# taz.de -- Sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat: Bouffier zieht Notbremse | |
> Der Hesse Volker Bouffier will vermeiden, dass das umstrittene Gesetz im | |
> Bundesrat scheitert. Wie kann er die Grünen locken? | |
Bild: Tarek al-Wazir (Grüne, li.) und Volker Bouffier (CDU) suchen eine Annäh… | |
Berlin taz | Hessens Ministerpräsident hat in letzter Minute die Notbremse | |
gezogen. Eigentlich sollte der Bundesrat am Freitag über das umstrittene | |
Gesetz abstimmen, welches Algerien, Tunesien, Marokko und Georgien als | |
sichere Herkunftsstaaten deklariert. Die Große Koalition hätte sich wohl | |
eine blutige Nase geholt, weil ihr wegen einer Blockade der Grünen die | |
Mehrheit fehlt. | |
Doch der Hesse Volker Bouffier (CDU) will nun den Antrag stellen, das | |
Gesetz von der Tagesordnung nehmen. Das bestätigte sein Sprecher Michael | |
Bußer der taz am Dienstag. Hintergrund sei, dass der Ministerpräsident noch | |
Gespräche führen wolle, um eine Einigung herbeizuführen, sagte Bußer. Man | |
gehe davon aus, dass der Antrag durchgehe. | |
Auch auf A-Länder-Seite, also bei den SPD-geführten Ländern, ging man am | |
Dienstag davon aus, dass das Thema vertagt wird. Es werde ja absehbar keine | |
Mehrheit geben, hieß es aus SPD-Kreisen. Damit ginge der Streit um die | |
sicheren Herkunftsstaaten in eine neue Runde: Union und SPD versprechen | |
sich von dem Gesetz schnellere Abschiebungen. Bei sicheren Herkunftsstaaten | |
gehen deutsche Behörden davon aus, dass dort in der Regel keine Gefahr | |
durch Verfolgung besteht. | |
Die Grünen und die Linkspartei lehnen das Gesetz ab. Sie halten es für | |
verfassungsrechtlich fragwürdig – und glauben, dass besonders die drei | |
nordafrikanischen Maghreb-Staaten nicht sicher sind. Homosexualität ist in | |
Tunesien, Algerien und Marokko zum Beispiel laut Gesetz strafbar. Schwule | |
und Lesben können ins Gefängnis wandern, wenn sie erwischt werden. Dort | |
kommt es häufig zu Demütigungen und Gewalt durch die Polizei oder Aufseher. | |
## Kretschmann dafür | |
Bei den Grünen wird die mögliche Vertagung als Erfolg gesehen. Die CDU habe | |
erkannt, dass die Front der Ablehnung stehe, hieß es in Parteikreisen. Sie | |
habe sich die „Blamage einer Niederlage“ ersparen wollen. Da könnte etwas | |
dran sein: Die CDU hat bei ihrem Werkstattgespräch über Flüchtlingspolitik | |
Anfang der Woche hervorgehoben, dass mehr Staaten als sicher eingestuft | |
werden müssten – am besten von allen EU-Staaten gemeinsam. Ein Scheitern im | |
Bundesrat wäre vor diesem Hintergrund schmerzlich gewesen. | |
Doch eine Mehrheit ist bisher nicht in Sicht. Die Ökopartei regiert in neun | |
Bundesländern mit – und kann deshalb Gesetze im Bundesrat blockieren. Auch | |
von Brandenburg, wo die SPD mit der Linkspartei regiert, ist keine | |
Zustimmung zu erwarten. Bisher hat von grüner Seite nur Baden-Württembergs | |
Ministerpräsident Winfried Kretschmann sein Ja in Aussicht gestellt. | |
Das reicht aber nicht für eine Mehrheit – und nun kommt Hessen ins Spiel. | |
Ein Ja des Bundeslandes hülfe dem Gesetz über die Hürde. Bouffier regiert | |
in Wiesbaden mit einer schwarz-grünen Koalition. Im hessischen | |
Koalitionsvertrag halten CDU und Grüne fest, „unterschiedliche | |
Auffassungen“ zu haben. Wenn das bei einem Thema der Fall ist, enthält sich | |
das Land normalerweise im Bundesrat – was einem „Nein“ gleichkommt. | |
Bouffier will nun offenbar nochmal Wege für einen Kompromiss ausloten. Der | |
Ministerpräsident hatte in einer Regierungserklärung am vergangenen | |
Mittwoch gesagt, dass die Diskussion unter einer Verengung in der | |
Begrifflichkeit leide. „Sie wird unter dem Symbol der sicheren | |
Herkunftsstaaten geführt.“ In Wirklichkeit gehe es aber darum, „ob und wie | |
es uns gelingt, bei Asylbewerbern aus Staaten mit sehr geringer | |
Anerkennungsquote zu beschleunigten Asylverfahren zu kommen.“ | |
## Glaubwürdigkeit steht in Frage | |
Bouffier funkte in seiner Rede versöhnliche Signale an die Grünen. Davon | |
unberührt, betonte er, blieben Verfahren, die den Schutz vulnerabler | |
Gruppen bei individueller Verfolgung beträfen. „Wenn wir an diesem Punkt | |
die Symbolhaftigkeit der Debatte überwinden und zu pragmatischen Lösungen | |
kommen würden, wäre dies ein Gewinn.“ | |
Als vulnerable Gruppen gelten zum Beispiel Homosexuelle oder Journalisten, | |
die in den nordafrikanischen Staaten besonderen Schikanen ausgesetzt sind. | |
Auch Kretschmann hatte in der Vergangenheit immer wieder betont, dass auf | |
die verletzlichen Gruppen Rücksicht genommen werden müsse. | |
Dennoch stehen die Chancen für einen Kompromiss schlecht. Die Grünen-Spitze | |
in Berlin hat sich bei dem Thema eindeutig festgelegt. Ein Nachgeben, so | |
denken viele Grüne, könnte ihre Glaubwürdigkeit beschädigen. Grüne, die | |
sich mit der Materie auskennen, halten auch eine Zusatzklausel für | |
vulnerable Gruppen für untauglich. Das Argument: Solche Ausnahmeregeln | |
belegten ja gerade, dass ein Land nicht für alle Menschen sicher sei. | |
12 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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