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# taz.de -- Jugendbuchverfilmung „The Hate U Give“: Wo eine Haarbürste zur…
> Gute Ensemblearbeit bietet die Literaturverfilmung „The Hate U Give“. Sie
> zeigt eine junge Afroamerikanerin im Konflikt mit „weiß“ und „schwarz�…
Bild: Starr (Amandla Stenberg) findet ihre eigene Stimme im Protest gegen den T…
Das Stichwort des „Sozialen“ wird oft gebraucht, um von den konkreten
Umständen der Herkunft, der Erziehung und vor allem den damit verbundenen
Gefühlen zu abstrahieren. Was der Grund dafür sein mag, dass Regisseur
George Tillman Jr. seine Verfilmung des amerikanischen Jugendbucherfolgs
von Angie Thomas’ „The Hate U Give“ mit einer ganz konkreten
Ortsbeschreibung beginnen lässt.
Die Kamera fährt eine geradezu idyllische Straße entlang mit ballspielenden
Kindern, radfahrenden Mädchen und Alten, die gemütlich über den Bürgersteig
schlendern. Dann schwenkt sie in ein kleines Haus, in der ein junger
Familienvater seinen drei kleinen Kindern eine Art Vortrag hält.
Es handelt sich um das, was in den USA in erschreckender Einfachheit „The
Talk“ genannt wird – eine Unterweisung darin, wie man als Mensch mit
dunkler Hautfarbe die ganz banale Alltagssituation eines Verkehrsstopps
durch die Polizei überlebt. „Lasst euch nicht auf einen Streit ein, und
lasst den Polizisten zu jeder Zeit eure Hände sehen!“, mahnt der Vater.
Sie sei neun Jahre alt gewesen, als ihr Vater ihr zum ersten Mal den „Talk“
gegeben habe, erzählt schließlich die 15-jährige Starr (Amandla Stenberg)
aus dem Off. Das Viertel Garden Heights sei der Geburtsort ihrer Eltern;
hier zwischen dem Grill von Mr. Reubens und dem Barbershop von Mr. Lewis
sei ihr Zuhause. Die Soziologie würde den Stadtteil, den die Kamera in
atmosphärischen, zu HipHop rhythmisierten Schwenks zeigt, „black low-income
neighborhood“ nennen. Für Starr ist es da, wo „our folks“ wohnen.
Die trockenen Analysen des Rassismus in den USA und seiner Gegenwehr in
Form der „Black Lives Matter“-Bewegung mit Anschaulichkeit und vor allem
Emotion zu füllen, hat sich schon Angie Thomas beim Verfassen ihres Romans
vorgenommen. Tillman Jr. setzt dem mit geradezu sturem Kamerablick aufs
konkrete Beispiel noch eins drauf. Das verleiht dem Film „The Hate U Give“
an vielen Stellen etwas Pädagogisches. Was man aber bei diesem Thema ganz
gut hinnehmen kann.
## Nicht an die Regeln aus dem „Talk“ gehalten
So sieht man es zwar von weither kommen, dass die in relativem Behütetsein
aufwachsende Starr eine Art schlimmes Erwachen haben wird, aber wenn es
dann eintritt, ist man dennoch erschüttert. Vom Beifahrersitz aus muss
Starr verfolgen, wie Khalil (Algee Smith), ein Freund aus Kindertagen, bei
einer Polizeikontrolle erschossen wird. Er hatte sich nicht an die Regeln
aus dem „Talk“ gehalten; er hat Widerworte gegeben und vor allem hat er
seine Hände bewegt, so dass der weiße Polizist die Haarbürste, die er
hielt, mit einer Waffe verwechselte.
Dass man danach Khalils Unschuld in Zweifel zieht, indem man ihn als
Drogendealer denunziert, ist für Starr nicht hinnehmbar. Aber erst nach und
nach findet das junge Mädchen zu der ihr angemessenen Form des Protestes.
So holzschnittartig die Erzählung rund um den Mord an Khalil angelegt ist –
aber vielleicht ist „holzschnittartig“ der falsche Ausdruck: es ist alles
so, wie man es aus den einschlägigen Fällen kennt –, so detailreich und
angemessen kompliziert beschreibt „The Hate U Give“ die Konfliktlage der
jugendlichen Heldin. Starr nämlich wandelt zwischen den Welten: Statt in
die Highschool ihres Viertels zu gehen („a place you go to get drunk, high,
pregnant or killed“), besucht sie eine katholische, mehrheitlich weiße
Privatschule am anderen Ende der Stadt. Ihren Hoodie steckt sie in den
Rucksack, bevor sie in Schuluniform die Klasse betritt.
## Das bildungsehrgeizige Ich verbergen
Im Auftreten gibt sie sich Mühe, nicht aggressiv zu wirken, und die
Tatsache, dass ihre weißen Mitschüler ihre Rede gern mit schwarzen
Slang-Ausdrücken schmücken, nimmt sie mit müdem Lächeln hin. Sie selbst
bemüht sich, neutral zu sprechen („slang makes them cool, it makes me
‚hood‘“). Zurück im eigenen Viertel wiederum muss sie wiederum ihr
bildungsehrgeiziges Ich verbergen und sich nicht durch „große Worte“
hervortun.
Die Reibung zwischen diesen Welten nimmt nach Khalils Tod noch zu, weil
jeder Teil ein anderes Verhalten von Starr erwartet. Und dann tun sich auch
noch innerhalb dieser Welten Abgründe auf: Weiße, die mitprotestieren
wollen gegen Polizeiwillkür und Rassismus, aber aus den falschen Gründen.
Und Schwarze, die, wie der lokale Drogen-Lord, Starrs Aussage verhindern
wollen, um ihr „Business“ zu schützen. Und es gibt die Eltern, die das
Beste für Starr im Sinn haben, aber nicht sicher sind, ob der Appell an die
Tochter, den Kopf unten zu halten, um zu überleben, tatsächlich das
Richtige ist.
Leider zeichnet „The Hate U Give“ seine Figuren weniger nuancenreich als
das spannungsreiche soziale Umfeld. Ob weißer Boyfriend oder schwarzer
Papa, schwarzer Dealer oder weiße Busenfreundin – stets lassen sie sich
klar nach Gut oder Böse wegsortieren. Dass „The Hate U Give“ trotzdem ein
mitreißender Film ist, verdankt er seinem ausdrucksstarken Ensemble, dem
sichtlich alles am Thema liegt.
28 Feb 2019
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## TAGS
Black Lives Matter
George Tillman Jr.
Spielfilm
Frauen im Film
Identitätspolitik
Ku-Klux-Klan
Spike Lee
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