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# taz.de -- Juristin über sichere Herkunftsländer: „Eine nicht unerhebliche…
> Die Maghrebstaaten sollten als „sicher“ eingestuft werden, plädiert
> Miriam Marnich im Innenausschuss des Bundestags für den Städte- und
> Gemeindebund.
Bild: Welche Herkunftsländer sind „sicher“?
taz: Frau Marnich, der Deutsche Städte- und Gemeindebund bezeichnet den
Vorschlag, Marokko, Tunesien, Algerien und Georgien als sogenannte Sichere
Herkunftsstaaten einzustufen [1][als „lange überfällig“]. Warum?
Miriam Marnich: Das ist richtig. Das Konzept hat sich bei den
Westbalkanstaaten, Ghana und Senegal bewährt und nachweislich zu einer
Beschleunigung der Verfahren und zu einem Rückgang der Antragszahlen aus
diesen Ländern geführt. Auch für die Kommunen bedeutet das eine nicht
unerhebliche Entlastung – nicht nur in den Behörden, sondern auch für das
Personal und die Ehrenamtlichen vor Ort.
Die Gruppe der Asylsuchenden aus den Mahgreb-Staaten ist ziemlich klein. Im
ersten Halbjahr 2018 haben diese Menschen gerade mal zwei Prozent der
81.765 Erstanträge ausgemacht haben. Wir sprechen von 1.616 Menschen.
Führen wir hier nicht eine Scheindiskussion?
Wenn wir die Zahlen von Januar bis Oktober 2018 angucken, dann sind es im
Verhältnis zu den gesamten Aslyantragszahlen 4,16 Prozent. Ja, das ist eine
geringe Anzahl. Aber dabei handelt es sich oft um Menschen, bei denen klar
ist, dass sie kein Anrecht auf Asyl haben – sofern sie auf die Kommunen
verteilt wurden, muss man sich dort aber trotzdem um sie kümmern, sie
unterbringen und versorgen. Das ist keine Kleinigkeit. Dies verstärkt den
Druck auf die Kommunen auch im Hinblick auf die große Anzahl
Ausreisepflichtiger und Geduldeter. Für diese fallen in den Kommunen hohe
Kosten an, sobald der Bund und die Länder nicht mehr für sie aufkommt. Dazu
kommt, dass Asylbewerber und Geflüchtete insgesamt nicht gleichmäßig auf
die Kommunen verteilt werden.
Können Sie die „erhebliche finanzielle und personelle Mehrbelastungen in
Kommunen“, von der Sie in Ihrem Gutachten für die Anhörung im
Innenausschuss am Montag sprechen, beziffern?
Für die Gruppe der Menschen aus Marokko, Tunesien, Algerien und Georgien
kann ich das nicht konkret beziffern. Aber diese Menschen kommen noch
zusätzlich zur generellen erheblichen Mehrbelastung dazu, sie sind in
einigen Kommunen quasi der Tropfen auf dem heißen Stein. 40 Prozent der
Anträge aus Georgien etwa werden aus nicht asylrelevanten Motiven gestellt
und sind damit offensichtlich unbegründet. Dies kann auch die Stimmung der
Bevölkerung vor Ort strapazieren, insbesondere im Hinblick auf diejenigen,
die vollziehbar ausreisepflichtig sind, aber aus bestimmten Gründen nicht
zurückgeführt werden können. Dies gilt für alle Gruppen von Asylbewerbern.
Würde dann nicht [2][ein Spurwechsel], wie er im Entwurf des
Fachkräfteeiwanderungsgesetz nun doch nicht vorgesehen ist, schon einen
großen Teil des Problems lösen? Die Menschen könnten arbeiten und sich
selbst finanzieren, die Kommunen würden entlastet.
Der Entwurf für die Sicheren Herkunftsstaaten sieht ja eine
Stichtagsregelung für diejenigen vor, die sich integriert haben, die
Sprache sprechen und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Da ist es aus
unserer Sicht richtig, Ausnahmen zu schaffen.
Das Einwanderungsgesetz sieht auch [3][neue Wege zur Erwerbsmigration] vor.
Wird die Zahl der aussichtslosen Asylanträge aus diesen Ländern nicht schon
dadurch sinken?
Dass das Fachkräfteeinwanderungsgesetz jetzt bestehende Regelungen
zusammenfasst und entbürokratisiert ist gut. Trotzdem brauchen wir die
Sicheren Herkunftsstaaten. Asyl und Erwerbsmigration müssen aus unserer
Sicht klar getrennt werden. Es ist richtig, an beiden Stellschrauben zu
drehen.
Verfahren sollen bei Sicheren Herkunftsstaaten nur eine Woche dauern, die
Beweislast ist umgekehrt – es liegt die Annahme zu Grunde, dass sie
eigentlich nicht schutzberechtigt sind. Die Ausreisefrist bei einer
Ablehnung verkürzt sich auf eine Woche, Klagen haben keine aufschiebende
Wirkung. Was bedeutet das für Menschen, die tatsächlich Schutz brauchen?
Mit einer entsprechenden Beratung, die ja vorgesehen ist, muss das machbar
sein. Ich kann ihnen jetzt keinen Einzelfall nennen. Aber alle Betroffenen
müssen in einem Rechtsstaat ausreichenden Rechtsschutz haben, das ist für
uns essentiell. Und jeder hat trotz Regelvermutung das Recht, seine
individuelle Verfolgung darzulegen.
Stichwort Menschenrechte: In Ihrem Gutachten heißt es, ob ein Land die
Voraussetzungen eines Sicheren Herkunftsstaates erfüllt, könne nur der
Gesetzgeber entscheiden. Gleichzeitig sprechen Sie sich im aktuellen Fall
eindeutig dafür aus. Auf welcher Grundlage?
Wir wissen das, was man in den Berichten der Bundesregierung, des Bamf und
des Auswärtigen Amtes lesen kann. Eine eigene Bewertung können wir als
kommunaler Spitzenverband natürlich nicht vornehmen. Da müssen wir uns auf
die Bewertungen der entsprechenden Stellen verlassen können.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren immer wieder die Verfolgung
[4][von Menschen aus der LGBT-Community oder Folter] in den
Mahgreb-Staaten.
Menschenrechte dürfen auf keinen Fall in Frage gestellt werden. Auf der
anderen Seite bleibt die Aufnahme – und Integrationsfähigkeit der Kommunen
nun mal begrenzt. Es ist also auch im Interesse der Menschen mit guter
Bleibeperspektive, dass man sich besser auf sie konzentrieren kann.
27 Nov 2018
## LINKS
[1] https://www.bundestag.de/blob/580062/9468a893b1b4db4e15e716b121a752f6/a-drs…
[2] /Kommentar-CDU-und-AsylbewerberInnen/!5525213
[3] /Entwurf-gegen-Fachkraeftemangel/!5548753
[4] https://www.bundestag.de/blob/580064/bc1b792125292fc044d102a69ac0455a/a-drs…
## AUTOREN
Dinah Riese
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