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# taz.de -- SPD und Groko nach der Hessen-Wahl: Jetzt bloß keine Panik
> Nach der Hessen-Wahl ist SPD-Chefin Andrea Nahles wild entschlossen,
> weiterzumachen. Andere Stimmen fordern ein Groko-Ende – nur wie?
Bild: Schlussstrich unter die Groko? Für Radikales ist der SPD die Lage wohl m…
Berlin/Wiesbaden taz | [1][Andrea Nahles] steht am Montagmorgen im Atrium
des Willy-Brandt-Hauses und lobt die hessische SPD überschwänglich. Die
habe einen „vorbildlichen, gut vorbereiteten, disziplinierten Wahlkampf“
geführt. Leider habe der Bundestrend den verdienten Erfolg verhindert.
Bundestrend klingt allgemein – konkret heißt das: [2][die SPD in der
Groko]. Nahles ist Partei- und Fraktionschefin, sie hat wesentlich dafür
gesorgt, dass die widerstrebende Partei doch noch mal Juniorpartner von
Merkel wurde. Bundestrend ist eigentlich ein Vorwurf an sie selbst. Aber:
„Wir sind wild entschlossen, sicherzustellen, dass die Regierung auf
vernünftige Weise weiterarbeiten kann“, sagt sie.
Nahles ist eine geschickte Machtpolitikerin. Das Desaster in Hessen war
absehbar – dass der Druck, die Regierung in Berlin zu verlassen, steigen
würde, ebenso. Um die Schläge abzufedern, hat die SPD-Chefin ein sechs
Seiten langes Konzept verfasst. Es ist der Versuch, Zeit zu kaufen. Bis zum
Herbst 2019 will die SPD zügig soziale Verbesserungen verabschieden.
[3][Das Kitagesetz] soll früher kommen, Familien sollen schneller entlastet
werden „das Familienstärkungsgesetz“, das Ärmeren nutzt, soll bis zur
Sommerpause 2019 kommen. Schneller mehr Pflegepersonal, mehr Chancen für
Weiterbildung, schneller soll auch die „sachgrundlose Befristung“
[4][eingeschränkt werden].
All das steht schon im Koalitionsvertrag, nichts davon wird
UnionsministerInnen auf die Barrikaden bringen. Im Grunde schreibt es die
SPD-Politik der letzten sechs Monate in die Zukunft fort: Die SPD arbeitet
an Gesetzen (durchweg mit technokratischen Titeln wie
„Pflegepersonalstärkungsgesetz“ und „Qualifizierungschancengesetz“), d…
NormalbürgerInnen das Leben etwas leichter machen. Das Papier,
überschrieben mit „Wir machen Politik für ein solidarisches Land“, ist ke…
Versuch, ein Austrittsszenario vorzubereiten. Es zieht keine rote Linie.
Agenda 2010 und Mindestlohn von 12 Euro kommen in dem Nahles-Papier nicht
vor. Kurzum: Die SPD Chefin versucht mit dem Konzept eher den Druck in den
eigenen Reihen zu kanalisieren, als Richtung Union zu drohen. Die
SPD-Spitze debattierte das Nahles-Papier am Montag. Beschlüsse sollen erst
bei einer Klausur am Wochenende fallen.
Den Jusos geht all das nicht weit genug – vielmehr zeitlich zu weit. „Das
Urteil über diese #Groko ist final gesprochen“, twitterte Juso-Chef Kevin
Kühnert. Also sofort Schluss mit der Groko? Alles auf Rot? Doch das war
missverständlich formuliert. Auch die Jusos wollen nicht sofort raus aus
der Regierung. Allerdings fordern sie, dass die Überprüfung der Groko
früher als erst im nächsten Herbst erfolgen soll. „Wir müssen zu einer
Beschleunigung von Verfahren kommen“, so Kühnert, um der „lähmenden
Trägheit in der Großen Koalition“ zu entgehen. Ein Sofortausstieg wegen der
verlorenen Wahlen, fürchten auch die Jusos, würde panisch wirken.
Allerdings sind die Ideen, wie die SPD halbwegs elegant aus der Regierung
aussteigen kann, auch bei den Jusos etwas wolkig. Der Dieselskandal oder
Waffenlieferung an Saudi-Arabien könnten Gründe sein, um die Regierung zu
verlassen, heißt es.
Thorsten Schäfer-Gümbel bläst am Montag ins gleiche Horn wie Nahles. Die
SPD in Hessen habe mit Mieten und Mobilität die richtigen Themen gehabt.
Doch der Bundestrend habe die Chancen der SPD vernichtet.
Sein Landesverband sieht es genauso. Schon am Sonntagabend, auf der
Wahlparty der Sozialdemokraten, haben die Genossen ihren Spitzenkandidaten
freigesprochen: Der Wahlkampf war super, Berlin ist schuld. Am Morgen
danach versucht Generalsekretärin Nancy Faeser die Niederlage zu erklären –
und zeigt ebenfalls auf die Bundespartei. Eigene Fehler? „Wir sehen sie im
Moment nicht. Wir hatten noch nie eine Kampagne, die so gut getragen wurde
von der Basis“, sagt Faeser. Der Wahlkampf super, der Kandidat auch.
Thorsten Schäfer-Gümbel habe „Großartiges geleistet“ und sollte seine Ä…
behalten. Nur gegen die „Sturmböen“ aus Berlin habe er nichts machen
können.
Umfragedaten stützen diese Interpretation allerdings nur zum Teil. 70
Prozent der Hessen sind unzufrieden mit der Bundesregierung – unter
anderem, weil sie in der Diesel-Affäre [5][zu viel Rücksicht auf die
Industrie] nehme und [6][in der Maaßen-Diskussion] zu zerstritten
aufgetreten sei. Problematisch für die Hessen-SPD ist allerdings, dass ihr
die Wähler bei den sozialdemokratischen Kernthemen nicht mehr so viel
zutrauen wie früher. Bei sozialer Gerechtigkeit und bezahlbarem Wohnraum
hat die Partei nach Ansicht der Wähler an Kompetenz verloren. Da wundert es
nicht, dass die SPD bei den Arbeitern mit 22 Prozent nur noch zweitstärkste
Partei wurde. Vorne liegt die AfD. Ist nur die Bundespartei daran schuld?
Oder hat der Landesverband doch etwas beigetragen? Für Montagabend hatte
die Landesspitze erste Beratungen anberaumt.
Und wie geht es weiter in Berlin? Die entschiedene Parteilinke DL 21 um
Hilde Mattheis fordert den raschen Ausstieg aus der Groko. Die radikalste
Idee forciert [7][der Dortmunder Bundestagabgeordnete Marco Bülow]. „Das
ist keine Rutschpartie mehr, wir sind im freien Fall“, so Bülow zur taz. Er
fordert, unterstützt von Rudolf Dreßler und der Flensburger
Oberbürgermeisterin Simone Lange, nicht nur das Ende der Groko, sondern
auch den Rücktritt der gesamten SPD-Spitze und die Urwahl eines neuen
Parteichefs. Realistisch ist das nicht. Alles spricht dafür, dass, einer
eigentümlichen sozialdemokratischen Dialektik folgend, nichts passiert.
Will sagen: Es ist so schlimm, dass wir erst mal weitermachen wie bisher.
30 Oct 2018
## LINKS
[1] /Kolumne-Liebeserklaerung/!5536497
[2] /Kommentar-SPD-nach-der-Hessenwahl/!5543656
[3] /Kommentar-zum-Gute-Kita-Gesetz/!5541627
[4] /Diskussion-um-befristete-Stellen/!5520646
[5] /Daimler-und-der-Abgasskandal/!5512926
[6] /SPD-verliert-die-Geduld/!5545722
[7] /Kommentar-Aufstehen/!5530036
## AUTOREN
Stefan Reinecke
Tobias Schulze
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