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# taz.de -- Teilrücknahme der Justizreform in Polen: Regierung gibt nach, aber…
> Die regierenden Nationalpopulisten ziehen die Zwangsverrentung der
> Obersten Richter zurück. Doch das „Justiz-Reformwerk“ wird nicht
> gestoppt.
Bild: „Verfassung!“ Protest gegen die Zwangsverrentung der Obersten Richter…
Warschau taz | Nun sind sie plötzlich keine „gemeinen Verbrecher“ mehr,
keine „außergewöhnliche Kaste“ und auch keine „Kommunisten“ mehr: die
Richter des Obersten Gerichts in Polens. Monatelang waren sie in Polen
verunglimpft worden.
Um hohen Strafgeldern des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg zu
entgehen, verabschiedeten Polens regierende Nationalpopulisten im gewohnten
Turbotempo ein Gesetz, das die Zwangspensionierung von 27 Obersten Richtern
rückgängig machen soll. Damit kommt Polen einer [1][einstweiligen Verfügung
des EuGH nach]. Doch die Opposition in Polen wie auch viele Richter halten
den Rückzug der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nur für ein
taktisches Manöver.
Ein Nachgeben in der Rentenfrage soll die Europäische Kommission dazu
bewegen, die Klage gegen Polen vor dem EuGH zurückzuziehen, so dass es am
Ende keinen Schuldspruch, ja nicht einmal ein Urteil geben würde.
Ziel der PiS ist es, vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019
den schon drei Jahre lang schwelenden Konflikt mit der EU abzumildern. Dazu
dient auch die inzwischen siebte Gesetzesnovelle zum Obersten Gericht, die
Andrzej Duda, Polens Präsident und eigentlicher Autor des
Zwangs-Verrentungs-Gesetzes noch unterschreiben muss.
## Gutes EU-Mitglied
Die PiS will mit der Novelle der eigenen Wählerschaft zeigen, dass sie sich
das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lässt, als gutes
EU-Mitglied aber natürlich die Urteile bzw. die einstweilige Verfügung des
EuGH in Luxemburg respektiert und in polnisches Recht umsetzt.
Dabei soll in Vergessenheit geraten, dass Polens Justizminister und
Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro vom polnischen Verfassungsgericht
klären lassen wollte, ob das EU-Recht höherrangig als das nationale Recht
sei, Polen also tatsächlich Urteile des EuGH umsetzen müsse. Die
Gesetzesnovelle soll auch verschleiern, dass die Richter, die Opfer der
Säuberungswelle werden sollten, schon vor gut einem Monat auf ihre Posten
zurückkehrten und seitdem Urteile sprechen.
Denn der EuGH-Beschluss vom 19. Oktober 2018 hob bereits die
Zwangspensionierung der 65- bis 70jährigen Richter am Obersten Gericht
rückwirkend auf. Laut Krzysztof Raczka, Rechts-Professor an der Universität
Warschau und Richter am Obersten Gericht, ist die Gesetzesnovelle der
polnischen Regierung völlig unnötig, da der EuGH-Beschluss bereits neues
Recht geschaffen habe.
„Die Teilrücknahme der Justiz-Reform ist zwar ein Schritt in die richtige
Richtung“, sagt Grzegorz Schetyna, der Vorsitzende der
liberal-konservativen Oppositionspartei Bürgerplattform (PO), „doch sie
löst das eigentliche Problem nicht: die Demontage des gesamten polnischen
Rechtssystems, das mit der Entmachtung des Verfassungsgerichts begonnen
hat.“
Vize-Justizminister Michal Wojcik von der PiS bestätigt die Analyse
Schetynas, wenn auch aus anderer Perspektive: „Wir werden unser großes
Justiz-Reformwerk zu Ende führen“, sagte er in einem Fernsehinterview. „Wir
hissen hier nicht die weiße Fahne!“
23 Nov 2018
## LINKS
[1] /EuGH-Anordnung-zu-Polens-Justizreform/!5544480
## AUTOREN
Gabriele Lesser
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