# taz.de -- Eine Stadt gedenkt ihres Bürgermeisters: Danzig gegen den Hass | |
> Zehntausende tragen den ermordeten Bürgermeister Pawel Adamowicz zu | |
> Grabe. Sie demonstrieren politischen Anstand. | |
Bild: Es kommt einer politischen Demonstration gleich: Zehntausende gedenken ih… | |
Danzig taz | In Danzig stehen an diesem Samstag um zwölf Uhr mittags | |
Zehntausende Menschen vor großen Videoleinwänden. Sie sind stumm und wie | |
erstarrt. Von der Ostsee her weht eine kalte Brise in die Stadt. Der Himmel | |
ist azurblau. Plötzlich brausen gewaltige Orgelfanfaren durch den Langen | |
Markt, die Prachtstraße der wiederaufgebauten Altstadt. Sekunden später | |
heulen Sirenen auf. Sie erinnern an [1][Paweł Adamowicz], den wenige Tage | |
zuvor ermordeten Bürgermeister von Danzig. | |
Unwillkürlich rücken die drei Freunde Inka Niemczewska (49), Anna Kosmala | |
(47) und Piotr Nowak (47) vor der Leinwand am Grünen Tor nahe dem Langen | |
Markt enger zusammen. Aus der benachbarten Marienkirche wird die | |
Trauerfeier übertragen – mit den aufrüttelnden Appellen der Witwe und enger | |
Freunde Adamowicz’, endlich das Schweigen gegenüber Hass und Hetze zu | |
brechen. | |
Der Hass: Da werden Oppositionsabgeordnete im Parlament als | |
„Verräterfressen“ und „Kanaillen“ bezeichnet, und das vom Vorsitzenden… | |
regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jarosław Kaczyński. Von | |
„Totalitären“ ist die Rede, wenn es gegen liberale Kräfte geht. | |
Beleidigungen prasseln auf diejenigen Polen nieder, die schlicht die | |
Verfassung des Landes Polens verteidigen: Sie seien „Polen der übelsten | |
Sorte“, „Päderasten“, „Verbrecher“, ein „tierisches Element“, | |
„Agenten-Witwen“ und „bolschewistische Ungeheurer“. | |
Nahezu jeder Versuch, dieser sprachlichen Verrohung etwas entgegenzusetzen, | |
ging zuletzt in Hohngelächter und der Drohung unter, dass die heute | |
Regierenden keine „Political Correctness“ mehr zulassen würden, wie sie im | |
„moralisch verfaulenden Westen“ üblich seien. | |
## „Jeder von uns könnte da drin liegen“ | |
Einer, der sich bis zuletzt wehrte, war Danzigs Bürgermeister Paweł | |
Adamowicz. Auch in anderen Städten verfolgen deshalb Tausende Menschen bei | |
eisigen Temperaturen die Trauerfeier auf Videoleinwänden. „In diesen Tagen | |
sind wir alle solidarisch mit Danzig“, erklärt ein junger Mann auf dem | |
Warschauer Schlossplatz gegenüber dem Privatsender TVN24 „Es hätte doch | |
genauso gut unseren Bürgermeister treffen können oder den in Posen, Krakau, | |
Breslau, Białystok, Lublin. Der Hass ist überall.“ | |
„Wir tragen Paweł in diesem Sarg, aber jeder von uns könnte dort drin | |
liegen“, sagt am Freitagabend der Oberbürgermeister von Posen, Jacek | |
Jaśkowiak. Sechs polnische Oberbürgermeister heben den Sarg in die | |
Basilika. In Danzig kommen über 300 Kommunalpolitiker zusammen, | |
Oberbürgermeister und Bürgermeister sowie die Vorsitzenden der Stadträte. | |
„Wir werden die Verachtung der Regierenden uns gegenüber nicht weiter | |
hinnehmen“, sagt Jaśkowiak. „Wir Kommunalpolitiker werden künftig auch | |
Aufgaben übernehmen, die die Regierung schleifen lässt.“ | |
In Polen hat zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre ein angeblich | |
„Verrückter“ einen Anschlag verübt, kein Ausländer, Immigrant oder gar | |
Flüchtling, vor denen die [2][nationalpopulistische Regierungspartei PiS] | |
immer wieder gewarnt hat, sondern ein katholischer Pole. 2013 hatte ein bis | |
dahin völlig unauffälliger Taxifahrer Marek Rosiak, den Assistenten eines | |
EU-Abgeordneten, erschossen. | |
[3][Vor einer Woche] erstach ein 27-Jähriger Arbeitsloser den überaus | |
populären Danziger Bürgermeister Paweł Adamowicz. Dessen frühere Partei, | |
die liberalkonservative Bürgerplattform (PO), habe ihn „unschuldig“ ins | |
Gefängnis geworfen und sogar „gefoltert“, lautete seine wirre Begründung. | |
Der Hass hatte erneut ein Opfer gefunden. | |
## Leises Schluchzen legt sich über den Platz | |
„Ich habe so viel geweint, dass ich keine Tränen mehr habe“, sagt die | |
Danzigerin Inka Niemcewicz leise. Ihre dunkelblonden Haare stecken unter | |
einer schwarzen Wollmütze. „Ich bin seit letzten Sonntag wie betäubt, kann | |
immer noch nicht fassen, dass unser Bürgermeister nicht mehr lebt. Wir | |
haben ihn doch gerade erst wiedergewählt. Er hatte noch so viele Pläne für | |
Danzig.“ Sie schließt die Augen und lässt die von einem Chor gesungenen | |
Psalmen auf sich wirken. | |
Piotr Nowak und die extra zur Trauerfeier aus Warschau angereiste Anna | |
Kosmala tun es ihr gleich. Hin und wieder mischt sich ein leises Schluchzen | |
in die Musik, die über ganz Danzig hinwegzustreichen scheint. Anna Kosmala, | |
eine Juristin mit eigener Kanzlei, flüstert: „Das tut gut“. Der | |
Computerexperte Piotr Nowak stimmt ihr kaum hörbar zu: „Ja. Es ist wie | |
Balsam.“ Die drei Freunde sind nicht übermäßig religiös. Viele in der Men… | |
aber falten die Hände, bekreuzigen sich und beten. | |
Die Kameras in der Marienkirche zeigen immer wieder die Witwe Magdalena | |
Adamowicz (45) und ihre beiden Töchter Antonina (15) und Teresa (9), | |
außerdem die Gesichter vieler Freunde der Familie, darunter Lech Wałęsa, | |
der in den 1980er Jahren als Anführer der Gewerkschafts- und | |
Freiheitsbewegung Solidarność entscheidend zum Fall des kommunistischen | |
Systems beigetragen hatte. Auch Basil Kerski ist unter den Trauernden, der | |
Direktor des Europäischen Solidarność-Zentrums Polens hinter dem | |
historischen Tor „Stocznia Gdańska – Danziger Werft“. | |
## Jarosław Kaczyński fehlt | |
Hier war am Tag zuvor der Sarg aufgebahrt worden. Zehntausende hatten | |
Wartezeiten von bis zu fünf Stunden in Kauf genommen, um sich von | |
Bürgermeister Adamowicz, der die Stadt mehr als 20 Jahre lang regiert | |
hatte, zu verabschieden. Selbst weit nach Mitternacht und bei Schneeregen | |
reihten sich noch Menschen in die lange Schlange ein. Aus Brüssel war | |
EU-Ratspräsident Donald Tusk angereist, ehemaliger Premier Polens und | |
überzeugter Danziger. Aus Deutschland nahm Altbundespräsident Joachim Gauck | |
teil. Auch Polens Staatspräsident Andrzej Duda, der Premier Mateusz | |
Morawiecki und einige Minister waren anwesend. | |
Nicht gekommen war hingegen Jarosław Kaczyński, der PiS-Vorsitzende und | |
mächtigste Mann Polens. Es schien ihn allerdings kaum jemand zu vermissen. | |
Nur zu deutlich stand vielen Danzigern die jahrelange Hetzkampagne gegen | |
den ermordeten Adamowicz von Politikern dieser Partei und ihnen | |
nahestehenden Journalisten vor Augen. | |
Bei der Beerdigung am Samstag stimmt der Chor die Nationalhymne Polens an: | |
„Noch ist Polen nicht verloren“. In der Basilika stehen alle auf, während | |
auf den Straßen Danzigs vor den Videoleinwänden die Männer ihre Hüte und | |
Mützen abnehmen. Ein Zeichen der Wertschätzung für den eigenen Staat, auch | |
wenn kaum einer eine weiß-rote Flagge dabei hat. Es herrscht das | |
Stadtwappen Danzigs vor – die goldene Jagiellonen-Krone auf rotem Grund mit | |
den beiden goldenen Kreuzen darunter. Niemand hat den schwarzen Trauerflor | |
vergessen. | |
## Der Erzbischof stößt auf Widerspruch | |
Als Erzbischof Sławoj Leszek Głódź seine Predigt beginnt, werden die | |
Menschen vor der Videoleinwand am Grünen Tor unruhig. „Was soll das?“, ruft | |
ein Mann empört. „Smolensk gehört hier nun wirklich nicht hin!“ Tatsächl… | |
hält der Erzbischof eine nur vermeintlich versöhnliche Predigt. In der | |
Marienkirche, so Głódź, würden Personen beigesetzt, die sich für Polen und | |
Danzig verdient gemacht hätten und durchaus auch gegnerischen politischen | |
Lagern angehören konnten. | |
Es folgt ein ausführliches Lob auf den PiS-Politiker Maciej Płażyński, der | |
beim Flugzeugunglück von 2010 zusammen mit dem damaligen Präsidenten Lech | |
Kaczyński und weiteren 94 Menschen ums Leben gekommen war. Es wirkt | |
deplatziert – auch angesichts des noch nicht lange zurückliegenden | |
Wahlkampfs, bei dem der Sohn des damals Umgekommenen mit Hetzparolen gegen | |
Adamowicz zu punkten versuchte. | |
Piotr Nowak ist empört: „Das darf doch nicht wahr sein! Gegen den Sarkophag | |
für Płażyński und das Smolensk-Denkmal in der Basilika haben die Danziger | |
genauso protestiert wie die Krakauer gegen den Sarkophag für Lech und Maria | |
Kaczyński in der Königsgruft des Wawels. Das haben die PiS und die | |
katholische Kirche miteinander ausgekungelt.“ | |
## Bunte Herzen statt Flaggen | |
Je länger die Predigt des Erzbischofs andauert, desto unruhiger werden die | |
Menschen vor den Videoleinwänden. Głódź mahnt erzkonservative Werte wie die | |
katholische Familie an, zu der die Polen zurückkehren sollten. Er kommt auf | |
die Rollen von Frauen und Männern in der Gesellschaft zu sprechen, die in | |
der göttlichen Ordnung so vorgesehen seien. Da reißt vielen Zuhörern der | |
Geduldsfaden. „Lasst uns zur nächsten Videoleinwand gehen!“, sagt Piotr | |
Nowak. „Bis dahin ist die Predigt von Głódź hoffentlich vorbei.“ Da sich | |
etliche Menschen auf den Weg machen, ist es nicht so schwer, bis zum | |
Kohlenmarkt am anderen Ende des Langen Markts zu gelangen. | |
Dort angekommen erläutert Inka Niemcewicz der Freundin aus Warschau: „Hier | |
vorne stand die Bühne, auf der Adamowicz erstochen wurde. Dort, wo immer | |
noch die vielen Kerzen brennen.“ Anna Kosmala schießen die Tränen in die | |
Augen: „Oh, mein Gott! Hier zu stehen, wo er ermordet wurde und wo doch | |
eigentlich alle eine neue Spenden-Rekordsumme feiern wollten, das ist …“. | |
Sie bricht ab und fährt sich mit einem Taschentuch über die Augen. | |
Anders als vor dem Grünen Tor haben hier fast alle Menschen rot verweinte | |
Augen. Man sieht kaum Flaggen. Die Szene wird vielmehr von den bunten | |
Herzen der Spendenaktion des „Großen Orchesters der Weihnachtshilfe“ | |
dominiert. | |
## Mutigster Gegner gegen die PiS | |
Adamowicz unterstützte diese Aktion, die seit 27 Jahren Gelder für die | |
Ausstattung von Kinderkrankenhäusern sammelt, mit großem persönlichen | |
Einsatz. Noch am Tag des Anschlags ging er stundenlang mit einer | |
Spendenbüchse durch die Straßen seiner Stadt. Über der Bühne des aus Anlass | |
der Spendenaktion abgehaltenen Benefizkonzerts stand dann auch | |
programmatisch und ein wenig provokativ: „Danzig für das Große Orchester“. | |
Provokativ deshalb, weil die Regierungspartei PiS ein erklärter Gegner der | |
Spendenaktion ist und der Regierungssender TVP bei jeder Gelegenheit gegen | |
deren Organisator Jurek Owsiak gehetzt hat. Denn der sei ein Linker und | |
Gegner christlicher Werte. | |
Adamowicz und Owsiak stehen symbolisch für eine offene Gesellschaft, die | |
ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nimmt. Der Eindruck vieler liberal | |
denkender Polen aber ist: Die Regierungspartei PiS wie auch große Teile der | |
katholischen Kirche Polens teilen ein Weltbild, in dem es gute und | |
schlechte Polen gebe, gläubige und ungläubige, „Patrioten“ und | |
„Volksverräter“. | |
Adamowicz war unter den Bürgermeistern Polens [4][der mutigste Gegner der | |
PiS], der es auch wagte, sich in die Landespolitik einzumischen. So | |
richtete er vor zwei Jahren demonstrativ eine Konferenz und eine Festessen | |
zum 30-jährigen Bestehen des polnischen Verfassungsgerichts aus, das die | |
PiS in der Hauptstadt Warschau verhinderte und in Danzig boykottierte. | |
## PiS rief „Kasten-Kampf“ aus | |
Heute – nach drei Jahren Regierungszeit der PiS mit absoluter Mehrheit im | |
Parlament – in das Verfassungsgericht nur noch ein Schatten seiner selbst. | |
Mehrere Gesetze haben das Gericht lahmgelegt, so dass die Regierung nun | |
Gesetze verabschieden kann, ohne das Verfassungsgericht fürchten zu müssen. | |
Der Hass der PiS auf die unabhängigen Richter an anderen Gerichten führte | |
so weit, dass die Partei einen „Kasten-Kampf“ ausrief, in Reminiszenz an | |
den früheren „Klassenkampf“ der Kommunisten. Und den Hass so weiter | |
befeuerte: Erst am Montag letzter Woche, dem Todestag Adamowicz’, kam eine | |
regierungsnahe Zeitschrift mit einem Titelbild heraus, dass in einer | |
Fotomontage Richter mit Panzerfaust und Karabiner in der Hand zeigt, der | |
wie ein Wahnsinniger um sich schießen. | |
Im Hintergrund der Montage sind die Plakate der Regierungsgegner zu sehen, | |
der Bürgerplattform und einiger Bürgerinitiativen. In großen gelben Lettern | |
enthüllt das Blatt dazu „Die aufgeheizte Kaste“. Auch nach dem Tod von | |
Adamowicz liegt das Blatt noch an den Kiosken aus. | |
Jetzt haben viele Politiker und Journalisten ihre Hassbotschaften im | |
Internet gelöscht. Der gescheiterte PiS-Kandidat für den OB-Posten von | |
Danzig, Kacper Płażyński, löschte seine Website gleich ganz vom Server: „… | |
Aufbau“ steht dort nur mehr. Die Polizei hat mehrere Personen festgenommen, | |
die Todesdrohungen an andere Oberbürgermeister verschickt haben. Dabei | |
hatte die Staatsanwaltschaft gerade erst ein Verfahren gegen die | |
rechtsradikale „Allpolnische Jugend“ eingestellt, die elf | |
Oberbürgermeistern „politische Todesurkunden“ ausgestellt hatten, darunter | |
auch Paweł Adamowicz. | |
Als die Witwe Magdalena Adamowicz zusammen mit ihrer älteren Tochter | |
Antonina vor das Mikrofon am Altar der Basilika tritt, rücken die Menschen | |
am Kohlenmarkt unwillkürlich näher an die Videoleinwand heran. Dabei ist | |
die angehende Jura-Professorin gut zu hören. „Heute brauchen wir Stille“, | |
sagt sie mit klarer Stimme. „Aber diese Stille bedeutet nicht Schweigen! | |
Denn Schweigen kommt der Gleichgültigkeit nahe“. | |
Die Trauergäste in der Basilika recken die Köpfe. „Paweł war nie | |
gleichgültig!“, fährt sie fort. „Er war nie ein Opportunist. Heute müssen | |
wir uns alle einer Gewissensprüfung unterziehen. Was haben wir getan, als | |
direkt neben uns etwas Schlechtes geschah, etwas Ungerechtes, Unwürdiges? | |
Als böse Worte fielen?“ | |
## „Du hast uns Offenheit und Empathie gelehrt“ | |
Sie macht eine kurze Pause, sammelt sich, hebt von Neuem an: „Ich glaube, | |
dass deine Ideen, Paweł, dein Werk und deine Visionen nicht mit dir | |
gestorben sind, dass deine Freunde dafür sorgen werden, dass dein Werk | |
fortgeführt wird. Ich glaube, dass du mit der Zeit aus allen üblen | |
Nachreden sauber hervorgehst. Du hast uns alle Offenheit und Empathie | |
gelehrt, hast uns Mut gemacht, etwas Gutes zu tun. Hier in Danzig, deiner | |
geliebten Heimat. Ich glaube, dass sich dieses Gute sich nun | |
weiterverbreitet, erst in andere Städte Polens und dann vielleicht auch in | |
die Welt. Dass die Spaltung der Gesellschaft wie auch die Hassflut endlich | |
ein Ende findet.“ | |
Spontan klatschen die Menschen auf dem Kohlenmarkt. Anna Kosmala nickt | |
beeindruckt. „Ich bin ja selbst Juristin. Und an manchen Tagen habe ich | |
wirklich Angst, ins Gericht zu gehen. Als Anwältin spürt man den Hass fast | |
körperlich. Es ist kein gutes Gefühl, zum Mitglied einer verachtenswerten | |
und verhassten Kaste erklärt zu werden.“ Piotr Nowak sieht sie betroffen | |
an. „Mir war das so gar nicht klar. Wir lassen uns als Gesellschaft viel zu | |
leicht spalten. So denken wir, dass wir ohnmächtig gegen die Hass- und | |
Dreckschleudern sind. Ich nehme mich da nicht aus. Manchmal bin ich so | |
wütend, dass ich Sachen sage, die ich später bereue.“ | |
Nach drei Stunden ist die Messe beendet. Inka Niemcewicz, die | |
Literaturwissenschaftlerin und Danzig-Stadtführerin, geht voraus. „Lasst | |
uns zu mir gehen. Da können wir noch ein bisschen reden.“ Auf dem Weg prüft | |
Niemcewicz den Eingang der Mails in ihrem Smartphone. „Hier habe ich ein | |
unglaubliches Interview gefunden – mit Basil Kerseki, den Direktor des | |
Europäischen Solidarność-Zentrums. Das zeige ich euch zu Hause auf dem | |
großen Computer.“ | |
## Nicht die Zeit zum Schlafen | |
Sie klickt weiter und jubelt plötzlich: „Jurek Owsiak macht doch weiter! | |
Das große Orchester der Weihnachtshilfe wird nicht sterben. Wahnsinn!“ Sie | |
lacht und umarmt die Freunde. „Das ist die beste Nachricht des Tages. Wir | |
sollen uns nicht kleinkriegen lassen. Jurek sagt, dass nach dem Tod von | |
Adamowicz auf der Bühne das Orchester 11 Millionen Likes und Mails bekommen | |
hat, jetzt bloß nicht aufzuhören. Denn dann hätte der Hass gesiegt.“ | |
Zu Hause angekommen, sucht sie das Interview mit Basil Kerski heraus. „Sein | |
Vertrag wird bald enden“, informiert sie. Und dann werde die PiS wohl alles | |
daran setzen, „sich auch noch das Solidarność-Zentrum unter den Nagel zu | |
reißen.“ | |
Piotr Nowak fragt zurück: „Das Solidarność-Zentrum ist doch das Kind von | |
Adamowicz, oder?“ Inka Niemcewicz nickt: „Genau. Für Adamowicz und Kerski | |
ist aber der europäische Kontext der Solidarność wichtig.“ Sie dreht den | |
Ton lauter. Kerski sagt: „Nach dem Sieg Adamowicz’ bei den Kommunalwahlen | |
hat der Kulturminister in Danzig dem Solidarność-Zentrum 40 Prozent der | |
Zuschüsse gestrichen. Das ist unser Etat für die Veranstaltungen. Und das | |
ist ganz klar ein Versuch, Zensur auszuüben.“ | |
Auf den Bildern im Internet ist zu sehen, wie Kerski nachts um zwei Uhr | |
fast die Augen zufallen. Doch es ist nicht die Zeit zum Schlafen. Basil | |
Kerski vom Europäischen Solidarność-Zentrum sagt: „Wir müssen uns eins | |
klarmachen: Auch wir haben eine gewisse Macht, Auch wir tragen | |
Verantwortung. Und wir müssen alles tun, um das politische Klima in diesem | |
Land wieder zu ändern. Weg vom Hass!“ | |
20 Jan 2019 | |
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Gabriele Lesser | |
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