Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Grüne Woche kommt: Viele Köche verbessern den Brei
> Mit einer vom Senat finanzierten Ernährungswende will Rot-Rot-Grün die
> Ernährung der Berliner verbessern – dafür stehen 1,2 Millionen Euro
> bereit.
Bild: Der Senat will, dass sich Berliner gesünder ernähren
„Das Schulessen soll besser werden. Es soll allen Kindern gut schmecken und
nicht aus Tütchen kommen“, schreibt eine 12-jährige Schülerin auf dem Blog
des [1][Berliner Ernährungsrates]. „Es sollte so schmecken wie das Essen
von zu Hause.“ Und ihre Mutter ergänzt: „Die Essensproduktion soll
niemanden ausbeuten, weder Mensch noch Tier, weder Pflanzen noch Boden.“
Zwei Wünsche an die Ernährungswende – und in Berlin wird emsig daran
gearbeitet, sie zu erfüllen.
Mit seiner Ernährungsstrategie, die der rot-rot-grüne Senat zusammen mit
den zivilgesellschaftlichen Akteuren des lokalen Ernährungsrates
entwickelt, hat sich Berlin an die Spitze einer Bewegung gesetzt, die sich
für eine stärker ökologische und regionale Produktion von Lebensmitteln und
ihren Verzehr einsetzt. Der Senat nimmt dazu viel Geld in die Hand: Allein
in diesem Jahr können 1,2 Millionen Euro Landesmittel für die
Ernährungswende eingesetzt werden, sagt Verbraucherschutzsenator Dirk
Behrendt (Grüne) im taz-Interview.
Im Mittelpunkt steht die Installierung eines House of Food – in der
Berliner Eindeutschung einem „Zentrum für gute Gemeinschaftsverpflegung“ �…
nach Kopenhagener Vorbild. In der dänischen Hauptstadt wurden durch das
kommunale Food-Zentrum das Küchenpersonal der öffentlichen Kantinen so
geschult und die Beschaffungswege der Nahrungsmittel entsprechend
organisiert, dass heute 90 Prozent der Mahlzeiten in Schulen und
Verwaltungskantinen nach ökologischen Ernährungsstandards zubereitet
werden. Berlin liegt noch unter 20 Prozent, ist aber mutig genug, die 90
Prozent anzupeilen.
Kann das in der Praxis klappen? Seit dem letzten Herbst ist das keine
theoretische Frage mehr. Unter dem Titel „Regiowoche“ organisierte der
Ernährungsrat gemeinsam mit dem Verband der Berliner Schulcaterer, dass 270
Schulen mit 50.000 Schülern eine Woche lang rund 170.000 Portionen
erhielten, für die nur Zutaten aus dem Brandenburger Umland in die
Kochtöpfe wanderten. Frank Nadler, der für den Ernährungsrat die Regiowoche
koordiniert, ist in der Bilanz sehr zufrieden: „Das Projekt zeigte in einer
bislang nicht gesehene Größenordnung, dass eine bio-regionale
Schulverpflegung machbar ist.“
## Experiment zeigte auch Defizite auf
Auch die Bildung kam zur Geltung: Unter dem Motto „Willst du wissen, woher
dein Essen kommt? Wir zeigen es dir!“ fuhren einige Schulklassen auf
Bauernhöfe, um direkt zu studieren, woher Milch und Rüben kommen. Das
Experiment zeigte auch Defizite auf, an deren Beseitigung zu arbeiten ist.
So mussten Kartoffeln vom streng regionalen Speiseplan gestrichen werden,
weil es in ganz Brandenburg keinen Betrieb mit einer großen
Kartoffenschälmaschine gab. Die ist aber zwingend, um Zeit bei der
Verarbeitung zu sparen.
Als die Regio-Köche im Dezember den Berliner Parlamentariern im
Abgeordnetenhaus das Projekt vorstellten, berichtete Eva-Maria Lambeck von
der Cateringfirma Schildkröte GmbH, dass die Schälpflicht sogar für einen
Klassiker wie „Pellkartoffeln mit Quark“ gelte – weil die Schüler ganze …
Minuten zum Essen und daher keine Zeit zum Selberschälen hätten.
Im Berliner House of Food wird nach Lösungen für derlei Probleme gesucht
werden. Derzeit startet der Senat die Ausschreibung, um den künftigen
Betreiber auswählen zu können. Wo das Zentrum untergebracht werden soll,
steht auch noch nicht fest. Unter anderem käme die Markthalle Neun in der
Kreuzberger Eisenbahnstraße infrage.
„Die ernährungspolitische Bedeutung eines House of Food für Berlin kann gar
nicht hoch genug eingeschätzt werden“, sagt Nikolaus Driessen vom
Betreiber-Team der Markthalle. Die Kreuberger Food-Spezialisten, die ihm
Oktober zu dritten Mal das Ernährungs-Festival „StadtLandFood“
veranstalteten, sind derzeit an einem Vorbereitungsprojekt für das neue
Ernährungs-Zentrum beteiligt. „Dabei geht es nicht zuletzt um die Frage,
wie eine Öffentlichkeit für die Notwendigkeit einer nachhaltigen
Transformation in der Gemeinschaftsverpflegung geschaffen werden kann“,
erklärt Driessen. „Außerdem prüfen wir zurzeit die baulichen
Voraussetzungen, das House of Food in der Markthalle unterzubringen.“
## Der Streit eskalierte
Möglicherweise kommt auch eine andere Lebensmitteladresse infrage, um die
es im vergangenen Jahr einige Turbulenzen gab: Auf dem Großmarkt in der
Moabiter Beusselstraße versuchten die Händler, das zum Kommunalunternehmen
Behala gehörende Areal in Erbbaupacht in Form einer Genossenschaft zu
übernehmen. Das kam für die grüne Wirtschaftssenatorin Ramona Pop aber
nicht in Betracht.
Nachdem der Streit so eskalierte, dass darüber sogar der Geschäftsführer
der landeseigenen Berliner Großmarkt GmbH seinen Hut nehmen musste, kamen
die Händler mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft zu mehreren
friedensstiftenden Gesprächsrunden zusammen. Jetzt werden die Nutzergruppen
des Großmarktes, wie eine Sprecherin der Wirtschaftssenatorin gegenüber der
taz erklärte – „Händlerinnen und Händler aus den Segmenten Obst/Gemüse,
Fleisch und Blumen, Dienstleister sowie Erbbaurechtsnehmer“ –, in die
weiteren Entwicklungs- und Investitionsplanungen einbezogen.
Als besonders herausfordernde Aufgabe gilt die „Erstellung eines
Masterplans für den Standort an der Beusselstraße, um diesen für die
zukünftigen Herausforderungen fit zu machen“. Auch in der
Ernährungsstrategie sind die Frucht- und Fleischhändler auf dem Großmarkt,
über die ein Großteil der Brandenburger Agrarprodukte in die Hauptstadt
gelangt, von Bedeutung.
„Der Eigentümer Land Berlin verfolgt das Ziel, den Berliner Großmarkt als
Kompetenzzentrum für frische und zunehmend regionale Lebensmittel sowie als
Teil der Strategie hin zu einer mehr gesundheitsbewussten und
verantwortungsvollen Ernährung zu entwickeln“, erklärt Pop-Sprecherin
Svenja Fritz. Mittel- bis langfristig solle der Großmarkt „beispielhaft
sein für einen nachhaltigen Lebensmittelhandel und eine nachhaltige
Lebensmittelproduktion und damit ein Baustein der Ernährungswende werden“.
15 Jan 2019
## LINKS
[1] http://ernaehrungsrat-berlin.de/
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
R2G Berlin
Ernährung
Schule
Grüne Berlin
Gentrifizierung
Gentrifizierung
Ernährung
Die Linke Berlin
Grüne Woche
Landwirtschaft
Finnland
Lebensmittelwirtschaft
Essen
R2G Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Veggie-Kommentar: Die große Angst vorm Fleischverbot
Die Grünen fürchten Verbote, die SPD verschläft sie einfach. Deshalb werden
Berlins Mensen und städtische Kantinen wohl weiter Fleisch anbieten.
Streit um Berliner Markthalle: Halle für alle
Kampf um Aldi: Am Samstag protestierten Anwohner gegen die Schließung der
Discounterfiliale in der Markthalle Neun.
Streit um das bessere Leben: Essen mit Anspruch
In Kreuzberg soll ein Aldi raus aus der Markthalle Neun. Eine
Verdrängungsgeschichte, bei​ der es um mehr als nur einen Discounter geht.
Ernährungswende in Berlin: In die Suppe gespuckt
Kurz vor der Präsentation zivilgesellschaftlicher Empfehlungen für die
Ernährungspolitik in Berlin fordert der Ernährungsrat mehr.
Berlin will Nestlé-Eis loswerden: Alleinherrschaft über Kühltruhe endet
Die Grün Berlin garantiert Nestlé den exklusiven Verkauf seiner
Speiseeis-Produkte in Parks. Dank Nachbohrens der Linken ist das bald
vorbei.
Berliner Senator zur Grünen Woche: „Mehr Brandenburger Bioprodukte“
Senator Dirk Behrendt (Grüne) über die Ernährungsstrategie der Stadt
Berlin, das geplante „House of Food“ – und besseres Schulessen.
Biobauer über „Wir haben es satt“-Demo: „Nur ‚Mehr mehr mehr‘ geht n…
Der brandenburgische Landwirt Heinz-Günther Klass kommt mit dem Trecker zur
„Wir haben es satt!“-Demo. Er hofft auf eine gerechtere Förderung
ökologischer Höfe.
Finnischer SS-Fan bei der Grünen Woche: Abgestandenes Geschichtsbild
Der Chef einer finnischen Brauerei auf der Grünen Woche ist Vorstand eines
SS-Veteranenvereins. Für die Messe kein Problem
Markthalle Neun krempelt Großmarkt um: Neue Pläne für die Zukunft
Vom Moabiter Großmarkt werden nachts Restaurants, Kantinen und Wochenmärkte
beliefert. Nun soll der Standort zum Hotspot für die Ernährungswende
werden.
Berlin will gesunde Ernährung fördern: Gut essen – leichter gemacht
Der Senat will ernährungspolitisch umdenken. Einfluss hat er dabei vor
allem in der Gemeinschaftsverpflegung in Kantinen. Entstehen soll ein
„House of Food“
Ernährungspolitik in Berlin: „Essen ist politisch“
Der Berliner Senat will BürgerInnen stärker in die Ernährungspolitik
einbeziehen. Der Grünen-Abgeordnete Turgut Altuğ erklärt, wie und warum.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.