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# taz.de -- Wahlkampf in Polen: Frühlingsgefühle an der Weichsel
> Der charismatische Politiker Robert Biedroń will mit seiner neuen Partei
> „Frühling“ bei den diesjährigen EU- und Nationalwahlen punkten.
Bild: Das alte System aufmischen: der Gründer der neuen Partei „Frühling“…
Warschau taz | Robert Biedroń ist ein Politiker, der mit seinem Charisma
problemlos 7.000 Menschen in seinen Bann schlagen kann. „Wiosna“ (Frühling)
heißt die Partei, die er am Sonntag in Polens Hauptstadt Warschau aus der
Taufe hob. Während es draußen schneite, zog sich der 42-Jährige in der
vollen Torwar-Konzerthalle das schwarze Jackett aus und schüttelte
Hunderten Menschen die Hände.
Ein Meer von blauen EU- und weiß-roten Polen-Fahnen wogte über den Köpfen,
dazwischen hier und da auch die Regenbogenfahne der Schwulen- und
Lesbenbewegung sowie Transparente mit den Ortsnamen der angereisten
Biedroń-Fans. „Wir wollen keinen polnisch-polnischen Krieg“, ruft er. „W…
wollen Dialog und gegenseitigen Respekt. Es war lange genug Winter in
Polen. Es ist Zeit für den Frühling!“
Parteigründungen sind nichts Seltenes in Polen. Es ist Tradition, dass sich
das politische Spektrum ein paar Monate vor den nächsten Wahlen neu
sortiert. Wenig erfolgreiche Parteien zerfallen, andere entstehen neu. Nach
dem Bäumchen-wechsel-dich-Spiel suchen sich viele Politiker eine neue
Partei.
Robert Biedroń ist da keine Ausnahme. Der aus dem Karpatenvorland stammende
Politologe und LGBT-Aktivist schloss sich 2002 der Links-Allianz (SLD) an,
wechselte 2010 zur antiklerikalen Palikot-Bewegung und kam 2011 als erster
sich schwul bekennender Abgeordneter ins polnische Parlament. 2014 startete
Biedroń als unabhängiger Kandidat bei den Bürgermeisterwahlen der
92.000-Einwohner-Stadt Słupsk in Hinterpommern nahe der Ostsee. Fortan war
er einer der bekanntesten Lokalpolitiker Polens.
## Perfekte Show
Doch der Ehrgeiz zieht ihn zurück nach Warschau. „Ich will polnischer
Premier werden“, verkündet Biedroń seit Kurzem in Talkshows. Die perfekte
Show im amerikanischen Stil, das gut durchdachte Programm mit Forderungen
nach einem höheren Mindesteinkommen, einer Grundrente in Höhe von
mindestens 400 Euro, einer besseren medizinischen Versorgung überraschte
viele politische Beobachter.
Dass Biedroń auch eine strikte Trennung von Staat und Kirche fordert, ein
Abtreibungsrecht für Frauen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche und die
Aufhebung der sogenannten „Gewissensklausel“ für Ärzte und Apotheker,
erstaunt kaum jemanden.
In den letzten drei Jahren, in denen die allein regierende
rechtspopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) immer mehr
Freiheitsrechte eingeschränkt hat, gingen immer wieder Zehntausende Frauen
gegen die PiS-Moral auf die Straßen.
„Polen ist eine Frau“, ruft Biedroń den knapp 7.000 Gästen in Warschau zu.
„Wenn sie leidet, leiden wir alle mit!“ Als neue Partei, die ab Montag in
den Wahlkampf zu den EU-Wahlen im Mai startet, hat Biedrońs „Frühling“
große Chancen, einige Kandidaten für das EU-Parlament durchzubringen. Auch
in der nationalen Politik sieht es gut aus. Umfrageinstitute gehen von 6
bis 10 Prozent der Stimmen aus, sollten am nächsten Sonntag Wahlen sein.
## Am Programm feilen
Bis zum Oktober kann Biedron also noch an seinem Programm feilen,
insbesondere außen- und sicherheitspolitische Richtlinie formulieren, die
Energiepolitik samt Ausstieg aus der Kohle genauer darlegen und auf die
Sorgen der polnischen Bauern eingehen.
Mit dem Vorwurf, die bisherige Opposition zur PiS mit seiner
Parteien-Neugründung zu schwächen, muss Biedron vorerst leben. Denn
zunächst muss sich der „Frühling“ in Polens Parteienlandschaft profiliere…
Erst wenn das geschafft ist, stellt sich für Biedron ernsthaft die Frage
nach einer großen Anti-PiS-Koalition.
4 Feb 2019
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Robert Biedron
Polen
PiS
Wahlkampf
Homosexualität
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Kohle
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