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# taz.de -- Ethisch vertretbarer Fleischkonsum: Schöner töten
> Tierwohllabel sollen verhindern, dass Nutztiere im Stall leiden. Einen
> qualvollen Tod im Schlachthof kennzeichnen sie aber nicht.
Bild: Verbraucher*innen wünschen sich, dass Kühe beim Schlachten nicht leiden
Hannover taz | Wie das duftet! Rumpsteak mit Rosmarinkartoffeln auf dem
Teller. Aber spulen wir zurück: brutzelndes Öl, Pfanne, Fleischtheke,
halbes Rind, Organe raus, Haut ab, ganzes Rind, Entbluteschnitt,
Bolzenschuss, Muh. Stopp. Das ist die Stelle, an der im Schlachthof Fehler
passieren können.
Wenn Schlachter*innen den Bolzenschuss nicht richtig setzen, ist das Rind
nicht betäubt. Es erlebt dann den Schnitt in die Halsschlagader und wie das
Blut aus ihm herausläuft. Es strampelt mit den Beinen, hebt den Kopf, atmet
hektisch. So ist es auf Aufnahmen aus einem Schlachthof in Oldenburg zu
sehen, die das Deutsche Tierschutzbüro im November veröffentlicht hat.
Und der Oldenburger war nur einer von drei Schlachthofskandalen, die
Tierschützer*innen allein in Niedersachsen kürzlich durch heimlich
installierte Kameras aufgedeckt haben. In Bad Iburg und in geringerem
Ausmaß auch in Laatzen gab es Tierschutzverstöße. Schweine und Rinder
wurden mit Elektrotreibgeräten gequält und in Bad Iburg an Ketten in den
Schlachthof gezogen.
Gehört dieses Leid zum System dazu? Unser Hunger auf Fleisch jedenfalls ist
groß. Mettbrötchen, Döner, Schnitzel. Irgendwo muss das Fleisch dafür
herkommen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium schätzt den
Pro-Kopf-Verzehr auf knapp 60 Kilo Fleisch im Jahr, die Zahl der
Vegetarier*innen auf etwa sechs Prozent der Deutschen.
Veganer*innen werden im [1][aktuellen Ernährungsreport] des Ministeriums
nicht explizit aufgeführt. Menschen, die auf Fleisch oder alle tierischen
Produkte verzichten, stellen noch immer eine Minderheit dar. Damit die
Kühltheken im Supermarkt für die Mehrheit der Verbraucher*innen mit Fleisch
gefüllt sind, müssen Tiere sterben. Viele Tiere. Sie werden im Akkord
geschlachtet.
## Verbraucher*innen wünschen sich mehr Tierwohl
Die Zahl der geschlachteten Tiere ist in den vergangenen Jahren zwar
gesunken, aber allein in Niedersachsen wurden 2018 nach vorläufigen Zahlen
des Statistischen Bundesamtes 560.504 Rinder und 18.155.245 Schweine
gewerblich geschlachtet. In Schleswig-Holstein waren es 1.136.650 Schweine
und 307.780 Rinder.
Laut Ernährungsreport wünschen sich 81 Prozent der Verbraucher*innen ein
staatliches, unabhängiges Tierwohlkennzeichen. Unabhängig von der aktuellen
Diskussion darüber, ob das von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia
Klöckner (CDU) vorgestellte Label sinnvoll ist, hat es in jedem Falle einen
Schwachpunkt. Wie und wo die Tiere gestorben sind, erfasst es nicht.
Dabei haben große, industrielle Schlachthöfe auch Vorteile: Bei
[2][Tönnies], einem der großen Unternehmen in der Schlachtbranche, werden
die Schweine beispielsweise vor und nach der Entblutung gewogen. Hat ein
Schwein zu wenig Blut verloren, um daran zu sterben, stechen die
Schlachter*innen noch einmal in den Hals des Tieres. So soll verhindert
werden, dass das Schwein im Brühbecken wieder aus der Betäubung aufwacht
und qualvoll ertrinkt.
## Probleme in großen und kleinen Schlachthöfen
In großen Unternehmen gibt es das Geld, um solche Anlagen für den
Tierschutz zu installieren. Gleichzeitig werden in vielen großen
Schlachthöfen aber auch Werkvertragsarbeiter*innen von
Sub-Sub-Subunternehmen ausgebeutet. Berichte über Umgehungen des
Mindestlohns, menschenunwürdige Unterkünfte und Fälle von Tuberkulose
häufen sich. Wie aber sollen Arbeiter*innen, die völlig erschöpft sind,
sensibel mit Tieren umgehen?
Ist das in kleineren Schlachthöfen, in denen die Metzger*innen ihr Personal
noch selbst ausbilden, besser? Fragt man Friedrich Mülln, den Gründer der
Soko Tierschutz, die den Skandal in Bad Iburg aufgedeckt hat, ist die
Antwort: Nein. Er habe auch auf Videoaufnahmen aus kleineren Schlachthöfen
heftige Tierschutzverstöße gesehen.
Es wäre aber genauso gut zu argumentieren, dass die Mitarbeiter*innen die
einzelnen Tiere in einem kleineren Betrieb besser im Blick haben und auf
ihr Wohl achten können. Die Taktzahl ist viel geringer. Die
Schlachter*innen führen nicht nur eine einzige Handbewegung, einen einzigen
Schnitt immer wieder aus.
## Tierärzt*innen taten nichts gegen das unnötige Leid
Aber wie sollen sich Verbraucher*innen darauf verlassen, dass die Tiere
tatsächlich kein unnötiges Leid erfahren haben, egal ob in großen oder
kleinen Schlachthäusern? In den Fällen in Niedersachsen kommt hinzu, dass
Veterinär*innen der Landkreise teilweise direkt daneben standen, wenn
Tieren Schmerzen zugefügt wurden. Sie haben weggesehen.
In Niedersachsen lässt Arne Bläsing Rinder direkt auf der Weide schießen.
Kein Stress durch den Transport, den Blutgeruch und eine fremde Umgebung.
Der Schütze legt mit einem Gewehr an und zielt auf den Kopf. Die Kugel soll
direkt ins Hirn treffen. Er tötet alle zwei Wochen ein Rind.
Verbraucher*innen, die viel Wert aufs Tierwohl legen, finden hier eine
Alternative zu Schlachthöfen – zumindest, wenn man davon ausgeht, dass der
Schütze immer sauber trifft.
Die Mengen an Fleisch, die die Deutschen im Schnitt essen, sind mit
Einzelabschüssen auf der Weide aber nicht zu decken, zumal die Produkte
teurer sind als im Supermarkt. Also weiter darauf vertrauen, dass die
Skandalvideos Einzelfälle sind und die Mitarbeiter*innen in den großen und
kleinen Schlachthöfen rücksichtsvoll mit den Tieren umgehen? Eine
Möglichkeit gibt es noch: Auf das Rumpsteak zu den Rosmarinkartoffeln kann
man auch verzichten.
Mehr zu der Frage, ob es ethisch vertretbare Methoden zur Tötung von Tieren
gibt, lesen Sie im aktuellen Wochenendschwerpunkt der taz nord oder im
[3][E-Kiosk].
Oder diskutieren Sie zum Thema „Schöner töten?“ mit unseren Podiumsgästen
beim [4][taz Salon] am 26. März in Hamburg.
22 Mar 2019
## LINKS
[1] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/Ernaehrungsreport2019.…
[2] https://www.toennies-dialog.de/tierschutz-beim-schlachten/
[3] /e-kiosk/!114771/
[4] /!167920/
## AUTOREN
Andrea Maestro
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