# taz.de -- Diskussion auf der Sicherheitskonferenz: Kaum Chancen für Rüstung… | |
> US-Vizepräsident Pence und Russlands Außenminister Lawrow machen sich | |
> Vorwürfe. Der INF-Vertrag ist kaum noch zu retten. | |
Bild: US-Vizepräsident Mike Pence mit einer Angehörigen seines Chefs auf der … | |
MÜNCHEN taz | Die Nato berät derzeit intensiv, wie sie mit dem drohenden | |
Ende des Verbots landgestützter Mittelstreckensysteme in Europa umgehen | |
will. Das zeigt sich an diesem Wochenende auch auf der Münchner | |
Sicherheitskonferenz. „Die Uhr tickt“, sagte Nato-Generalsekretär Jens | |
Stoltenberg bei seinem Auftritt. „Wir wollen, dass Russland wieder | |
vertragskonform wird, aber wir bereiten uns auch auf eine Welt ohne | |
INF-Vertrag vor.“ Was das konkret bedeutet, ließ er offen. „Ich werde nicht | |
versuchen, das Ergebnis vorherzusagen.“ | |
Immerhin bekundete Stoltenberg, die Nato habe „nicht die Absicht, neue | |
landgestützte Nuklearwaffen in Europa zu stationieren“. Aber er sagte auch: | |
„Die Nato wird immer die notwendigen Schritte tun, um glaubwürdige und | |
wirksame Abschreckung zu erzielen.“ So bleibt unklar, was von seiner | |
Versicherung zu halten ist, das transatlantische Militärbündnis sei | |
„weiterhin entschlossen, ein neues Wettrüsten zu vermeiden“. | |
Grund zur Beruhigung besteht jedenfalls nicht. Tatsächlich ist die Gefahr | |
eines neuen atomaren Rüstungswettlaufs in Europa eine reale, nachdem Anfang | |
Februar zunächst die Trump-Regierung in Washington und dann auch die | |
Regierung Putin in Moskau den [1][Austritt aus dem | |
INF-Mittelstreckenabkommen] von 1987 angekündigt haben. Ein solcher | |
Wettlauf könnte noch weit gefährlicher werden als die Aufrüstung mit | |
sowjetischen SS-20 sowie US-amerikanischen Pershing II und Cruise Missiles | |
in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. | |
Die Trump-Administration rechtfertigt ihren Ausstieg aus dem INF-Abkommen | |
mit dem Vorwurf, Russland habe unter Verstoß gegen den Vertrag eine neue | |
landgestützte Mittelstreckenrakete vom Typ 9M729 (Nato-Code: SSC-8) | |
entwickelt mit Reichweiten bis 2.600 Kilometern. Moskau bestreitet den | |
Vorwurf der Vertragsverletzung und erklärt, die neue Rakete bleibe mit | |
lediglich 480 Kilometern Reichweite unterhalb der Verbotsgrenze des | |
Abkommens. | |
## Vorwürfe an die USA | |
Umgekehrt behauptet Russland, die USA würden mit ihrem in Rumänien und | |
Polen stationierten Raketenabwehrsystem vom Typ Aegis Ashor gegen das | |
INF-Abkommen verstoßen. Die Startgeräte für die Abwehrraketen würden die | |
USA auch auf Kriegsschiffen für den Abschuss von seegestützten | |
Marschflugkörpern verwenden. Daher, so Moskau, könnten diese | |
Marschflugkörper auch von dem landstationierten System in Rumänien | |
abgeschossen werden. Washington bestreitet dies. | |
In Kraft treten die Austritte der USA und Russlands erst am 2. August. Bis | |
dahin sind noch sechs Monate Zeit, den Rückschritt in eine Zeit mit | |
erhöhter Atomkriegsgefahr zu verhindern. Doch die Aussichten dafür stehen | |
schlecht. Die Fronten sind verhärtet. | |
„Die USA haben angekündigt, sich aus dem Abkommen zurückzuziehen, nachdem | |
Russland jahrelang gegen den INF-Vertrag verstoßen hat“, rechtfertigte | |
US-Vizepräsident Mike Pence am Samstag in München die Haltung seiner | |
Regierung. Zudem verwies Pence auf die „laufende Modernisierung der | |
amerikanischen Nuklearstreitkräfte“. Teil davon ist die vom INF-Vertrag | |
bislang noch verbotene Entwicklung einer neuen landgestützten | |
Mittelstreckenrakete. | |
## Geld schon bewilligt | |
Dafür hatte der US-Kongress auf Antrag der Trump-Regierung bereits für das | |
Haushaltsjahr 2018 eine erste Tranche von 500 Millionen US-Dollar | |
bewilligt. Auch die Entwicklung von sogenannten „Mininukes“, die Präsident | |
Trump im Januar 2018 angekündigt hatte, gehört zum | |
„Modernisierungsprogramm“ der US-Nuklearstreitkräfte. Diese „Mininukes�… | |
der Sprengkraft eines Mehrfachen der Hiroshimabombe sollen laut Trump in | |
Europa stationiert werden, um eine „Lücke in der atomaren Abschreckung | |
gegen Russland zu schließen“. | |
Vizepräsident Pence bekräftigte auf der Sicherheitskonferenz zudem die | |
Absicht der USA zur Entwicklung und Stationierung eines neuen, | |
weltraumgestützten Raketenabwehrsystems. Trump hatte im Januar angekündigt, | |
das System solle „die USA gegen die Bedrohung durch Raketen aus Russland, | |
China, Iran und Nordkorea schützen“. | |
Zwei Jahre nach Trumps Amtsantritt seien „die USA heute stärker als je | |
zuvor“, behautptete Pence in seiner Rede und fügte hinzu: „Amerika führt | |
wieder auf der Weltbühne, verfügt über die stärksten Streitkräfte der Welt | |
und wird diese noch stärker machen.“ | |
## Lavrov teilt aus | |
Russlands Außenminister Sergej Lawrow ging im Anschluss auf den INF-Vertrag | |
nur sehr knapp ein. In einer chronlogischen Aufzählung von Vorhaltungen an | |
den Westen – darunter die Nato-Osterweiterung , der Luftrkrieg der Nato | |
gegen Serbien und die „einseitige Anerkennung“ des Kosovo als unabhängigen | |
Staat – kritisierte er auch den Ausstieg der USA aus dem INF-Vertrag. | |
Das endgültige Ende des INF-Vertrages könnte nicht nur einen neuen atomaren | |
Rüstungswettlauf der USA und Russlands einleiten, sondern auch globale | |
Folgen haben. Als US-Präsident Trump den Austritt aus dem INF-Abkommen im | |
Oktober 2018 erstmals androhte, benannte er zur Rechtfertigung neben | |
angeblichen Vertragsverstößen Russlands auch die heutigen | |
Mittelstreckenraketen in China, Indien, Iran, Nordkorea und anderen | |
Ländern, die bei Abschluss des INF-Vertrages im Dezember 1987 noch nicht | |
existierten. | |
Allein China verfügt heute über rund 2.000 Mittelstreckenraketen, die mit | |
Reichweiten von über 2.000 Kilometern US-amerikanische Ziele im Pazifik und | |
im asiatischen Meer erreichen können. Die USA fordern, der bilaterale | |
INF-Vertrag zwischen Washington und Moskau müsse multilateralisiert und auf | |
China und andere Länder ausgeweitet werden. Das ist aus friedens- und | |
rüstungskontrollpolitischer Sicht durchaus eine richtige Forderung. | |
## Merkel will mehr | |
Nur ist die Zerstörung des bestehenden bilateralen INF-Vertrages mit | |
Sicherheit der falsche Weg, zu einem multilateralen Abkommen zu gelangen. | |
[2][Bundeskanzlerin Angela Merkel] bezeichnete es in München als | |
„wünschenswert“, dass künftige Verhandlungen über die Kontrolle von | |
Mittelstreckenraketen „nicht nur zwischen den USA und Russland stattfinden, | |
sondern auch mit China“. | |
Der für Außenpolitik zuständige Direktor im Polititbüro der Kommunistischen | |
Partei Chinas, Yang Jiechi, der nach der Bundeskanzlerin sprach, ging auf | |
Merkels Wunsch zunächst nicht ein, lehnte ihn auf Nachfrage des | |
SPD-Außenpolitikers Rolf Mützenich dann aber indirekt ab. Yang appellierte | |
an die USA und Russland, nicht aus dem INF-Vertrag auszusteigen und | |
erklärte zugleich, die Rüstungsentwicklungen Chinas seien „für niemanden | |
eine Bedrohung“. | |
16 Feb 2019 | |
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[1] /US-Nuklearforscher-ueber-Sicherheitslage/!5570436 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
Pascal Beucker | |
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