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# taz.de -- Spike Lees neuer Film „BlacKkKlansman“: Schwarzer Polizist unte…
> In seiner Komödie „BlacKkKlansman“ schleust Spike Lee einen schwarzen
> Polizisten beim Ku Klux Klan ein. Es gab ihn wirklich, diesen Ron
> Stallworth.
Bild: Auch der Afro gehört zum selbstbewussten Auftritt: John David Washington…
Swagger“ ist das neue Zauberwort. Die einschlägigen Webseiten übersetzen
den Begriff noch mit „stolzieren“, „großtun“, „prahlen“, mithin al…
das negativ auffällt. Aber genau das hat sich geändert. Die „sehr
selbstbewusste und arrogante Art und Weise des Auftritts“, wie „Swagger“ …
englischen Wörterbuch definiert wird, ist zum beneideten Attribut geworden.
Wer „Swagger“ hat, traut sich was, und das auch noch mit „Style“. So wie
eben Ron Stallworth (John David Washington), der mit beiden Händen
liebevoll die Form seines ballongroßen Afros überprüft, bevor er
„stolzierend“ das Polizeigebäude von Colorado Springs betritt, in dem er
dann beim Vorstellungsgespräch zwei weißen Polizisten gegenübersitzt.
Die Bewerbung von Minderheiten sei erwünscht, hatte es in der Annonce
geheißen. Der erste schwarze Polizist in Colorado Springs dürfe aber
keineswegs zu empfindlich auf Rassismus reagieren, so machen ihm seine
zukünftigen Vorgesetzten klar, er müsse sich beherrschen, auch wenn ihn
jemand „Nigger“ nennt. Sie nehmen die Warnung prompt zum Anlass, selbst ein
bisschen Rassismus zeigen zu dürfen, so zum Austesten, versteht sich.
Dass eine gehörige Portion an Selbstbewusstsein und Arroganz eine
Überlebensstrategie gegen Rassismus in Amerika sein kann, das hat Spike Lee
schon in seinem Erstlingsfilm vor 32 Jahren gezeigt, dem
Low-Budget-Überraschungshit „She’s Gotta Have It“. Da war es seine von d…
Liebhabern gleichzeitig hofierte Heldin, die eindeutig „Swagger“ besaß.
Spike Lee, mittlerweile 61 Jahre alt und etliche Spiel-, Dokumentar- und
Kurzfilme weiter, hat es selbst; oft genug wird es ihm als Großspurigkeit
ausgelegt, als Mangel an Subtilität. Und tatsächlich: Wie subtil kann schon
ein Film sein, der wie „BlacKkKlansman“ mit ungefähr den Worten beginnt:
„Dieser Scheiß ist wirklich passiert?“
Präziser wäre natürlich zu sagen: Es gab ihn wirklich, diesen Ron
Stallworth. Tatsächlich war er Anfang der 70er Jahre der erste
Afroamerikaner bei der Polizei in Colorado Springs, und tatsächlich hat er
in einer verdeckten Ermittlung die Ortsgruppe des Ku Klux Klan
unterwandert. Die Trophäe eines Mitgliedsausweises, unterschrieben vom
damaligen „Grand Wizard“ und heutigen Freund Donald Trumps, David Duke,
bezeugt das. Trotzdem kann man sicher sein, dass natürlich nichts wirklich
so war, wie es Spike Lee in „BlacKkKlansman“ zeigt.
Aber es geht Lee eben auch nicht um die „wahren Ereignisse“, sondern um
Haltung und Politik, mithin um Stil, Bilder und Worte, und welche Ziele mit
ihnen verfolgt werden. Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass ein
Schwarzer vom Klu Klux Klan aufgenommen wird? Es lag an der Artikulation:
Stallworth rief einfach bei ihnen an. Und da sich die Rassisten so sicher
sind, den anderen als eben „anders“ auszumachen, glaubten sie nicht, dass
jemand, der so „normal“ Englisch spricht wie Ron, eine andere Hautfarbe als
Weiß haben könnte.
## Stoff von Black-Panther-Parolen
Lee inszeniert diesen Schlüsselmoment der Erzählung übrigens durchaus mit
Subtilität: Sein Ron (von Denzel Washingtons Sohn John David wunderbar auf
der Grenze von Draufgängertum und Spaßmacher gespielt) verstellt sich
nicht; er äfft nicht etwa die Sprechweise der Weißen nach, nein, er spricht
sein selbstverständliches Englisch. Es sind die anderen, die darin eine
andere Hautfarbe hören wollen. Als Ron für die persönliche Begegnung mit
den Klansmännern sein weißes „Stand-in“ in Gestalt von Adam Driver anlern…
muss, übt er mit ihm deshalb explizit seine, Rons Diktion – am Stoff von
Black-Panther-Parolen.
Als Glücksfall für „BlacKkKlansman“ erweist sich, dass Stallworths
Geschichte in den 1970er Jahren spielt. Von den raumgreifenden Afrofrisuren
über die martialischen Lederjacken bis hin zur betont bunten Ethnokleidung
bekräftigte die damalige Mode das schwarze Selbstbewusstsein, weg vom
einengenden weißen Schönheitsideal hin zu „Black is Beautiful“.
Als erste Ermittlungsaufgabe soll Ron eine Veranstaltung mit
Black-Panther-Aktivist Stokely Carmichael alias Kwame Ture auskundschaften.
Und während er unerkannt im Publikum sitzend wie wider Willen von den
aufrührenden Worten Tures ergriffen wird, lässt Lee in Werbespotmanier
einzelne Köpfe über die Leinwand treiben. Völlig unterschiedliche Männer
und Frauen, geschmückt, geschminkt, mit Bärten oder mit „nackten“
Gesichtern, aber alle schwarz und schön.
Lee, und auch das macht seinen Film so völlig unsubtil, kennt ganz klare
Feindbilder. Dazu gehören zum Beispiel die Bilder aus D. W. Griffiths „The
Birth of a Nation“, auf die er wieder und wieder Bezug nimmt. Gleich in den
ersten Minuten von „BlacKkKlansman“ etwa sieht man Alec Baldwin,
vorgestellt als „Dr Kennebrew Beauregard“, der mit geifernder Stimme vor
dem nationalen Verfall durch „Integration und Rassenmischung“ warnt. „Wir
waren einst eine große Nation“, lamentiert er, während Szenen aus „Birth …
a Nation“ auf sein Gesicht projiziert werden – und der Zuschauer die
Anspielung auf Trumps Sprüche heraushört.
Immer mehr gerät Beauregard ins Stottern bei den suprematistischen Parolen,
immer deutlicher merkt man, dass dieses Reden eine „Performance“ ist. An
späterer Stelle im Film gibt es noch einmal eine Sequenz, in der „Birth of
a Nation“ eine Rolle spielt: hier jubelt die Ku-Klux-Klan-Ortsgruppe den
hetzerischen Bildern zu, sie putscht sich damit auf für ein geplantes
Attentat.
Parallel dazu – fast möchte man sagen in Griffith’scher Manier – schneid…
Lee die Bilder einer ganz anderen Versammlung. Dort schildert ein
charismatischer Harry Belafonte seinem Publikum den Lynchmord, dem der
17-jährige Jesse Washington 1916 in Waco, Texas, zum Opfer fiel. In das
emotionale „Ah“ und „Oh“ seiner Zuhörer hinein benennt Belafontes Figur
schließlich den Zusammenhang: Auch Jesses Lynchmörder hatten sich durch die
dehumanisierende Darstellung der Schwarzen in „Birth of a Nation“
aufwiegeln lassen.
## Politisch zu platt
Für einige Zuschauer mögen diese und andere Sequenzen des Films politisch
zu platt sein, zu selbstgefällig in der Verteilung von Gut und Böse, zu
offensichtlich in ihrer Politik. Zumal Lee die Klansmänner in der Mehrheit
als fast schon grotesk dumm darstellt und das Hauptziel seines Humors eine
dicke, besonders fanatische Frau ist. Aber Lee will wahrscheinlich genauso
wenig Andersdenkende überzeugen wie es Quentin Tarantino mit seinem
ebenfalls wenig subtilen „Django Unchained“ tat.
Im flotten Tempo der Ereignisse, in der Gewitztheit seiner Helden, den
stolzen Zitaten aus Blaxploitation-Filmen und der entsprechenden Musik dazu
gelingt Lee jedoch eine Ermutigung. Er feiert eine Haltung, die sich den
Spaß nicht verderben lassen will. Was in diesem Fall nicht hedonistisch
gemeint ist, sondern als Bekenntnis zur Popkultur. Auch die grauen Beamten,
die Ron in seinem Vorhaben logistisch unterstützen, sind in der Lage, mit
gönnerhafter Coolness „ihre“ schwarzen Helden aus Musik und Sport
aufzuzählen.
In Lees Identity Politics ist „Identität“ kein Schicksal, sondern ein
Konstrukt. Adam Drivers Figur bringt erst der Zwang zur Verleugnung der
eigenen jüdischen Identität gegenüber den Klansmännern zum Nachdenken über
dieselbe. Rassismus ist, wenn andere darüber bestimmen wollen, was man ist.
Die ermächtigende Berufung auf selbst gewählte Vorbilder und Traditionen,
verkörpert mit Swagger, kann dagegen helfen.
22 Aug 2018
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
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