# taz.de -- Rücktritt von DFB-Präsident Grindel: Danke für nichts | |
> Korruption, Ausreden, Peinlichkeiten: Nach fast drei Jahren gibt Reinhard | |
> Grindel das Amt des DFB-Präsidenten endlich ab. | |
Bild: Die dunkle Gestalt des deutschen Fußballs geht: Reinhard Grindel | |
BERLIN taz | Ist Reinhard Grindel ein guter Mensch? Misst man ihn an den | |
Worten, die er einst selbst ausgesprochen hat, ist er es nicht. 2015 war | |
das. Da war der Mann, der nun seinen Rückzug aus dem Präsidentenamt des | |
Deutschen Fußballbundes verkündet hat, noch Mitglied des Deutschen | |
Bundestags. Es wurde über ein neues Korruptionsbekämpfungsgesetz | |
debattiert. CDU-Mann Reinhard Grindel sah keinen großen Sinn darin. Er | |
sagte im Plenum: „Am Ende kommt es deshalb nicht auf gute Vorschriften an, | |
sondern auf gute Menschen, die sich im Wirtschaftsverkehr im Zweifel am | |
Grundsatz ausrichten: Das tut man nicht.“ Nun wurde bekannt, dass er Geld | |
von seinem Verband kassiert hat, das ihm nicht zustand. Dass er sich von | |
dem ukrainischen Oligarchen Grigorij Surkis eine teure Uhr hat schenken | |
lassen. | |
Dabei hätte er wissen können, dass auch der Oligarch im grindelschen Sinne | |
alles andere als ein guter Mensch war. Er versuchte Mitte der 1990er Jahre | |
zusammen mit seinem Bruder Igor als Eigner des Traditionsklubs Dynamo Kiew | |
einen Schiedsrichter mit einem Pelzmantel zu bestechen. Der Klub wurde | |
gesperrt, Bruder Igor ebenso. Nur Grigorij schien unantastbar. Er saß lange | |
im Exekutiv-Komitee der Europäischen Fußballunion Uefa, der europäischen | |
Fußballregierung. Für Michel Platini, den ehemaligen Uefa-Boss, war Surkis | |
einer der wichtigsten Männer. Der wurde längst als korrupt vom Hof gejagt. | |
Platini der entscheidende Mann beim Verkauf der Fußball-WM an Katar. Womit | |
wir wieder bei Reinhard Grindel wären. | |
Die große Korruption im Weltfußball hat ihn im April 2016 ins Amt gespült. | |
Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel war verdächtigen Zahlungen im | |
Zusammenhang mit der Fußball-WM 2006 in Deutschland nachgegangen. Es ging | |
um einen Betrag von 6,7 Millionen Euro, der vom DFB gezahlt worden, aber in | |
den Büchern unkorrekt vermerkt worden war. Der Verdacht, der DFB habe sich | |
das WM-Turnier 2006, das als Sommermärchen in die deutschen | |
Fußballgeschichte eingegangen ist, gekauft, lag in der Luft. Wolfgang | |
Niersbach, Grindels Vorgänger im Amt, blamierte sich bei jedem | |
Erklärungsversuch dafür auf’s Neue und musste letztlich das Amt des | |
DFB-Präsidenten aufgeben. | |
Als alle Welt sich noch fragte, wie der korrupte Verband umgebaut werden | |
könne, wurde vermeldet, dass sich die Landes- und Regionalverbände des DFB | |
auf einen gewissen Reinhard Grindel als neuen Präsidenten geeinigt hatten. | |
Die Vertreter des Profifußballs im DFB rieben sich verwundert die Augen. | |
Wer soll das denn sein, mögen sie sich gefragt haben. Am Ende haben sie ihn | |
gewählt. Sie waren sich sicher, dass er ihnen keinen Ärger machen würde, | |
dass er keine Ansprüche erheben würde auf die Milliarden, die der | |
Profifußball in Deutschland umsetzt, dass weiterhin kaum Geld vom | |
Profifußball an die Amateure fließen würde. Das Kuschen vor den Profis ist | |
letztlich das einzige Versprechen geblieben, an das sich Grindel in seiner | |
kurzen Amtszeit gehalten hat. | |
## Aufklärung wurde Fiasko | |
Die begann mit der Aufklärung der Sommermärchen-Affäre. Dafür engagierte | |
der DFB die Kanzlei Freshfields. Die fand heraus, dass das besagte Geld | |
über ein Privatkonto des deutschen Fußballkaisers Franz Beckenbauer bei | |
einer Gerüstbaufirma in Katar gelandet ist. Die gehört Mohamed bin Hammam, | |
dem Mann, der die WM für Katar gekauft hat, einem Funktionär, der wie kaum | |
ein zweiter für die korrupte Parallelwelt der Fifa stand. Obwohl in dem | |
Bericht noch viele weitere Geschichten über kleinere und größere Geschenke | |
des DFB an kleinere oder größere Gauner in der Fifa standen, sprach die | |
Kanzlei den DFB frei. Auf einen Stimmenkauf lasse sich nicht zweifelsfrei | |
schließen. Ein Erfolg für Grindel? | |
Nun ja. Mit jeder Nachforschung wurde der Bericht weniger wert. Brüstete | |
sich Grindel zunächst noch mit der total unabhängigen Aufklärung des Falls | |
durch die vom DFB total unabhängige Kanzlei, mochte er sich schon bald gar | |
nicht mehr dazu äußern. Heute weiß man, dass Freshfields bereits für das | |
Organisationskomitee der WM 2006 gearbeitet hat. Die als | |
Transparenzoffensive angekündigte Aufklärung war zum Fiasko geworden. | |
Am Ende hatte er es doch nicht gewagt, die Öffentlichkeit über das wahre | |
Ausmaß der Schummeleien im DFB zu informieren. Doch neben den Journalisten | |
waren dem DFB noch andere auf den Fersen. Das Finanzamt hat sich den | |
Verband vorgeknöpft, nicht nur wegen der unkorrekt verbuchten | |
Millionenzahlung. Die Gemeinnützigkeit steht auf dem Spiel. Dass sich das | |
Präsidium des Verbands in ferne Länder fliegen lässt, um dort zu | |
konferieren, vor allem aber zu saufen wie die Löcher, wird niemand als | |
gemeinnützig bezeichnen können. | |
Nein, über Geld wollte Grindel bald schon nicht mehr reden. Er kassierte | |
lieber. Seit er 2017 in die führenden Gremien von Fifa und Uefa eingezogen | |
ist, streicht er [1][neben seinem DFB-Salär von monatlichen 7.200 Euro etwa | |
eine halbe Million Euro Jahresgage ein]. Er wähnte sich auf Augenhöhe mit | |
den erfolgreichen Profis von einst und jetzt. Wenn es einen Termin mit | |
Vereinsvertretern gab, nahm er gerne einen Weltmeisterspieler mit. | |
Unangenehme Fragen nach der mangelhaften Umverteilung der Fußballmilliarden | |
waren so leicht zu umschiffen. | |
## Arrogante Mercedes-Kampagne | |
Gerne sonnte er sich auch im Glanz der Nationalmanschaft. Von der war er | |
derart begeistert, dass er den Vertrag mit Bundestrainer Joachim Löw | |
unmittelbar vor der WM verlängert hat. Von Nationalmannschaftssponsor | |
Mercedes ließ er sich eine arrogante Kampagne aufschwatzen, die so | |
daherkam, als sei der 5. Weltmeistertitel für die DFB-Auswahl reine | |
Formsache. Nach der WM, dem blamablen Ausscheiden in der Vorrunde, fiel ihm | |
nichts anderes ein, als ein Treuebekenntnis zu dem Trainer abzugeben, dem | |
er schon vor dem ersten WM-Spiel vermittelt hatte, dass er ihn für genau | |
den richtigen hält. | |
Und gar nichts fiel ihm ein, als es galt, den langjährigen Nationalspieler | |
Mesut Özil vor rassistischen Beleidigungen in Schutz zu nehmen. Als der | |
sich nicht lange vor der WM im Sommer 2018 mit dem türkischen Staatschef | |
Recep Tayyip Erdoğan hat fotografieren lassen, verurteilte er dies schnell | |
via Twitter. Als Özil purer Rassismus entgegenschlug, schwieg der Mann, der | |
als CDU-Abgeordneter vehement gegen die doppelte Staatsbürgerschaft | |
agitiert hatte. | |
Nichts wollte ihm auch dazu einfallen, dass in der Fankurve des | |
Regionalligisten Chemnitzer FC eine Trauerchoreographie für einen | |
Nazi-Hooligan abgehalten wurde. Auf die Idee, dass einem Verband wie dem | |
DFB mit seinen mehr als 7 Millionen Mitgliedern hier eine besondere | |
gesellschaftliche Verantwortung zukommt, ist er nicht gekommen. | |
Als Erfolg verkaufte er den Zuschlag, den Deutschland für die Ausrichtung | |
der Fußball-EM 2024 erhalten hat. Natürlich war die DFB-Bewerbung | |
einwandfrei, aber der einzige Gegenkandidat war die wirtschaftlich | |
taumelnde Türkei. Grindel hätte sich schon besonders dämlich anstellen | |
müssen, um dieses Spiel zu verlieren. | |
So dämlich wie er es [2][in der Uhrencausa] getan hat. Ein schlechtes | |
Gewissen hat er deshalb übrigens nicht: „Für mich war dies ein reines | |
Privatgeschenk, ohne jeden Bezug zum ukrainischen Verband oder gar einem | |
Wirtschaftsunternehmen“, schreibt er in seiner Erklärung zum Rücktritt. In | |
seiner Selbstwahrnehmung ist er ein guter Mensch geblieben. Es dürfte | |
wenige geben, die das auch so sehen. | |
2 Apr 2019 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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