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# taz.de -- Polens Regierungspartei PiS wechselt Kurs: Plötzlich proeuropäisch
> Polens Regierungspartei PiS gibt sich auf einmal EU-freundlich. Die
> Opposition vermutet, dass das auf eine baldige Neuwahl hindeutet.
Bild: Premier Mateusz Morawiecki entdeckt Polens Herz für Europa
Warschau taz | „Wir sind das schlagende Herz Europas“, rief Polens Premier
Mateusz Morawiecki kürzlich auf der Konferenz der
[1][nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS)]
den überraschten Mitgliedern zu. Bislang war die EU für die PiS-Ideologen
nur eine „imaginäre Gemeinschaft“. Mit den EU-Zuschüssen habe das Land
gerade mal die „Bürgersteige ausbessern“ können, hieß es. Nun also die
große Wende?
Da die meisten Polen EU-begeistert sind, hören sie diese Botschaft der PiS
nur allzu gerne. Doch liberale wie linke Oppositionelle in Polen vermuten
etwas anderes: Der Kurswechsel könnte auf vorgezogene Parlamentswahlen im
März 2019 hindeuten.
Denn die planmäßig im Herbst 2019 stattfindenden Wahlen könnten die
EU-skeptische PiS viele Stimmen kosten. Bis dahin nämlich könnte die
Mogelpackung auffliegen; die Wähler ihr den plötzlichen Kurswechsel zu
einer proeuropäischen Partei nicht abkaufen.
Schon jetzt zweifeln manche am Wandel: In der Warschauer
Wirtschaftshochschule SGH amüsiert sich die 24-jährige Dagmara über eine
Karikatur des PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczyński. Vor gut einem Jahr hatte
Kaczyński Spott auf sich gezogen, als er in patriotischem Übereifer ein
weiß-rotes National-Regencape angezogen hatte. Dagmara zeigt Kommilitonen
die Karikatur auf ihrem Smartphone: Kaczyński im EU-Regencape, der fragt:
‚So besser?‘ Grinsend sagt Student Jan: „Das halten die nie durch! Fünf
Monate lang ‚Herz Europas‘ spielen!“
## Kein „Polexit“ geplant – oder doch?
Davon abgesehen könnte auch der Brexit im März 2019 für die PiS negative
Folgen haben. Angeblich [2][plant die PiS keinen Polexit], doch viele
Oppositionspolitiker sind sich da nicht so sicher. Zudem belastet Warschau
der Dauerstreit mit der EU um die Rechtsstaatlichkeit im Land. Es ist auch
vorherzusehen, dass die Europawahl im Mai 2019 Signalwirkung für die
anschließenden nationalen Wahlen in Polen haben werden. Es sei denn, es
kommt zu vorgezogenen Neuwahlen.
Polens Präsident Andrzej Duda könnte den Sejm, das polnische
Abgeordnetenhaus, vorzeitig auflösen, wenn es den Haushalt für das nächste
Jahr nicht rechtzeitig verabschiedet. Auf genau diese Situation steuert das
politische Polen gerade zu. Das bereits im September von der Regierung im
Sejm eingereichte Budgetgesetz hängt in einem Fachausschuss fest.
## Viele Befürworter vorgezogener Neuwahlen
Nach den Weihnachtsferien müssten die Abgeordneten das Gesetz innerhalb von
drei Tagen verabschieden, da Polens Präsident sonst die Wahlperiode des
Parlaments kürzen könnte. Auch der Senat, die zweite Kammer des Parlaments,
muss in diesen drei Tagen über das Budgetgesetz abstimmen. Viel Zeit für
Nachbesserungen bleibt da nicht mehr.
Tatsächlich, so berichten die linksliberale Gazeta Wyborcza und die
konservative Rzeczpospolita, soll es in der PiS und der
rechtsanarchistischen Bewegung Kukiz’15 entschiedene Befürworter für
vorgezogene Wahlen geben. Denn für März wird auch ein weiteres Urteil des
Europäischen Gerichtshofes (EuGH) gegen Polen erwartet, das Teile des
umfassenden Umbaus des polnischen Gerichtssystems für unvereinbar mit
EU-Recht erklären könnte.
Vorgezogene Wahlen würden es auch neuen Parteien schwer machen, rechtzeitig
Strukturen im ganzen Land aufzubauen. Keine Chance hätten dann die
linksliberale Partei [3][des populären Ex-Bürgermeisters von Slupsk, Robert
Biedron], aber auch die rechte Bewegung Wahres Europa, die der PiS
gefährlich werden könnte. Noch aber scheint sich der PiS-Parteichef
Jaroslaw Kaczyński alle Optionen offenzuhalten. Die Entscheidung soll Mitte
Januar fallen, behaupten Beobachter.
27 Dec 2018
## LINKS
[1] /Essay-Politische-Kultur-in-Polen/!5446757
[2] /Kommentar-Polen-nach-der-Tusk-Wahl/!5391138
[3] /Kommunalwahlen-in-Polen/!5027309
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
PiS
Mateusz Morawiecki
Jarosław Kaczyński
Europäische Union
Opposition
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