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# taz.de -- Serie „Waco“ bei Paramount+: Tote auf beiden Seiten
> Was mit einem Konflikt zwischen einer Behörde und einer Sekte beginnt,
> endet in einer Katastrophe. Dabei hat „Waco“ einen unangenehmen
> Beigeschmack.
Bild: David Koresh (Taylor Kitsch) als selbsternannter Prophet
Der Geburtsort des [1][Softdrinks Dr. Pepper] und die älteste noch aktive
Uni Texas’: Dafür könnte die US-amerikanische Stadt Waco bekannt sein. Doch
dass der Ort, in dem konservative Präsidentschaftskandidaten gerne mal
Wahlkampfstation machen, tatsächlich einmal Schlagzeilen machte und der
Miniserie „Waco“ ihren Titel gibt, hat andere Gründe. 1993 kam es hier üb…
fast zwei Monate zu einer tragisch endenden Auseinandersetzung zwischen
US-Behörden und einer kleinen fundamentalistischen Religionsgemeinschaft –
und genau davon erzählt der Sechsteiler, der nun mit fünf Jahren Verspätung
beim Streamingdienst Paramount+ erstmals in Deutschland zu sehen ist.
Was die grundlegenden Fakten dieses mindestens in den USA medial
hinlänglich begleiteten Falles angeht, tut die von den Brüdern John Erik
und Drew Dowdle verantwortete Serie ohne Frage ihren Dienst. Nachdem das
Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives – kurz: ATF – sich in
einem anderen Konflikt nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat und um
Zuschüsse fürchtet, richtete die Strafverfolgungsbehörde in der Hoffnung
auf einen schnellen Erfolg ihre Aufmerksamkeit auf David Koresh (Taylor
Kitsch).
Auf dem Mount Carmel leitet der selbsternannte Prophet die Branch
Davidians, eine Adventisten-Abspaltung: rund 130 streng gläubige
Christ*innen leben kommunenartig und ohne fließend Wasser, während sie
auf einen Krieg mit den weltlichen Mächten und das Ende aller Tage warten.
Darüber hinaus verlangt Koresh von allen männlichen Sektenmitgliedern
Enthaltsamkeit, während er mit den Frauen regelmäßig Kinder zeugt. Nach
außen dringende Vorwürfe von Kindesmissbrauch machen die Runde, wobei in
die Zuständigkeit des ATF vor allem der Verdacht des illegalen
Waffenbesitzes fällt. Eine Beobachtung wird veranlasst, ein Informant (John
Leguizamo) eingeschleust, der sich der Bibelkenntnis und beträchtlichen
Ausstrahlung Koreshs nur bedingt entziehen kann.
Der Versuch, die Anlage [2][der Sekte] zu stürmen, geht allerdings schief,
es kommt zu heftigen Schusswechseln und Toten auf beiden Seiten. Das FBI
schaltet sich ein, und über Wochen zieht sich eine Belagerung hin, während
der Verhandlungsführer Gary Noesner (Michael Shannon) um eine friedliche
Lösung ringt und Koresh bemüht ist, seine sich nicht als Geiseln
verstehenden Jünger*innen weiterhin um sich zu scharen. Am Ende stehen
nach einem letzten Angriff und einem verheerenden Feuer vier tote
Bundesbeamte sowie 82 Opfer auf Seiten der Branch Davidians, darunter
Koresh selbst und 28 Kinder.
## Ein Spielfilm wäre besser gewesen
Eine illustre, überzeugende Besetzung, zu der unter anderem auch Andrea
Riseborough, Rory Culkin, Julia Garner und Paul Sparks gehören, ist das
große Pfund, mit dem „Waco“ wuchern kann. Und natürlich ist auch die
kompetent inszenierte Geschichte faszinierend und spannend, sowohl wenn man
mit den Vorfällen einigermaßen vertraut ist als auch wenn man ihren Ausgang
nicht kennt. Allerdings braucht die Serie ein paar Episoden bis zum Beginn
der eigentlichen Belagerung, bis man ein wirkliches Verständnis dafür
entwickelt hat, wo in der Chronologie der Abläufe man sich gerade befindet.
Womöglich wäre ein Spielfilm, wie ihn die Dowdles ursprünglich angedacht
hatten, doch die effizientere Option gewesen.
Wo andere True-Crime-Fiktionalisierungen von „Manhunt: Unabomber“ bis
[3][„Mord im Auftrag Gottes“] den Raum des seriellen Erzählens allerdings
dazu nutzen, komplexe Zusammenhänge, Hintergründe und Vorgeschichten
auszuloten, konzentriert sich die auf gleich zwei Sachbüchern basierende
Serie größtenteils auf die 51 Tage andauernde Belagerung.
Die Kompetenzrangeleien zwischen ATF und FBI werden überzeugend
eingefangen, doch ausgerechnet in der Darstellung Koreshs und dem Versuch,
die Wut aufgebrachter Bürger auf staatliche Einrichtungen nachzuvollziehen,
gerät „Waco“ gehörig ins Trudeln. Im Bemühen um Verständnis und
Ausgewogenheit werden die zahllosen Straftaten und Verfehlungen des Branch
Davidian-Führers und etlicher seiner Anhänger*innen derart
heruntergespielt oder zur Seite geschoben, dass das Ganze einen eher
unangenehmen Beigeschmack hat.
24 Aug 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Patrick Heidmann
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