, ein bisschen persönlich. Die | |
sportliche Weiterentwicklung sei ihr wichtig gewesen. Sie hätte auch ins | |
Ausland gehen können, habe aber nicht das Verlangen gehabt. „Vielleicht bin | |
ich da, zumindest Stand jetzt, auch nicht so der Typ für.“ Huth strahlt | |
Bodenständigkeit aus, ist eine, die eher bleibt als geht, die nicht in der | |
Ferne schweift um der Ferne willen. Ihre Karriere verläuft ungewöhnlich | |
heimatnah für die auch im Frauenfußball beginnende globale Zeit. | |
Im Sommer 2014 kam die damals 24-Jährige zu Turbine, als Spielerin, bei der | |
nicht klar war, ob sie den großen Durchbruch noch schafft. Beim FFC | |
Frankfurt hatte sie sich jahrelang nicht durchsetzen können, und 24 Jahre | |
ist ein Alter, in dem es die meisten entweder geschafft haben oder eben | |
nicht. Huth brauchte ihre Zeit. | |
## Der große Schub | |
In Potsdam kam plötzlich der große Schub. „Ich habe von Anfang an das | |
Vertrauen gespürt“, erklärt sie heute. Sie traf, sie wurde Kapitänin, | |
Stammspielerin im Nationalteam, seit diesem Jahr ist sie dort auch | |
Vize-Kapitänin. „Ich bin Ansprechpartnerin für die jungen Spielerinnen, | |
aber auch für das Trainerteam, ohne mich in den Vordergrund zu drängen“, so | |
beschreibt sie sich selbst. „Die Spielerinnen wissen, dass ich für sie da | |
bin, auch wenn es vielleicht mal nicht so läuft.“ In Wolfsburg, außerhalb | |
des sicheren Potsdamer Nestes und mit hohem Konkurrenzdruck, wird der | |
Rhythmus anders. Aber es besteht kein Grund, um Huth zu fürchten. | |
Die Spielzeit könnte für ihr Team auf Platz 3 enden, vielleicht auch eher | |
Platz 4, denn im Gegensatz zu den Konkurrentinnen aus Essen müssen sie noch | |
in Wolfsburg spielen. Dritte oder Vierte ist das beste Ergebnis, auf das | |
der Klub realistisch hoffen konnte. Auf die Dauer aber ist das natürlich | |
nicht ausreichend, um eine wie Huth zu halten. Die letzten Spiele gegen die | |
Topteams Wolfsburg und Bayern gingen 0:4 und 0:5 verloren, so groß ist | |
mittlerweile die Lücke. | |
Das Problem der Liga ist schwer zu übersehen. „Es ist schade, dass | |
teilweise den Männerklubs der Frauenfußball nicht so wichtig ist“, sagt | |
Huth. „Strukturen gibt es, aber warum kommt finanziell nicht mehr?“ Die | |
gebürtige Fränkin ist mutiger geworden mit öffentlichen Aussagen, fügt sich | |
aber weiterhin in der braven Tradition des deutschen Frauenfußballs, nur | |
nicht zu laut aufzutreten. Ein Streik für Equal Pay wie bei den US-Frauen | |
wäre hier nicht vorstellbar. „Wir sind mit dem DFB im Austausch“, sagt Huth | |
zum Geld-Thema nur. „Der Verband kennt unseren Standpunkt.“ | |
Nationalteam, Bundesliga: Glaubt man Huth, war das schon sehr lange der | |
Plan. Sie stammt aus einer Fußballerfamilie. Irgendwann musste sie sich | |
entscheiden zwischen einer Karriere im Fußball oder im Tennis, aber sie | |
wusste, die Entscheidung würde für Fußball fallen. „Ich mag das Teamgefüh… | |
Eine Mannschaft zu sein, sich gegenseitig zu helfen, an Niederlagen zu | |
wachsen und gemeinsam Siege und Erfolge zu feiern.“ | |
## Totaler Familienmensch | |
Am Wochenende nicht auf Partys zu gehen, sondern früh ins Bett, all diese | |
Grundsatzentscheidungen traf sie selbstverständlich. „Ich habe bei allem | |
anderen zurückgesteckt. Und ich kann mich sehr glücklich schätzen, dass | |
meine Eltern mich gerade in jungen Jahren überall hingefahren haben. Wer | |
das nicht hat, kann manche Wege vielleicht nicht machen.“ Die Eltern, die | |
Familie sind das Motiv, das immer wieder auftaucht. „Ich bin ein totaler | |
Familienmensch“, sagt Svenja Huth. Beinahe zu gut ins Bild passt das Tattoo | |
auf ihrem Arm, „Meine Familie im Herzen“ auf Spanisch. Nein, Spanisch könne | |
sie nicht, aber sie mag die Sprache. Und auch, dass nicht direkt jeder | |
lesen kann, was da steht. | |
Es war vielleicht die Nähe zur Heimat, die sie bis 2015 in Frankfurt | |
ausharren ließ, ein paar Jahre zu lang. „In Potsdam konnte ich nicht mehr | |
einfach nach Hause fahren, wenn mal ein Tag frei war, oder wenn es mir | |
vielleicht mal nicht so gut gegangen ist. Das war anfangs schon eine | |
Umstellung, aber zum Glück habe ich mich von Anfang an direkt wohl gefühlt | |
und es ist gut gelaufen.“ Jetzt also Wolfsburg, davor im Juni noch | |
Weltmeisterschaft in Frankreich. Doch noch hat sie die große Laufbahn | |
erreicht, in ihrem eigenen Tempo. | |
Auf die Frage nach ihren Idolen nennt Huth interessanterweise als erstes | |
Birgit Prinz, dann Kerstin Garefrekes. Im Gegensatz zu vielen Spielerinnen, | |
die in der Kindheit Männerstars als Vorbilder hatten, ist sie mit dem Blick | |
auf Frauenfußball aufgewachsen. Huth spielte schon in der Jugend beim FFC | |
Frankfurt, eine Generation, die selbstverständlich groß wurde mit | |
weiblichen Stars. „Das war greifbarer“, erklärt sie, „weil ich wusste, d… | |
ich das auch erreichen wollte, was sie geschafft haben.“ Sie ist dem sehr | |
nahe gekommen. | |
3 May 2019 | |
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[1] https://www.turbine-potsdam.de/ | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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