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# taz.de -- Fahrverbote in Berlin: Das Diesel-Dilemma
> Was bringen die Fahrverbote für Dieselfahrzeuge? Umweltorganisationen
> sind sich einig: Eine Verbotszone wäre effektiver als einzelne
> Straßenabschnitte.
Bild: Kann Verkehrssenatorin Regine Günther die Gefahr durch Dieselabgase bann…
Die Entscheidung vom Dienstag ist glasklar: An 11 Straßenabschnitten muss
der Senat bis März 2019 Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge einrichten,
für 117 weitere Abschnitte sind Verbote zu prüfen. Damit hat die Deutsche
Umwelthilfe (DUH) einen Sieg errungen – sie war gegen den Senat vor das
Verwaltungsgericht gezogen, weil dieser die Grenzwertüberschreitungen bei
Stickstoffdioxid (NO2) in der Luft nicht verhinderte. Aber ist das schon
ein Sieg für Umwelt und Mensch?
Dagegen sprechen zwei Aspekte: Erstens ist die Einhaltung von
streckenweisen Fahrverboten kaum kontrollierbar. Die kurzen
Straßenabschnitte – im Fall der Friedrichstraße gerade mal 70 Meter
zwischen Mittel- und Dorotheenstraße – sind oft in wenigen Sekunden
durchfahren, und eine eindeutige Kennzeichnung der verbotenen Fahrzeuge
gibt es (noch) nicht. Die Gewerkschaft der Polizei spricht von 3.000
zusätzlichen Beamten, die für eine effektive Kontrolle nötig seien. Das ist
eine polemische Zuspitzung, aber im Grundsatz ein richtiges Argument.
Bei der Verkehrsverwaltung blendet man solche Überlegungen derzeit komplett
aus: „Wir gehen davon aus, dass sich die große Mehrheit der
Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer an die Regeln hält“, sagt der
Sprecher von Senatorin Regine Günther (parteilos), „mit der Polizei wird
abzustimmen sein, wie eine effektive Kontrolle aussehen kann.“
## Verdünnte Schadstoffe
Zweitens spricht gegen streckenweise Fahrverbote, dass die Schadstofflast
in der Summe nicht abnimmt, sondern im besten Fall „verdünnt“ wird, weil
sie sich über eine größere Fläche verteilt. Im schlechtesten Fall führt das
zu neuen Grenzwertüberschreitungen in den Straßen, durch die der
Umgehungsverkehr dann rollt.
Kein Wunder, dass sich kaum jemand richtig über das Urteil freut. „Das ist
kein Sieg, sondern bittere Notwendigkeit“, meint Gerd Lottsiepen,
verkehrspolitischer Sprecher des VCD-Bundesverbands. Geschuldet sei sie den
Versäumnissen der Politik und den Schummeleien der Industrie. „Ein Sieg für
nachhaltige Mobilität wäre eine starke Zunahme des Umweltverbunds aus ÖPNV,
Fahrrad und Fußverkehr, aber das geht nur in kleinen Schritten“, so
Lottsiepen. Schnelle Effekte brächten nur Hardwarenachrüstungen und
Fahrverbote. Hier wäre seiner Meinung nach eine Zonenregelung besser. Aber:
„Die Fahrverbote erhöhen jetzt schon den Druck auf die Hersteller.“
Auch Martin Schlegel vom BUND sagt: „Ein flächenhaftes Fahrverbot wäre
besser“, am besten in Kombination mit der sogenannten blauen Plakette für
Dieselfahrzeuge, die die Grenzwerte für den NO2-Ausstoß einhalten. Wenn die
Bundesregierung hier nicht tätig werde, solle Berlin im Alleingang eine
solche Plakette einführen. Das sei auch im Schulterschluss mit Hamburg
möglich.
## Didaktische Wirkung
Eine „didaktische Wirkung“ erhofft er sich immerhin von den jetzt
angeordneten Fahrverboten, weil diese mit Invaliden- und Friedrichstraße
auch im Einzugsbereich der Bundesministerien eingerichtet würden. Seine
Organisation setze aber generell auf mehr Tempo 30 in Hauptverkehrsstraßen.
Da habe der Senat künftig bessere Karten: Er könne ja Tempolimits jetzt mit
dem Argument „Immerhin verhängen wir kein Fahrverbot“ verteidigen.
Der verkehrspolitische Sprecher der Grünenfraktion, Harald Moritz, „hielte
es persönlich für sympathisch“, wenn eine künftige blaue Plakette gleich
für die ganze Umweltzone gälte: „Damit würden wir auch ganz deutlich unter
die Grenzwerte kommen. Es bringt ja nichts, immer nur an denen zu kratzen.“
Eine solche Lösung bräuchte aber viel längere Vorlaufzeiten – „rechtlich
sehe ich da erst mal keine Möglichkeit“.
DUH-Rechtsanwalt Peter Kremer stellt allerdings in Aussicht, dass das
Zonen-Verbot noch eine Chance hat: „Die Richter haben bestätigt, dass es
nicht auf einen durchschnittlichen Wert ankommt, sondern dass der Grenzwert
an jeder Stelle in der Stadt eingehalten werden muss. Jeder Anwohner kann
das jetzt vom Senat für sein Haus verlangen.“ Wenn die Senatsverwaltung bis
Ende März nicht nachweisen könne, dass die durch Streckenverbote
hervorgerufenen Ausweichverkehre kein Problem darstellten, werde sie um ein
zonales Fahrverbot „nicht herumkommen.“
10 Oct 2018
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Regine Günther
Dieselfahrverbot
Gerichtsentscheid
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Wochenkommentar
Fahrverbot
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