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# taz.de -- Spike Lees Netflix-Film „Da 5 Bloods“: Gott ist mein Freund
> Im Zeichen von Black Lives Matter: In Spike Lees Netflix-Film „Da 5
> Bloods“ gehen afroamerikanische Vietnam-Veteranen auf eine geheime
> Mission.
Bild: Schwarze Veteranen zurück im Dschungel von Vietnam: Spike Lees neuer Fil…
„America has declared war on black people.“ Der Satz stammt nicht aus
diesen Tagen, sondern aus dem Jahr 1968. Gesagt hat ihn der
US-amerikanische Bürgerrechtler Stokeley Carmichael, der zu diesem
Zeitpunkt den Namen Kwame Ture angenommen hatte. Amerika hat den Schwarzen
den Krieg erklärt. Auf die Aktualität dieser Worte verweist der Regisseur
Spike Lee in seinem jüngsten Spielfilm, „Da 5 Bloods“, den er mit
zusammenmontierten Aussagen von Bürgerrechtlern beginnen lässt.
So ist Angela Davis zu sehen, wie sie 1969 vor dem Hintergrund des
Vietnamkriegs vor einem drohenden Faschismus in den USA warnt. Schnitt ins
Jahr 1970 zum Kent-State-Massaker, bei dem die Nationalgarde vier friedlich
demonstrierende Studenten erschoss. Und [1][Black-Panthers-Mitgründer
Bobby Seale] erinnert 1968 daran, wie den afroamerikanischen Soldaten
schon im Zweiten Weltkrieg und später im Vietnamkrieg ihre Freiheit
versprochen wurde, ohne dass dies je eingelöst worden wäre. Stattdessen
gebe es „rassistische Polizeibrutalität“.
Ganz im Sinne dieser Exposition konzentriert sich Spike Lee in „Da 5
Bloods“ auf die Verbindung von Vietnamkrieg und Rassismus. Im heutigen
Saigon treffen sich die vier „Bloods“ Paul, Melvin, Otis und Eddie,
afroamerikanische Vietnam-Veteranen, um die sterblichen Überreste von
Norman, dem fünften ihrer damaligen Einheit, aufzuspüren und überführen zu
lassen.
Wie bei einer Art Klassentreffen setzt die Handlung ein: Man scherzt, geht
zusammen essen und feiern, bevor man tags darauf in den Dschungel
aufbricht, auf der Tonspur begleitet von Wagners „Walkürenritt“. So eine
ironische Verneigung vor Francis Ford Coppolas Vietnamklassiker „Apocalypse
Now“ muss eben mal sein.
Die Kriegsvergangenheit lässt Lee schon recht früh in Rückblenden als
Erinnerungen der vier GIs aufblitzen, der Eindeutigkeit halber quetscht er
das Bildformat ein wenig zusammen. Schon in der ersten Rückblende wird
klargestellt, dass die vier Kameraden mehr finden wollen als Knochen und
eine Dienstplakette. Denn Norman verloren sie damals auf einer Mission, sie
sollten ein abgeschossenes Armeeflugzeug sichern. Im Inneren des Wracks
fanden sie eine Kiste voll Gold, das die CIA an Kollaborateure auszahlen
wollte. Doch die „Bloods“ vergruben das Gold, um es später zu holen.
Nicht alle der vier haben ihren Kriegseinsatz gleichermaßen gut
überstanden. Besonders Paul (Delroy Lindo) zeigt sich schwer traumatisiert
und verbissen. Kompliziert wird die Expedition zudem durch Pauls Sohn David
(Jonathan Majors), der unerwartet zu der Gruppe stößt und sich an ihrer
Beute beteiligen will.
Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn stellt sich als höchst distanziert
heraus, die Spannungen zwischen ihnen strahlen auf die gesamte Gruppe ab.
Wobei die Suche nach dem Gold und die Frage, was damit zu tun ist, auch
nicht gerade dem Zusammenhalt dienen.
Lee flicht in diese Geschichte von ehemaligen Soldaten, die in einem Krieg
kämpften, den sie nicht als ihren empfanden, immer wieder Verweise auf den
„Krieg“, der parallel in den USA tobte: Als ein vietnamesischer
Propagandasender seinerzeit etwa die Ermordung Martin Luther Kings auf
Englisch vermeldete, wollten die Bloods sogar ihre weißen Kameraden
erschießen. Allein die Überzeugungskraft ihres Anführers Norman
(charismatisch: Chadwick Boseman) konnte das verhindern.
Im gegenwärtigen Teil der Handlung wiederum trägt David in einer Szene ein
T-Shirt mit dem Schriftzug „Morehouse“, dem Namen eines Colleges, das
während der Rassentrennung lediglich von Afroamerikanern besucht werden
durfte.
Zu bewegen vermag „Da 5 Bloods“ besonders durch einige der von Spike Lee –
gewohnt plakativ – gesetzten kulturellen Referenzen. Vor allem zitiert er
Marvin Gayes Album „What’s Going On“, das der Soulsänger 1971 als Protest
gegen den Vietnamkrieg veröffentlichte. Die Songs erklingen, während die
Veteranen den Dschungel durchstreifen, teils in ihrer ursprünglichen
Gestalt, teils nutzt Lee allein die Gesangsspur wie beim Titelsong „What’s
Going On“, was die Stimme zu einem gespenstischen Nachhall des Originals
mutieren lässt. Und wenn Paul in einer dramatisch bedrohlichen Szene „God
is My Friend“ singt, wird der Song zum überraschend zärtlichen Gebet.
An anderer Stelle darf David auf die Französin Hedy (Mélanie Thierry)
treffen, um für ein wenig culture clash von europäischem Bildungsbürgertum
und schwarzer US-Popkultur zu sorgen: Hedy verdankt ihren Vornamen, wie sie
ihm verrät, dem Hollywoodstar Hedy Lamarr. hinter Davids Namen vermutet sie
biblische Vorbilder. Worauf er lächelnd erwidert: „Nein, David wie in David
Ruffin von den Temptations.“
Lee verliert sich allerdings in zu vielen umständlichen Volten, die dem
Tempo nicht immer guttun, und arbeitet sich oft ungelenk an seinen Thesen
ab. Den Fluss und Witz von „BlacKkKlansman“ kann er nicht erreichen, und
die zweieinhalb Stunden Dauer wären womöglich auch nicht unbedingt nötig
gewesen.
Was im Detail misslungen sein mag, gleicht er aber mit nahezu unheimlichem
Timing aus übergeordneter Perspektive aus: Der Film hätte als Beitrag zur
global erstarkten „Black Lives Matter“-Bewegung nicht pünktlicher
erscheinen können.
17 Jun 2020
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[1] /Black-Panthers-Dokus-auf-der-Berlinale/!5664106
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Black Lives Matter
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Spike Lee
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