# taz.de -- Diesel-Fahrverbote in Berlins Innenstadt: Es stank zum Himmel | |
> Berlin muss laut Gerichtsurteil Fahrverbote für Diesel verhängen. Schuld | |
> sei die Autoindustrie und die Bundesregierung, sagt die | |
> Verkehrssenatorin. | |
Bild: Hier wird nicht mehr gedieselt: Leipziger Straße in Berlin | |
Für Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen) ist die | |
Welt an diesem Dienstagnachmittag klar geordnet: Bundesregierung und | |
Autoindustrie sind die Bösen; der Senat hingegen habe alles getan, um | |
Besitzer von Dieselfahrzeugen vor dem Schlimmsten zu bewahren. Eine Stunde | |
zuvor hatte das Verwaltungsgericht die Landesregierung dazu verurteilt, an | |
elf Streckenabschnitten innerhalb des S-Bahn-Rings ab April ein Fahrverbot | |
für Diesel bis zu Schadstoffklasse Euro fünf zu verhängen | |
Mit der Sperrung dieser stark belasteten Abschnitte (siehe Kasten) soll | |
erreicht werden, dass der Grenzwert für den Schadstoff Stickstoffdioxid | |
eingehalten wird. Betroffen sind unter anderem Teile der Leipziger Straße, | |
die Reinhardtstraße, die Brückenstraße und der Friedrichstraße, alle in | |
Mitte gelegen. Dieselautos sind ein Hauptverursacher für schlechte Luft in | |
Städten. | |
Ihre Politik habe darauf abgezielt, die Grenzwerte einzuhalten, betonte | |
Günther. Dafür habe sie an einigen Strecken Tempo 30 eingeführt und einige | |
BVG-Busse technisch aufgerüstet. „Die Streckenkilometer, wo die Grenzwerte | |
überschritten sind, haben wir reduziert“, betonte Günther. Dass das an | |
einigen stark belasteten nicht ausreichen würde, hatte sie allerdings in | |
den vergangenen Monaten bereits mehrfach angekündigt. | |
Der Luftreinhalteplan des Senats werde nun angepasst; ab „Juni oder Juli“ | |
könnten die partiellen Fahrverbote dann gelten. Zudem werde geprüft, ob an | |
weiteren Stellen Tempo 30 gelten muss. Günther kritisierte die | |
Bundesregierung und die Autoindustrie, die durch ihr „Nichthandeln“ – | |
sprich keine Hardwarenachrüstung für ältere Dieselfahrzeuge – das Urteil in | |
Kauf genommen hätten. Und die Tatsache, dass die Regierung eine Blaue | |
Plakette für saubere Diesel nicht für nötig hält, erschwere die Kontrolle | |
der Fahrverbote. So seien wohl lediglich Stichproben durch die Polizei | |
möglich, betonte die Senatorin. | |
Laut dem Urteil muss das Land für weitere Abschnitte mit einer Gesamtlänge | |
von 15 Kilometern Fahrverbote prüfen. Zudem werde man in den nächsten | |
Monaten ausarbeiten, welche Autos betroffen sind und wie verhindert werden | |
könne, dass sich der Dieselverkehr auf Nebenstrecken verlagere. „Wir müssen | |
sicherstellen, dass das nicht passiert“, betonte Günther. Das Urteil sei | |
aber noch nicht rechtskräftig: In drei Wochen erwarte man die schriftliche | |
Begründung, dann werde der Senat darüber entscheiden, ob man dagegen | |
vorgehe. | |
Begeistert von dem Urteil zeigten sich nur wenige Stimmen in Berlin. | |
„Sinnvoll und längst überfällig“, kommentierte der Pankower | |
Grünen-Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar. Doch schon sein Parteifreund | |
Harald Moritz, verkehrspolitischer Sprecher der grünen | |
Abgeordnetenhausfraktion, sprach davon, man müsse nun „notgedrungen | |
Fahrverbote erlassen“. Enttäuscht wiederum äußerte sich der Bund für Umwe… | |
und Naturschutz (Bund), der auf eine Fahrverbotszone gehofft hatte. „Mit | |
über das Stadtgebiet verteilten Einzellösungen werden die | |
Stickoxid-Belastungen lediglich anders verteilt, nicht generell gemindert“, | |
äußerte sich BUND-Verkehrsreferent Martin Schlegel. | |
Die Industrie- und Handelskammer hatte merklich Schlimmeres für ihre | |
Mitglieder als die jetzt verfügten elf gesperrten Straßen erwartet. „Lokale | |
Fahrverbote kann die Stadt verkraften, solange der Lieferverkehr gesichert | |
ist und die Durchfahrtverbote zeitlich begrenzt bleiben“, kommentierte | |
IHK-Präsidentin Beatrice Kramm. Weit kritischer klingt die Reaktion von | |
Handwerkskammer-Präsident Stephan Schwarz: „Sie brauchen ein neues Dach? | |
Ode einfach nur eine neue Küche? Das wird in Zukunft oft nicht möglich | |
sein.“ Handwerker seien auf die Nutzung von Dieselfahrzeugen angewiesen. | |
Nach Zahlen von Schwarz sind 50.000 der in Berlin betroffenen 200.00 | |
Dieselautos Handwerker-Fahrzeuge. | |
Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus sprach erwartbar von einer „Ohrfeige | |
für den Senat“, der es verpasst habe, Maßnahmen gegen drohende Fahrverbote | |
mit Wirtschaftsvertretern zu verabreden. Die CDU-Fraktion teile den Appell | |
von Unternehmensverbänden an den Senat, Berufung gegen das Urteil | |
einzulegen: „Wir wollen saubere Luft – aber ohne den Autofahrern und | |
Unternehmern die Luft zum Atmen zu nehmen.“ Die FDP-Fraktion drängte | |
darauf, die Fahrverbote auf einzelne Stickoxid-“Hotspots“ zu begrenzen. | |
Von der AfD-Fraktion hieß es, der Senat hätte das Urteil vermeiden können, | |
sie warf ihm eine „Autohass-Politik“ vor: Es wäre aus ihrer Sicht längst | |
möglich gewesen, die Fahrzeuge der landeseigenen Unternehmen wie der BVG | |
und der BSR auf Euro-6-Diesel oder Gasbetrieb umzustellen. | |
9 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
Bert Schulz | |
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