Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte Digitalpolitik für das Gemeinwohl: Recht auf Internet
> Die Macht von Netzunternehmen wächst. Selbst linker Aktivismus braucht
> Facebook. Zeit für eine digitale Infrastruktur in öffentlicher Hand.
Bild: „Wer Facebook nutzt, betritt das Wohnzimmer von Mark Zuckerberg“
Die Situation ist uns allen vertraut: Man ist zum ersten Mal zu Besuch bei
netten, aber noch fremden Leuten und nimmt Notiz von den noch unvertrauten
Regeln, die bei ihnen zu Hause gelten. Behalte ich die Straßenschuhe an
oder schlüpfe ich in die freundlich bereitgestellten Hausschlappen? Darf im
Wohnzimmer geraucht werden oder muss ich mich zu den andern frierenden
Besuchern auf den eisigen Balkon stellen?
Ob mir die Wünsche der Gastgeber nun gefallen oder nicht, eines ist klar:
Die Höflichkeit gebietet zunächst einmal, ihnen zu folgen. Schließlich
bewege ich mich in ihrer Privatsphäre und nicht in einem Park oder einer
öffentlichen Straße, in denen die Gesetze eines Landes gelten. Ganz ähnlich
verhält es sich bei den Angeboten von kommerziellen Plattformen im
Internet.
[1][Wer Facebook nutzt, betritt das Wohnzimmer von Mark Zuckerberg], sagt
die Medienwissenschaftlerin Stefania Milan von der Universität Amsterdam.
Das Bild trifft die Realität. Was auf den Seiten sozialer Netzwerke
geschieht, bestimmen nicht die Nutzer, sondern die Unternehmenseigner und
Aktionäre.
Wir müssen uns daher auch nicht darüber wundern, dass [2][harmlose
Nacktfotos aus dem Netz verschwinden], jeder unserer Schritte ausgeforscht
und die so gewonnenen Verhaltensdaten den Unternehmen ihre intransparenten
Geschäften mit Werbekunden ermöglichen. Diese Daten sind so wichtig für das
Geschäftsmodell von Facebook und Co, dass die Internetgiganten Heerscharen
von Leuten beschäftigen, die uns Nutzer von den Bedienfunktionen ihrer
Seiten geradezu abhängig machen sollen. Je besser sie uns kennen, desto
besser fürs Geschäft. Mit dem Schutz der Privatsphäre stehen diese
Unternehmen auf dem Kriegsfuß.
## Facebook und Co sind schwer zu meiden
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff von der Harvard Business
School hat dafür den [3][Begriff „Überwachungskapitalismus“ geprägt].
Dessen ungeheure Wachstumsdynamik hat Monopolunternehmen hervorgebracht,
die weniger innovativ sind, als die Bewunderer des Silicon Valley
behaupten. Häufig bremsen sie den freien Wettbewerb um die beste Lösung für
bessere Produkte, indem sie mögliche künftige Konkurrenten in einem
möglichst frühen Stadium aufkaufen.
Innerhalb von wenigen Jahren und Jahrzehnten sind aus kleinen kreativen
Start-ups gigantische Konzerne geworden, die ihre enorme ökonomische Macht
mittels Stiftungen und Sponsoring in gesellschaftlichen Einfluss umzumünzen
verstehen. Demokratische Regierungen und Kartellbehörden sind von der
ungeheuren Wachstumsdynamik der Internetökonomie überrascht worden.
Wie weit die Macht der Internetgiganten heute reicht, wird schon daran
deutlich, dass selbst der linke Aktivismus, wenn er eine größere Zahl von
Menschen erreichen will, um die Nutzung von Facebook oder WhatsApp kaum
herumkommt. Unterdessen scheint die Gesetzgebung der Herausforderung durch
den sich rasch verändernden digitalen Kapitalismus beinahe hoffnungslos
hinterherhinken zu müssen.
## Über Eigentumsverhältnisse nachdenken
Wer daran etwas ändern will, muss zunächst einmal begreifen, dass die
Datengier der Plattform-Riesen keine Abweichung von einem ansonsten
akzeptablen Geschäftsmodell ist. Vielmehr handelt es sich um einen
Systemfehler, der nur durch grundlegende Strukturreformen behoben werden
kann. Unternehmen, die eine für uns alle unverzichtbare digitale
Infrastruktur bereitstellen, dürfen sich nicht nach den Zielvorgaben von
Risikokapitalgebern ausrichten.
Die von ihnen gewonnenen Verhaltensdaten sind zu wertvoll, um sie privaten
Unternehmen zu überlassen, die sich auf Kosten unserer Freiheit bereichern
wollen. Dem Verwertungsinteresse des privaten Risikokapitals in der
Digitalwirtschaft muss ein Riegel vorgeschoben werden. Wer aber eine
Alternative zum Modell des Silicon Valley entwickeln will, muss über die
Veränderung der Eigentumsverhältnisse reden.
Ein interessanter Vorstoß in diese Richtung stammt nicht etwa aus den
Reihen revolutionär gesinnter Altlinker oder marxistischer Theoretiker,
sondern von einer Gruppe privater Unternehmer, die sich um das Gemeinwohl
sorgen. Armin Steuernagel, Till Wagner und Benjamin Böhm von der
Arbeitsgemeinschaft Unternehmen in Verantwortungseigentum fordern die
Einführung einer neuen Rechtsform für Unternehmen, die mehr
unternehmerische Freiheit als das vorhandene Stiftungsrecht ermöglicht,
diese aber gleichwohl dem Gemeinwohl verpflichtet.
## Kontrolle digitaler Infrastrukturen
An die Stelle des Kapitaleigentums soll das sogenannte
Verantwortungseigentum treten. Den Eigentümern bleiben verkäufliche oder
vererbbare Anteile an den Unternehmen und das Recht auf Gewinnausschüttung
verwehrt. Die Gewinne kommen den Beschäftigen zugute oder müssen
reinvestiert werden. Dadurch wäre garantiert, dass die Orientierung am
Gemeinwohl den Zielen privater Eigentümer vorgeordnet bleibt.
Dieser Vorstoß weist in die richtige Richtung. Doch darf auch die
Vergesellschaftung der Internetgiganten kein Tabuthema mehr sein. Da
digitale Plattformen in modernen Gesellschaften als Infrastruktur
unverzichtbar geworden sind, gehören sie nicht in die Hand von [4][privaten
Monopolisten, die am Profit orientiert sind]. Stattdessen brauchen wir eine
digitale Infrastruktur, die sich in öffentlicher Hand befindet und
demokratisch kontrolliert wird. Dazu müsste ein neuer Typus öffentlicher
Institutionen aufgebaut werden, der die private Aneignung von Gewinnen
verhindert, ohne den Durchgriff der Exekutive zuzulassen.
Das fordern IT-Experten wie Rainer Fischbach schon seit Jahren. Die
Realisierung eines öffentlich-rechtlichen Sektors im Bereich der sozialen
Medien muss die vordringliche Aufgabe einer fortschrittlichen Medienpolitik
werden. Die Linke könnte das Thema dazu nutzen, um mit innovativen
Vorschlägen in die Offensive zu kommen und ein parteiübergreifendes
Reformprojekt zu entwickeln. Packen wir es an!
6 Jan 2019
## LINKS
[1] /Facebook-dealt-mit-Daten/!5560277
[2] /Brueste-auf-Facebook/!5039957
[3] /Google-Besetzung-in-Berlin/!5534051
[4] /Kommentar-USA-und-Netzneutralitaet/!5467582
## AUTOREN
Thomas Wagner
## TAGS
Netzpolitik
Internetnutzung
Netzsicherheit
Social Media
Unternehmen
EU-Kommission
Axel Springer
Schwerpunkt Meta
Digitalpakt
Schwerpunkt Meta
Schwerpunkt Meta
WhatsApp
Datenschutz
Gelbwesten
Datenschutzgrundverordnung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue Unternehmensform gefordert: Wirtschaften jenseits von Profiten
Wirtschaftsverbände wollen eine neue Unternehmensform. Damit sollen Gewinne
im Unternehmen bleiben. Denn momentan kann das kompliziert werden.
EU-Pläne für Big-Tech-Regulierung: Großes, kleines Internet
Es ist richtig, dass die EU-Kommission Monopole im Internet verhindern
will. Aber der Lobbydruck der Konzerne wird enorm sein.
Axel-Springer-Award an Shoshana Zuboff: Trophäe der Ausgewogenheit
Shoshana Zuboff erhält den Axel-Springer-Award. Sie ist eine Forscherin,
mit der man sich im Verlagshaus sehr gut arrangieren kann.
Datenschutz: Facebook-Skandal – die nächste
Es vergeht kaum eine Woche, an dem das Online-Netzwerk nicht in die
Schlagzeilen gerät. Offenbar fehlt die Kontrolle über jeglichen Datenfluss
Kommentar Digitalisierung an Schulen: Tablets machen nicht klüger
Der Digitalpakt nützt derzeit vor allem der IT-Branche. Pädagog*innen
müssen einen kritischen Umgang mit Medien vermitteln können.
Kommentar Kartellamt und Facebook: Jetzt braucht es Kontrolle
Indem das Kartellamt Facebook Vorgaben macht, verbindet es Datenschutz mit
Wettbewerb. Gut so. Das stärkt die NutzerInnen.
Kolumne Der Zuckerberg | Teil 23: Vergebliche Hassesmühe
Bei Facebook hetzen Männer wütend gegen die „Genderlüge“. Der einzige Weg
damit umzugehen, ist, die Kommentare zu ignorieren.
Whatsapp schränkt Weiterleitungen ein: Don't kill the messenger
WhatsApp verschärft die Regeln zur Weiterleitung von Nachrichten. Vorbild
ist Indien, wo Fake-News für Panik und Selbstjustiz sorgen.
Kommentar Datenschutz in Deutschland: Zu Unrecht gelobt
Anstatt sich vehement für einen stärkeren Datenschutz einzusetzen, trödelt
Deutschland absichtlich. Denn: Wir wollen uns den guten Ruf ruinieren.
Kommentar Facebook und die Gelbwesten: Gute Revolte, schlechte Revolte
Facebooks Algorithmus soll die Gelbwesten-Proteste angefeuert haben. Das
Unternehmen wird nun dafür gescholten – warum eigentlich?
taz-Serie Datenschutz in der EU: Vergiss mich, Internet!
Firmen müssen künftig Daten löschen, wenn Kunden das möchten. Aber ob und
wie das umgesetzt wird, entscheiden wohl Gerichte.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.