| # taz.de -- Aufklärung von Breitscheidplatz-Anschlag: Wie die Behörden versch… | |
| > Verfassungsschutz und BKA hatten den Terroristen Amri schon vor dem | |
| > Anschlag im Blick – zu dieser Ansicht ist der Untersuchungsausschuss | |
| > gelangt. | |
| Bild: Verwüstung: Nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz | |
| BERLIN taz | Viel weiß man nicht über Thilo Bork. Schon sein Name ist nicht | |
| echt – eine Tarnidentität, angelegt von seinem Arbeitgeber, dem Bundesamt | |
| für Verfassungsschutz. Dort arbeitet Bork als Referatsgruppenleiter, | |
| Abteilung Islamismus, zuständig für „Informationsbeschaffung“. Er | |
| koordiniert V-Leute-Einsätze, versucht ins Innerste der islamistischen | |
| Szene vorzudringen. Und hatte es früher wohl auch mit einem Tunesier zu | |
| tun: Anis Amri, dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz. Am Donnerstag | |
| wird sich Bork deshalb im Bundestag etliche Fragen stellen lassen müssen: | |
| Er ist als Zeuge in den Untersuchungsausschuss zu dem Terroranschlag | |
| geladen. | |
| Es wird um eine der Hauptfragen des Ausschusses gehen, der seit März tagt: | |
| Wusste der Verfassungsschutz doch mehr über Anis Amri, als er zugibt? Als | |
| „reinen Polizeifall“ hatte Noch-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg | |
| Maaßen Amris Terroranschlag anfangs bezeichnet. Man habe dazu keine eigenen | |
| Erkenntnisse. Das, so arbeiteten die Abgeordneten bereits heraus, ist | |
| falsch. Die Frage ist nun: Warum redete der Geheimdienst seine Rolle klein? | |
| Elf Menschen starben im Dezember 2016, als Amri mit einem Lastwagen in den | |
| Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz fuhr. Den Lkw-Fahrer hatte er | |
| zuvor erschossen. Es war der bisher schwerste islamistische Anschlag in | |
| Deutschland. Dabei war Amri als Gefährder bei der Polizei in Berlin und | |
| Nordrhein-Westfalen registriert – und verschwand doch vom Radar. | |
| Es war eine Sachbearbeiterin im Bundesamt, Deckname Lia Freimuth, die im | |
| September im Ausschuss erstmals einräumte, dass man vor dem Anschlag sehr | |
| wohl auch „nachrichtendienstliche Mittel“ gegen Amri einsetzte. Seit Anfang | |
| 2016 habe es eine Personalakte zu dem Tunesier im Bundesamt gegeben. Die | |
| Einträge seien aber überschaubar gewesen. Also doch kein „reiner | |
| Polizeifall“? | |
| ## Interessenskonflikt und „offenkundige Ignoranz“ | |
| Freimuths früherer Referatsleiter relativierte die Aussage später: Man | |
| habe lediglich V-Leute auf Amri angesprochen und ihnen Fotos vorgelegt. | |
| Eine direkte Überwachung des Tunesiers habe nicht stattgefunden. Von | |
| „semantischen Spielchen“ spricht die Opposition. Der Verfassungsschutz habe | |
| „ganz eindeutig“ versucht, nähere Informationen über Amri zu bekommen, so | |
| Linken-Obfrau Martina Renner. Natürlich sei dies Geheimdienstarbeit. Auch | |
| Grünen-Obfrau Irene Mihalic nennt das ein „Faktum“. „Das Parlament und d… | |
| Öffentlichkeit wurden also getäuscht.“ | |
| Interessant wird nun, welche Version Verfassungsschützer Thilo Bork am | |
| Donnerstag liefert. Die Abgeordneten jedenfalls haben gleich eine ganze | |
| Reihe an Fragen an ihn. Denn schon zuvor war bekannt geworden, dass sich | |
| ein V-Mann des Bundesamts auch im direkten Umfeld von Amri bewegte – in der | |
| Berliner Fussilet-Moschee. Das Haus war ein Treff radikaler Islamisten, | |
| Amri war dort regelmäßiger Gast, genau wie der Spitzel. Amri sei oft in der | |
| Moschee gewesen, habe gar als Vorbeter ausgeholfen, berichtete der V-Mann | |
| dem Geheimdienst. Das Amt verteidigt sich: Die Hinweise habe der Spitzel | |
| erst nach dem Anschlag geliefert. Sein Fokus habe auf anderen Islamisten | |
| gelegen. | |
| Später dann tauchte ein interner Vermerk des Verfassungsschutzes auf: Ein | |
| „Hochkochen“ der Spitzel-Thematik „muss unterbunden werden“, notierte d… | |
| Behörde nach dem Anschlag. Da aber schlug der Fall schon Wellen. „Die Rolle | |
| des Verfassungsschutzes wurde von Anfang an bewusst kleingeredet“, | |
| kritisiert die Grüne Mihalic. „Wir müssen nun klären, warum.“ | |
| Kritik richtete sich zuletzt auch an die Bundesregierung. Denn das | |
| Innenministerium hatte – mit Segen des damaligen Ministers Thomas de | |
| Maizière (CDU) – als Beauftragte für den U-Ausschuss ausgerechnet die | |
| Beamtin Eva-Maria H. entsandt. Die wachte streng darüber, dass Zeugen | |
| nichts Geheimes offenbaren. Dann aber wurde bekannt: Eva-Maria H. war bis | |
| Mitte 2016 selbst Referatsleiterin beim Verfassungsschutz, just in der | |
| Islamismus-Abteilung. Dort hatte sie sich auch mit Kontaktleuten Amris | |
| beschäftigt. Den Abgeordneten wurde das verschwiegen. Und H. kommt nun | |
| selbst als Zeugin für den Ausschuss in Betracht – ist jetzt aber über alle | |
| Wissensstände des Gremiums bestens im Bilde, nahm auch an geheimen | |
| Sitzungen teil. | |
| Als offenkundigen „Interessenkonflikt“ kritisierte das der | |
| Ausschussvorsitzende Armin Schuster (CDU). SPD-Obmann Fritz Felgentreu | |
| spricht von „kompletter Ignoranz“ des Ministeriums. Für die Linke Renner | |
| wurde die Aufklärung damit „ganz klar erschwert“. Inzwischen hat das | |
| Innenministerium Eva-Maria H. aus dem Ausschuss abgezogen: „aus | |
| Fürsorgegründen“. | |
| ## Vorgang „Lacrima“ | |
| Es bleibt der Verdacht: Soll hier etwas kleingehalten werden? Hätten die | |
| Sicherheitsbehörden den Anschlag in Berlin doch verhindern können? | |
| Denn der Ausschuss förderte ebenfalls zutage, dass auch das | |
| Bundeskriminalamt – nicht nur die Polizei in Berlin und NRW – mit Amri | |
| beschäftigt war. Bereits Ende 2015, ein Jahr vor dem Anschlag in Berlin, | |
| sei man auf Amri gestoßen, gestand eine BKA-Beamtin im Ausschuss. Dies sei | |
| damals in einem „Gefahrenabwehrvorgang“ namens „Lacrima“ geschehen. Im | |
| Visier: sieben Tunesier, die 2014 nach Deutschland eingereist waren, um | |
| hier womöglich einen Anschlag zu begehen – angeleitet von dem früheren | |
| Berliner Rapper und dann führenden IS-Terroristen Denis Cuspert. Im Umfeld | |
| der Gruppe sei dann Amri aufgetaucht, so die Beamtin. | |
| Schon nach wenigen Wochen, sagt die Grüne Mihalic, habe der Ausschuss damit | |
| herausgearbeitet, dass zwei Bundesbehörden an Anis Amri dran waren – obwohl | |
| genau dies anfangs bestritten wurde. „Und obwohl die Bundesregierung alles | |
| tut, um die Aufklärung zu bremsen“. SPD-Kollege Felgentreu aber verspricht | |
| Hartnäckigkeit: „Wir werden nicht lockerlassen.“ | |
| 18 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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