| # taz.de -- Das Elend der Fleischproduktion: Wieder Tierquälerei in Schlachthof | |
| > Die Soko Tierschutz deckt erneute einen Verstoß in einer | |
| > niedersächsischen Schlachterei auf. Videoaufnahmen der Tierschützer | |
| > zeigen angeblich die Quälereien. | |
| Bild: Vorläufig sichergestellt: Fleisch aus einem früheren Fall in Bad Iburg | |
| HAMBURG taz | Es ist schon wieder passiert. Das niedersächsische | |
| Landwirtschaftsministerium hat einer Landschlachterei im Kreis Stade bis | |
| auf Weiteres die Produktion untersagt. Der Grund dafür ist nach Angaben des | |
| Ministeriums ein telefonischer Hinweis des Vereins Soko Tierschutz, der dem | |
| Schlachthof „schwere Verstöße gegen das Tierschutzrecht“ vorwirft. | |
| Demnach hat die Soko Tierschutz mit versteckten Kameras Tiere gefilmt, die | |
| krank oder verletzt und deshalb nicht transportfähig waren. Die Tiere | |
| sollen auf den Zulieferhöfen und auf dem Schlachthof zum Teil mit der | |
| Seilwinde vom Lastwagen gezerrt worden sein. In mehreren Fällen soll das | |
| sehr schmerzhaft für die Tiere gewesen sein. Der Verein habe | |
| „aussagekräftige Beweismittel“ angekündigt“, teilte das Ministerium mit. | |
| Seinem Verein lägen viele Aufnahmen des Schlachthofs und seiner | |
| Zulieferbetriebe vor, bestätigte Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz. | |
| Die Schlachterei habe Tiere angenommen, die zum Teil nicht einmal mehr | |
| laufen konnten. „Das beweist, dass Szenen, wie wir sie in Bad Iburg gesehen | |
| haben, nicht die Ausnahme sind, wenn es um den Umgang mit kranken und | |
| verletzten Kühen geht, sondern die Regel“, sagte Mülln. | |
| In den niedersächsischen Schlachthöfen in Bad Iburg, Oldenburg und Laatzen | |
| bei Hannover waren auch Kühe angeliefert worden, die so ausgemergelt waren, | |
| dass sie selbst keinen Schritt mehr tun konnten. Einige Tiere wurden mit | |
| Ketten gezogen, andere mit Elektroschockern traktiert und nicht ausreichend | |
| betäubt vor der Schlachtung, sodass sie zuckend an den Haken hingen. | |
| ## Ministerium stellt Strafanzeige | |
| Das Ministerium hat auf den aktuellen Hinweis der Soko Tierschutz sofort | |
| reagiert und die Schlachthofbetreiber bei der Staatsanwaltschaft Stade | |
| angezeigt. Über den vorläufigen Produktionsstopp hinaus werde der Entzug | |
| der Zulassung geprüft, hieß es. Am Mittwochvormittag informierte das | |
| Ministerium den Agrarausschuss des Landtages über den Fall. | |
| „Sollten die Vorwürfe stimmen, wäre das Verhalten des zuständigen Personals | |
| nicht zu akzeptieren und müsste Konsequenzen haben“, sagte | |
| Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU). Auch das Verhalten der | |
| Bauern, die offenbar leidende Tiere noch vermarkten wollten, wäre | |
| unerträglich. | |
| Helmut Dammann-Tamke, der für die CDU im Agrarausschuss sitzt, will den | |
| Vorgang zwar nicht kleinreden, solange die Soko Tierschutz ihr Material | |
| nicht veröffentliche, falle ihm jedoch eine Bewertung schwer. „Ich habe | |
| noch nicht eine Bildsequenz von dem Hof gesehen“, sagt der | |
| Landtagsabgeordnete. | |
| Aus Sicht der Grünen-Landtagsabgeordneten Miriam Staudte bestätige der | |
| Vorfall, dass die Situation rund um die Schlachtung in Niedersachsen | |
| unverändert schlecht sei. „Es geht hier längst nicht mehr um Einzelfälle, | |
| sondern es besteht ein strukturelles Kontrolldefizit in ganz | |
| Niedersachsen“, kritisiert Staudte. | |
| ## Veterinäre unfähig oder überfordert | |
| In einem Antrag, den sie zusammen mit der FDP in den Landtag eingebracht | |
| haben, fordern die Grünen als Teil eines 15-Punkte-Katalogs, dass die | |
| Kontrolle der Betriebe von den Landkreisen wieder auf das Land übertragen | |
| werden soll. Außerdem sollten die Kontrolleure rotieren, um mehr Abstand zu | |
| den Kontrollierten zu bekommen. | |
| Auch der Tierschützer Mülln misstraut den Kreisveterinären, die die | |
| Kontrollen übernehmen: Viele seien entweder unfähig oder überfordert oder | |
| sie stünden den Landwirten und Schlachtern durch den engen Arbeitskontakt | |
| zu nah. Eine Videoüberwachung in den Schlachthöfen, wie sie | |
| Landwirtschaftsministerin Otte-Kinast vorschlägt, sieht er deshalb | |
| skeptisch. | |
| Otte-Kinast hat eine Initiative im Bundesrat gestartet, die Kameras in | |
| Schlachthöfen zur Pflicht machen soll. „Nun ist der Bund gefordert und muss | |
| einen Gesetzesvorschlag auf den Tisch legen“, teilte sie mit. Außerdem hat | |
| die Ministerin mit den Vertretern der niedersächsischen Fleischwirtschaft, | |
| der Handelsverbände und der kommunalen Veterinärbehörden eine Vereinbarung | |
| unterzeichnet: Diese sollen ihre Mitglieder dafür gewinnen, freiwillig | |
| Überwachungskameras zu installieren. | |
| ## Videoüberwachung mit Sinn | |
| „Eine Videoüberwachung, wie sie jetzt geplant wird, ist völlig sinnlos“, | |
| findet dagegen Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz. Wenn ein Veterinär | |
| daneben stehe und mit seinen eigenen Augen die Verstöße gegen den | |
| Tierschutz nicht sehe, werde ein Kameraauge auch nicht helfen. „Wenn schon | |
| eine Videoüberwachung“, sagt er, „dann müssen zivilgesellschaftliche | |
| Organisationen wie wir die Möglichkeit haben, das Material zu sichten – von | |
| mir aus auch im Ministerium.“ | |
| Dieses hat auf die sich häufenden Fälle bereits Ende vergangen Jahres | |
| begonnen zu reagieren: Seit Anfang November habe das Niedersächsische | |
| Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zusammen mit den | |
| kommunalen Behörden 36 unangekündigte Schwerpunktkontrollen in | |
| Schlachtbetrieben gemacht, teilte das Ministerium mit. Wie sie ausgegangen | |
| sind, ließ sich vor Redaktionsschluss nicht klären. | |
| 5 Apr 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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