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# taz.de -- Kommentar zum Fall Maaßen: Im neurechten Paralleluniversum
> Verfassungschutzchef Maaßen wird politisch wohl kaum zu halten sein. Das
> sollte auch für seinen Vorgesetzten Horst Seehofer gelten.
Bild: Jetzt geh halt, Maaßen – und nimm Seehofer gleich mit
Ein besserer Rohstoff für Satire als der [1][Fall Hans-Georg Maaßen] ist
schwer vorstellbar. Linkspartei-Chef Bernd Riexinger machte sich am Montag
[2][auf Twitter] über den irrlichternden Verfassungsschützer lustig. Ob
Maaßen den Kontakt zu „diesen ominösen linken Teilen“ der Bundesregierung
mal herstellen könne, fragte er. „Wir suchen den schon sehr lange.“ Leider
ist das Ganze nicht wirklich witzig.
Seit Neuestem ist klar: Der Mann, der den deutschen Verfassungsschutz
befehligt, ist ein Verschwörungstheoretiker, der in eine ganz eigene
Gedankenwelt abgedriftet ist. [3][In einer Rede], die Maaßen laut Spiegel
in Warschau vor anderen Geheimdienst-Chefs hielt, sagte er dem
Redemanuskript zufolge, dass es in der Bundesregierung „linksradikale
Kräfte“ gebe, die von Beginn an gegen die Regierung gewesen seien. Zusammen
mit Teilen der Opposition und der Medien hätten diese Kräfte versucht, ihn
als Vehikel zum Bruch der Koalition zu benutzen.
Maaßen spricht offensichtlich über die SPD. Aber wen meint er bloß? Andrea
Nahles und Olaf Scholz marodieren ja nicht schwarz vermummt durch
Berlin-Kreuzberg und zünden SUVs an. Auch Juso-Chef Kevin Kühnert ist
bisher nicht dadurch aufgefallen, Hassparolen gegen den den Staat ans
Willy-Brandt-Haus zu sprühen. Die SPD ist so linksradikal wie das Spandauer
Finanzamt. Sie nutzt ja den Fall Maaßen eben nicht als Vorwand für einen
Ausstieg aus der Koalition. Sie fordert seinen Rücktritt, sieht sich das
Schauspiel ansonsten aber erstaunlich gelassen an.
Schließlich ist es ein Skandal, dass Maaßen überhaupt [4][noch im Amt ist].
Fast zwei Monate ist es schon her, dass er per Bild-Zeitung bezweifelte,
dass es Hetzjagden in Chemnitz gab und dass ein im Internet kursierendes
Hetz-Video authentisch sei. Damit widersprach Maaßen bekanntlich nicht nur
der Kanzlerin, er versuchte auch, selbst Politik zu machen. Der Job eines
Verfassungsschützers aber ist es, zweifelsfrei Tatbestände zu recherchieren
– und sie nicht öffentlich zu deuten. Das bleibt Aufgabe von
PolitikerInnen.
## Seehofer hat keine Wahl mehr
Dass Maaßen sich in seiner jetzt bekannt gewordenen Rede erneut als Opfer
hinstellt, zeigt, dass er den Kern der Affäre nicht begreift. Er muss nicht
gehen, weil manche in der SPD den Bruch der Koalition wollen (was nicht zu
bestreiten ist). Er ist falsch in seinem Amt, weil er dafür fürchterlich
ungeeignet ist. Das Bild-Interview war nicht sein einziger schwerer Fehler.
Grüne und Linke warfen Maaßen nach dem Terroranschlag durch den Islamisten
Anis Amri vor, dass er die Öffentlichkeit [5][über die Rolle des
Verfassungsschutzes belogen habe]. In seiner Warschauer Rede liefert er
neue Belege für seine Inkompetenz.
Er sei für diese – „linksradikalen“ – Kräfte schon immer unliebsam ge…
weil er die Flüchtlingspolitik der Regierung stets kritisiert habe,
argumentiert er da. Damit betritt Maaßen endgültig das neurechte
Paralleluniversum, in dem AfD-AnhängerInnen alle Ereignisse so deuten, dass
Merkels Flüchtlingspolitik schuld ist. Welch ein übersteigertes Selbstbild
ist nötig, um so abenteuerliche Ursachen für das eigene Scheitern zu
erfinden? In AfD-Kreisen wird Maaßen jedenfalls schon als Märtyrer
gefeiert.
Seehofer, der lange an dem Verfassungsschützer festhielt, hat keine Wahl
mehr. Er muss den verbeamteten Egomanen an die Luft setzen. Der
Innenminister sollte im gleichen Atemzug seinen eigenen Rücktritt
verkünden. Es war verantwortungslos, dass Seehofer das Sicherheitsrisiko
Maaßen so lange geduldet hat. Der Schaden, den er dem Ansehen des Staates
zufügte, wird bleiben.
5 Nov 2018
## LINKS
[1] /Reaktionen-auf-Maassens-Abschiedsrede/!5547917
[2] https://twitter.com/b_riexinger/status/1059207655728791556
[3] /Umstrittener-Verfassungsschutzchef/!5547914
[4] /Nachfolger-Hans-Georg-Maassens/!5545466
[5] /Aufklaerung-von-Breitscheidplatz-Anschlag/!5543898
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Hans-Georg Maaßen
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Schwerpunkt Angela Merkel
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