# taz.de -- Ernährungswende in Berlin: In die Suppe gespuckt | |
> Kurz vor der Präsentation zivilgesellschaftlicher Empfehlungen für die | |
> Ernährungspolitik in Berlin fordert der Ernährungsrat mehr. | |
Bild: Dieses Weddinger Schulessen hat offenbar geschmeckt | |
BERLIN taz | Eigentlich war in der Neuen Mälzerei alles für ein | |
freundliches Politmahl zur Mittagsstunde vorbereitet. Dirk Behrendt | |
(Grüne), als Senator für Justiz und Verbraucherschutz auch zuständig für | |
leibliche Gerichte, wurden dort am Mittwoch Empfehlungen zur künftigen | |
Berliner Ernährungsstrategie übergeben, die seit dem Frühjahr 2018 von 31 | |
Fachleuten, darunter Vertreter des zivilgesellschaftlichen Ernährungsrats, | |
erarbeitet wurden. | |
Der 35-seitige Abschlussbericht identifiziert sieben Handlungsbereiche mit | |
Praxisvorschlägen für eine nachhaltigere Ernährung. An erster Stelle steht | |
das öffentliche Kantinenwesen, die Gemeinschaftsverpflegung von Kitas bis | |
zu Justizvollzugsanstalten, das auf Bioprodukte, vorzugsweise aus der | |
Region, umgestellt werden soll. Weitere Schwerpunkte sind die | |
Zusammenarbeit mit Brandenburg in landwirtschaftlicher Produktion und | |
Lebensmittelhandwerk sowie die Förderung von „Innovationen für ein | |
zukunftsfähiges Ernährungssystem“. Food-Aktivitäten in den Kiezen, | |
„Ernährungsbildung für alle“ und Reduzierung von Lebensmittelverschwendung | |
sind andere Handlungsfelder. | |
Doch nach Abschluss der Beratungen machte sich bei den Mitgliedern des | |
Ernährungsrats, der den gesamten Prozess angestoßen hat, offenbar ein | |
Bauchgrummeln bemerkbar. Mit einem offenen Brief spuckte das Bündnis für | |
nachhaltige Ernährung zu Beginn der Woche dem Senator in die Suppe. „Die | |
augenblicklich vorgesehene Umsetzung des Vorhabens als Projekt sehen wir | |
zwar als guten Anfang“, heißt es darin, „aber für ungeeignet, die | |
erforderliche Veränderung langfristig zu implementieren“. Gemeint ist damit | |
eine dauerhafte gesicherte Finanzierung für das „Haus des guten Essens“, | |
ein geplantes Zentrum für gute Gemeinschaftsverpflegung nach Kopenhagener | |
Vorbild. „Ebenfalls kritisch sehen wir die Vergabe an einen privaten | |
Träger“, schreibt der Rat weiter, weil dadurch „das gemeinwohlorientierte | |
Ziel einer Ernährungswende in Berlin und Umgebung gefährdet“ werde. | |
Konkreter Vorschlag des Ernährungsrats: Das „Haus des guten Essens“ solle | |
als landeseigenes Unternehmen oder Stiftung gegründet werden, mit einem | |
„Beirat aus kompetenten Akteuren und Institutionen, zu denen auch der | |
Ernährungsrat zählt“. Weiter vermisst der Ernährungsrat die langfristige | |
Linie in der Ernährungspolitik. „Selbst ein erfolgreiches ‚Haus des guten | |
Essens‘ wäre nur ein einzelner Baustein und kann allein nicht genug | |
ausrichten“, heißt es in dem Brief. Ziel sei eine „Ernährungsdemokratie f… | |
Berlin“, für deren Begleitung „eine strategische Steuerungsgruppe“ | |
gebildet werden solle. | |
In einer ersten Reaktion würdigte Behrendt gegenüber der taz den offenen | |
Brief als „wertvollen Beitrag“ für die anstehenden Diskussionen. In der | |
Veranstaltung bezeichnete Margit Gottstein, | |
Verbraucherschutz-Staatssekretärin, das „House of Food“ als | |
„Schlüsselprojekt der Berliner Ernährungswende“, für das in diesem Jahr | |
700.000 Euro im Landesetat reserviert seien. Auch für die Folgeetats | |
2020/21 seien Mittel angemeldet. | |
Aus dem nun vorgelegten Aktionsplan werde eine Senatsvorlage erstellt, die | |
in den nächsten Wochen von den übrigen Ressorts mitgezeichnet werde. Laut | |
Behrendt wird mit der Ausschreibung für das „House of Food“ jetzt begonnen, | |
die Vergabe soll im Sommer abgeschlossen sein, damit der Betriebsaufbau im | |
Herbst beginnen könne. Behrendt versicherte den rund 100 Vertretern der | |
Food-Community in der Mälzerei: „Wir meinen es ernst mit der | |
Ernährungswende“. | |
21 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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