# taz.de -- Seehofer entlässt Geheimdienstchef: Servus, Maaßen | |
> Der Druck war weiter gewachsen. Nun trennt Seehofer sich von | |
> Geheimdienst-Chef Maaßen. Aber ausgestanden ist die Sache für ihn damit | |
> nicht. | |
Bild: Schönen Ruhestand, Hans-Georg! | |
BERLIN taz | Von Horst Seehofer weiß man ja, dass [1][er lieber in | |
Ingolstadt weilt], seiner bayrischen Heimat, als im rauen Berlin. Am Montag | |
hätte er dies wohl noch viel lieber getan. Stattdessen stand Seehofer am | |
Nachmittag in der Hauptstadt, im Bundesinnenministerium, auf einer | |
Pressekonferenz, und musste sich Rücktrittsforderungen erwehren. | |
Wiedermals. | |
Zuvor war [2][die wochenlange Posse] um Verfassungsschutzchef Hans-Georg | |
Maaßen endgültig ins Irre gekippt. Eigentlich hätte der oberste | |
Geheimdienstler nach seinen umstrittenen Chemnitz-Äußerungen längst ins | |
Innenministerium versetzt sein müssen, als „Sonderberater“. So war, nach | |
heftigem GroKo-Krach, der Deal. Dann aber tat Seehofer nichts. Bis nun | |
[3][Maaßens Abschiedsrede auftauchte] – in der dieser sich als Opfer einer | |
linken Verschwörung inszeniert. | |
Nun verkündet Seehofer das Unvermeidbare: Er habe den Bundespräsidenten | |
gebeten, Maaßen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Dieser werde | |
ab sofort freigestellt und auch nicht ins Innenministerium versetzt. Grund | |
seien die „inakzeptablen Formulierungen“ in Maaßens Rede, so Seehofer. | |
„Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, in welcher Funktion auch immer, ist | |
nicht mehr möglich.“ Die Führung des Verfassungsschutzes übernehme | |
vorläufig Maaßens Vize, Thomas Haldenwang. | |
Für Seehofer geht es da aber schon um mehr. Denn längst steht auch er | |
wieder unter Beschuss. Wenn die Bundesregierung „noch so etwas wie | |
Selbstachtung hat“, müsse auch Seehofer gehen, sagt Grünen-Chef Robert | |
Habeck. Auch die Linke fordert Seehofers Rücktritt. In der SPD tut es | |
Juso-Chef Kevin Kühnert: Er könne nur hoffen, dass auch der Mitverursacher | |
der Misere, „ebenfalls bald seinen Sessel räumt“ – also Seehofer. | |
## Maaßen strickte sich eine Märtyrerlegende | |
Tatsächlich hatte sich Seehofer lange vor Maaßen gestellt, ihn als „hoch | |
kompetent und integer“ verteidigt – und damit die GroKo-Krise mitausgelöst. | |
Nun könnte der freigedrehte Geheimdienstchef Seehofer [4][mit aus dem Amt | |
reißen]. | |
Denn Maaßen legte in seiner Abschiedsrede, die er am 18. Oktober im Berner | |
Club in Warschau hielt – einer Runde europäischer Geheimdienstchefs – mit | |
seiner Politik- und Medienschelte im Fall Chemnitz noch einmal kräftig | |
nach. Dass es in der Stadt „Hetzjagden“ gab, sei „frei erfunden“, | |
bekräftigte er laut Manuskript. Er habe bereits „viel an deutscher | |
Medienmanipulation erlebt“. Chemnitz aber sei „für mich eine neue Qualität | |
von Falschberichterstattung in Deutschland“. | |
Maaßen strickt daraus eine Märtyrerlegende. Seine Entlassung gehe auf | |
Medien sowie „grüne und linke Politiker“ zurück, „die sich durch mich b… | |
ihrer Falschberichterstattung ertappt fühlten“. Zudem sei er als „Kritiker | |
einer idealistischen, naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik | |
bekannt“. Mehr noch: „Aus meiner Sicht war dies für linksradikale Kräfte … | |
der SPD, die von vornherein dagegen waren, eine Koalition mit der CDU/CSU | |
einzugehen, der willkommene Anlass, um einen Bruch dieser | |
Regierungskoalition zu provozieren.“ | |
Tatsache ist: Mehrere Beobachter hatten in Chemnitz Angriffe auf Migranten | |
und linke Gegendemonstranten dokumentiert. Maaßen aber behauptet, er sei | |
für seine vermeintlich unbequeme Meinung geopfert worden: „Ich hätte nie | |
gedacht, dass die Angst vor mir und vor der Wahrheit Teile der Politik und | |
Medien in solche Panik und Hysterie versetzt.“ | |
## Nur die AfD springt Maaßen bei | |
Maaßens Rede war später im Intranet des Bundesverfassungsschutzes | |
eingestellt, frei zugänglich für die mehr als 3.000 Mitarbeiter. Und fand | |
so ihren Weg ins politische Berlin. | |
Seehofer sagte, mit der Rede Maaßens sei ein Rauswurf nun „unvermeidlich“. | |
„Natürlich ist man dann auch ein Stück menschlich enttäuscht.“ Selbstkri… | |
wies Seehofer zurück: „Beim besten Willen nicht.“ Er stelle sich immer erst | |
einmal vor seine Mitarbeiter. Schon zuvor hatte Seehofer angekündigt, sich | |
nicht vor dem kommenden Montag zur eigenen Zukunft zu äußern – dann wird in | |
Bayern das neue Kabinett vereidigt. Kanzlerin Merkel ließ ihren | |
Innenminister vorerst gewähren. Ihr Sprecher verwies am Montag darauf, dass | |
Seehofer die „nötige Entscheidung“ getroffen habe. | |
Maaßen dagegen scheint seinen Rausschmiss schon länger mit einkalkuliert zu | |
haben. Er könne sich auch „ein Leben außerhalb des Staatsdienstes zum | |
Beispiel [5][in der Politik] oder in der Wirtschaft vorstellen“, sagte er | |
im Berner Club. | |
Politisch springt ihm einzig die AfD bei. Maaßen habe „Charakterstärke“ | |
bewiesen, seine Entlassung sei „ein Armutszeugnis“, sagte Parteichef | |
Alexander Gauland. Maaßen hatte hinter verschlossenen Türen im Bundestag | |
zuletzt betont, seit 30 Jahren CDU-Mitglied zu sein. Eine AfD-Nähe weise er | |
„mit Nachdruck“ zurück. Ob das noch gilt, ist offen. | |
5 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Merkels-Rueckzugserklaerung-und-Seehofer/!5546590 | |
[2] /Kommentar-Maassen-Entlassung/!5544520 | |
[3] /Eklat-von-Verfassungsschutzchef/!5547994 | |
[4] /Kommentar-zum-Fall-Maassen/!5547932 | |
[5] /Aufklaerung-von-Breitscheidplatz-Anschlag/!5543898 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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