# taz.de -- Claudia Roth über Grindel-Affäre: „Der DFB braucht radikale Ref… | |
> Claudia Roth ist eine Grüne mit Fußballherz. Ein Gespräch über den | |
> Rücktritt von Reinhard Grindel und die Bedeutung des DFB für eine | |
> Gesellschaft im Wandel. | |
Bild: Eine jubelnde Claudia Roth bei Deutschlands WM-Qualifikation 2014 | |
taz: Frau Roth, nach dem [1][Rücktritt von DFB-Präsident Reinhard Grindel] | |
besteht die Chance, den Verband von der Spitze aus für Frauen mehr zu | |
öffnen. Haben Sie nicht Interesse an einer Kampfkandidatur? | |
Claudia Roth: Es kann jedenfalls nicht weitergehen wie bisher. Es braucht | |
eine radikale Strukturreform beim DFB. Der Verband verweigert sich der | |
Realität, wirkt völlig abgehoben. Klar, alle reden gern über Compliance, | |
aber Anstand und Moral konnte zuletzt niemand so recht vermitteln. | |
Sie drücken sich um eine Antwort auf meine Frage. | |
Überhaupt nicht, aber es geht nicht um Kampfkandidaturen. Natürlich braucht | |
es den Einbruch in die alte weiße Männerwelt. Der DFB [2][und die | |
katholische Kirche] sind da doch fast schon die letzten Bastionen. Warum | |
also nicht eine Doppelspitze beim DFB? Warum nicht auch eine Frau in der | |
Führung, die die Hälfte der Bevölkerung mitrepräsentiert und eine ganz | |
andere Perspektive einbringt? | |
Wen könnten Sie sich vorstellen? | |
Ich mache jetzt kein Namedropping. Die Reform des Fußballs scheitert seit | |
Jahren daran, dass immer nur über Personen gestritten wird. Da kracht mit | |
dem DFB gerade ein Haus zusammen, das große Bedeutung hat in einer | |
Gesellschaft, die sich immer mehr polarisiert. Da reicht es nicht, einfach | |
Personen auszutauschen. | |
Was sollte sich ändern? | |
Wir müssen den Fußballfans den Fußball zurückgeben. Wo war die Stimme des | |
DFB, als es darum ging, Uefa und Fifa zu demokratisieren, transparenter zu | |
gestalten und den Fußball wieder Sport sein zu lassen, nicht | |
Spekulationsobjekt? Das Leben der Amateure und das der Profis finden längst | |
auf zwei Planeten statt. Und die Dimensionen stimmen endgültig nicht mehr, | |
wenn die teuersten Spieler so viel kosten wie das Stadion, in dem sie | |
spielen. | |
Und worin sehen Sie die von Ihnen angesprochene politische Aufgabe? | |
Der Fußball hat eine enorme Bindekraft. Über 7 Millionen Mitglieder, | |
wöchentlich bis zu 80.000 Spiele – daraus ergibt sich Verantwortung. | |
Spieler aber, die rassistisch angegangen wurden, wurden zuletzt | |
alleingelassen. Dabei nehmen Rassismus und Antisemitismus in unserer | |
Gesellschaft, übrigens auch in der Fankurve, massiv zu. Und offenbar darfst | |
du im Fußball immer noch erst schwul sein, wenn du nicht mehr auf dem Platz | |
stehst – siehe Thomas Hitzlsperger. Der DFB schweigt da viel zu laut. | |
Warum sollte sich gerade jetzt daran etwas ändern? Die [3][Affäre um die WM | |
2006] haben das Selbstverständnis des sauberen deutschen Fußballs | |
vielleicht viel mehr erschüttert als die Causa Grindel. | |
Möglicherweise stimmt das auf der nationalen Ebene, aber wir müssen den | |
Blick weiten. International geht es mehr denn je um die Frage, ob der | |
Fußball, wie viele Fans ihn verstehen, überleben wird. Bei der Fifa-WM mit | |
bald 48 Mannschaften steht doch nicht das Spiel im Mittelpunkt – sondern es | |
sind die Fernsehrechte, Geld, Macht. | |
Sehen Sie Ansatzpunkte beim DFB für eine so radikale Kehrtwende? | |
Es sah schon mal besser aus. Trotzdem: Der Verband sollte die Chance nutzen | |
und endlich diskutieren, wie ein Neubeginn aussehen kann. Dabei muss der | |
DFB auch die Fans einbeziehen. Der Fußball darf sich nicht weiter von denen | |
entfernen, die ihn lieben. | |
Sie sind da optimistisch? | |
Ohne Optimismus geht es nicht, ohne Druck aber auch nicht. Ich hoffe | |
einfach, dass sich die Landesverbände, die Vereine, dass sich die | |
organisierte Fanszene nun klar äußern und dann auch gehört werden. Ich | |
hoffe, dass sich eine Idee des Fußballs von Menschen wie Andreas Rettig, | |
dem Geschäftsführer von St. Pauli, durchsetzt: mit klarer Sprache statt | |
Verschwurbelung, mit Herz und Verstand. | |
Als Herr Grindel Mesut Özil nach dem Scheitern bei der WM [4][an den | |
Pranger stellte], haben Sie sich im Unterschied zu Parteikollegen mit | |
Rücktrittsforderungen zurückgehalten. War das nicht eigentlich schlimmer | |
als die Annahme einer Uhr? | |
Die Uhr ist ja nicht Grund für den Rücktritt, sondern hat das Fass nur zum | |
Überlaufen gebracht. Und Rücktrittsforderungen können auch wohlfeil sein, | |
wenn sie letztlich davon ablenken, was sich eigentlich ändern muss. Und das | |
ist eine ganze Menge. | |
3 Apr 2019 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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