# taz.de -- Axel-Springer-Award an Shoshana Zuboff: Trophäe der Ausgewogenheit | |
> Shoshana Zuboff erhält den Axel-Springer-Award. Sie ist eine Forscherin, | |
> mit der man sich im Verlagshaus sehr gut arrangieren kann. | |
Bild: Shoshana Zuboff (2.v.r.), Verlegerin Friede Springer (r.), Ursula von der… | |
Vor einem Jahr begrüßte eine Gewerkschaftsdemonstration in der Berliner | |
Axel-Springer-Straße den Preisträger des Axel-Springer-Awards, Amazon-Chef | |
Jeff Bezos. Die inzwischen schon legendär dystopischen Arbeitsbedingungen | |
in den Versandzentren seines Konzerns waren Grund genug für dieses | |
öffentliche Interesse. | |
Am Donnerstagabend, bei der inzwischen vierten Verleihung des Preises, | |
hingegen war es eher still vorm Hauptquartier des Axel-Springer-Verlags. | |
Die amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin und emeritierte | |
BWL-Professorin Shoshana Zuboff weckt offenbar nicht so viele Emotionen. | |
Ihr Werk, bestehend aus Beiträgen, die sich mit den Folgen der | |
datengetriebenen Ökonomie befassen, ist dennoch durchaus scharfer Kritik | |
ausgesetzt. Bemängelt wird an ihrem Opus magnum, dem 2018 erschienen und | |
weit rezipierten Buch [1][„Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“], | |
vor allem die darin entwickelte Idee einer völlig neuen Form des | |
Kapitalismus, getragen von den großen Internetkonzernen. | |
Während die kritikwürdigen Phänomene des Kapitalismus im digitalen | |
Zeitalter von ihr korrekt beschrieben würden, [2][fehlt Zuboff nach Ansicht | |
von Kritiker*innen wie dem Publizisten Evgeny Morozov] das Verständnis oder | |
der Wille, die prinzipiellen Wirkungsmechanismen der Ökonomie zu beachten. | |
## Sehr ausführlich – bis auf die Kapitalismuskritik | |
So entstünde ein bisschen akademische Dramatik mit griffigen Schlagworten, | |
jedoch ohne weiteren politischen oder wissenschaftlichen Nutzen. Letztlich | |
wird Zuboff der verkürzten Kapitalismuskritik geziehen. Kurz ist ansonsten | |
nichts bei ihr, das Buch hat über 700 Seiten – eine Menge Holz, um ein paar | |
banale Beobachtungen breitzutreten. | |
Hinreichend beeindruckend ist das jedoch für den Vorstand der Axel Springer | |
SE und die Laudatorin Ursula von der Leyen. Die Präsidentin der | |
EU-Kommission ließ es sich nicht nehmen, zum festlichen Anlass im | |
Journalistenclub von Axel Springer die üblichen Stanzen vom | |
Technologiestandort Europa und notwendiger Innovation zur Kenntnis zu | |
geben. | |
Die Verleihung des Preises an Shoshana Zuboff, die laut von der Leyen „den | |
[digitalen] Wandel kritisch begleitet“, entbehrt nicht einer gewissen | |
Ironie. Mit Bezos und Mark Zuckerberg gehören schließlich zwei der bisher | |
drei Preisträger zu den größten Profiteuren des vorgeblich so nachdrücklich | |
kritisierten Phänomens Überwachungskapitalismus. | |
Neben dem WWW-Erfinder Tim Berners Lee, der den Preis 2017 erhalten hat, | |
wird Zuboff so zur Trophäe der Ausgewogenheit in der Springer-Sammlung: | |
Eine Kritikerin, mit der man sich ohnehin gut arrangieren kann. Gilt doch | |
ihre Kritik nicht dem Kapitalismus und seinen Zumutungen als ganzem, | |
sondern vor allem einem ganz bestimmten Geschäftsmodell: einem | |
Geschäftsmodell, das Springer-Chef Mathias Döpfner nicht müde wird, als | |
Bedrohung für die klassische Verlagstätigkeit anzugreifen. | |
Das Bündnis zwischen der BWLerin und dem Medienkonzern ist für diesen | |
derweil nicht nur ideologisch recht kommod, sondern auch sonst eher | |
preisgünstig: Der Axel-Springer-Award ist undotiert. | |
8 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wirtschaft-gesellschaft/wirtsch… | |
[2] https://thebaffler.com/latest/capitalisms-new-clothes-morozov | |
## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
## TAGS | |
Axel Springer | |
Jeff Bezos | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Netzpolitik | |
Online-Journalismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Trotz Protesten bei US-Tech-Konzernen: Weiter mit den Ölschleudern | |
Trotz Protesten von Mitarbeitern und Umweltschützern: Google, Amazon & Co | |
wollen weiter mit der Ölindustrie zusammenarbeiten. | |
Debatte Digitalpolitik für das Gemeinwohl: Recht auf Internet | |
Die Macht von Netzunternehmen wächst. Selbst linker Aktivismus braucht | |
Facebook. Zeit für eine digitale Infrastruktur in öffentlicher Hand. | |
Digital-Projekte der Berliner Morgenpost: „So etwas interessiert einfach jede… | |
Der „Berliner Morgenpost“ heftet ein konservatives bis provinzielles Image | |
an. Doch ihr Interaktiv-Team erhält einen Preis nach dem anderen. |