Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Anwalt über geplantes Polizeigesetz: „An den Fans ausprobiert“
> Rechtsanwalt Andreas Hüttl sorgt sich darum, dass das neue
> niedersächsische Polizeigesetz nicht nur Terroristen betrifft – sondern
> auch Fußballfans.
Bild: Ist das Pyrotechnik oder das Freisetzen von Giften?
taz: Herr Hüttl, warum engagieren sich Fußballfans gegen die Pläne für das
niedersächsische Polizeigesetz?
Andreas Hüttl: Weil sie befürchten, dass sich die Ausweitung der
polizeilichen Befugnisse auch direkt auf das eigene Hobby auswirkt. Der
Protest geht allerdings darüber hinaus. Die Leute, mit denen ich darüber
gesprochen habe, haben beschlossen, dass sie die massiven Einschränkungen
in die Bürger- und Menschenrechte nicht einfach hinnehmen möchten.
Verschärfungen wie die Verlängerung der Präventivhaft von bisher zehn auf
maximal 74 Tage für sogenannte Gefährder, die noch keine konkrete Straftat
geplant haben, betreffen die Fanszene doch nicht direkt.
Die Begrifflichkeit der terroristischen Straftat umfasst viele Aspekte. Es
gibt in der Begriffsbestimmung zum Beispiel einen Verweis auf das
Freisetzen von Giften. Diesen Paragrafen bemüht die Polizei regelmäßig,
wenn es um Pyrotechnik geht. Die Maßnahmen, die die Polizei bei
terroristischen Straftaten zur Verfügung hat, wären deshalb grundsätzlich
auch bei Fußballfans anwendbar – und sie betreffen noch viele andere
Gruppen.
Inwiefern?
Terroristische Straftaten umfassen auch den gefährlichen Eingriff in den
Bahn- und Schienenverkehr. Wenn sich Anti-AKW-Aktivisten an irgendwelche
Schienen ketten, dann ist das ein solcher Eingriff und damit eine
terroristische Straftat. Wenn die Polizei so eine Aktion vermutet und einen
Verdächtigen deshalb präventiv für 74 Tage einsperren kann, betrifft das
alle möglichen anderen Protestformen und nicht nur islamistische
Terroristen.
Fußballfans fallen durch solchen Protest eher nicht auf.
Fußballfans demonstrieren für fangerechte Anstoßzeiten, für Reisefreiheit
bei Auswärtsspielen oder die Abschaffung der 50+1-Regel. Dass der
Fußballfan ein unpolitisches Wesen ist, dem es nur darum geht, möglichst
viele Tore zu bejubeln, stimmt nicht.
Wird im Gesetz konkret auf Fußball Bezug genommen?
In den Begründungen ja. Zum Beispiel bei den Meldeauflagen heißt es, dass
man damit bei Fußballfans gute Erfahrungen gemacht habe. Man verpflichtet
eine Person dazu, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt bei einer
Polizeidienststelle zu melden. Man kann das sehr eng getaktet machen, zum
Beispiel alle zwei Stunden – und dafür reicht ein Verdacht. Das ist ein
sehr tiefgehender Grundrechtseingriff.
Soll so verhindert werden, dass ein Fan am Spieltag in die Nähe eines
Stadions kommt?
Ja. Und das kann jetzt genauso jemanden treffen, der sich in einer
Bürgerrechtsbewegung engagiert oder einen wilden Streik vor dem
VW-Werkstor.
Ist es besonders, dass sich die Fans dem gesellschaftlichen Protest gegen
das Polizeigesetz anschließen?
Ja, das ist eine erhebliche Weiterentwicklung im Umfang, in dem sich
Fußballfans engagieren. Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass
Fans von Hannover 96 und Eintracht Braunschweig gemeinsam demonstrieren und
Seite an Seite die gleichen Ansichten vertreten, hätte ich das kaum für
möglich gehalten.
Viele Ultras haben das Gefühl, dass die Gesellschaft sich nicht dafür
interessiert, dass die Polizei Grundrechte von Fußballfans einschränkt.
Gibt es die Hoffnung, dass das nun besser wird?
Das Stadion ist ein Experimentierfeld. Das, was an polizeilichen Maßnahmen
an Fußballfans ausprobiert wurde, kann nun eben nicht mehr nur den
pyroschwenkenden Fußballrowdy, sondern die Allgemeinheit treffen. Beispiele
sind die intelligente Videoüberwachung oder die SKB-Datenbank.
Die Arbeitsdaten szenekundiger Beamter.
Die sind in Niedersachsen zehn Jahre lang heimlich geführt worden. Als das
bekannt geworden ist, ist der Aufschrei ausgeblieben. Später haben
Journalisten erfahren müssen, dass sie zu Pressekonferenzen im Zusammenhang
mit G20 nicht kommen durften, weil sie in geheimen Datenbanken standen. Da
war der Aufschrei riesig. Wenn durch diese gemeinsamen Proteste jetzt in
den Fokus gerückt wird, dass die Maßnahmen jeden treffen können, ist das
eine gute Sache.
13 Aug 2018
## AUTOREN
Andrea Maestro
## TAGS
Polizeigesetz
Polizei Niedersachsen
Schwerpunkt Überwachung
Niedersachsen
Terrorismus
Fußballfans
Eintracht Braunschweig
Eintracht Frankfurt
Hannover 96
Pyrotechnik
Hannover 96
Fans
Polizeigesetz
Polizeigesetz
Niedersachsen
Polizeigesetz
Polizei Bremen
Videoüberwachung
Polizeigesetz
Polizeigesetz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ultras bleiben Niedersachsen-Derby fern: 1:0 für Innenministerin
Dem Spiel von Eintracht Braunschweig gegen Hannover 96 gingen monatelange
Fanproteste voraus. Hannovers Ultras kamen nicht. Prompt verlor ihr Team.
Eintracht-Frankfurt-Fans ausgeschlossen: Grotesker Angriff auf Grundrechte
Eintracht-Fans aus Frankfurt dürfen nicht ins Stadion von Neapel – aus
Sicherheitsgründen. Die Alarmstimmung in der Stadt ist nun besonders groß.
Nazi-Suche bei Hannover 96: Rechte Geister im Stadion
Es gibt Gerüchte, dass sich rechte Fans bei Hannover 96 ausbreiten. Der
Verein widerspricht. Die Kampagne „Hannover Rechtsaußen“ sammelt Belege.
Debatte um Pyrotechnik im Stadion: Mäurer fordert Knast für Pyrotechnik
Innensenator Mäurer (SPD) unterstützt einen CDU-Vorstoß auf der
Innenministerkonferenz zu härteren Strafen für Pyro. Linke und Grüne
kritisieren das.
Erfolgreiche Klage gegen Hannover 96: Der unerwünschte Fan
Ein Fan klagt dagegen, dass Hannover 96 ihn aus dem Verein geworfen hat und
bekommt recht. Grund für den Ausschluss war eine angeblich geplante
Schlägerei.
Ordnungsamt rehabilitiert Werder-Ultra: Täter und Opfer verwechselt
Obwohl er von Neonazi-Hooligans zusammengeschlagen wurde, bekam ein
Werder-Fan ein Aufenthaltsverbot in Bremen. Das zieht das Amt nun zurück.
Demo gegen Polizeigesetz in Hannover: Großes Misstrauen gegen Pistorius
Tausende Menschen demonstrieren gegen das niedersächsische Polizeigesetz.
Innenminister Pistorius will Änderungen vornehmen.
Minister will Polizeigesetz nachbessern: Schottern ist kein Terror
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) geht beim geplanten
Polizeigesetz auf die Kritiker*innen zu – zumindest ein bisschen.
Neues Polizeigesetz in Niedersachsen: Präventivhaft und Staatstrojaner
Die Polizei soll auch in Niedersachsen mehr Befugnisse bekommen. Die taz
beantwortet die wichtigsten Fragen zum neuen Gesetz.
Kritik an Polizeigesetz in Niedersachsen: Ein Land fühlt sich verdächtigt
Das geplante Polizeigesetz mobilisiert den Protest hunderter Menschen in
Niedersachsen. Sie sehen ihre Bürger- und Freiheitsrechte bedroht.
Fananwalt über vermeintliche Gewalttäter: „Das ist abenteuerlich“
95 Fußball-Fans von Werder Bremen gelten derzeit als gewalttätig.
Fan-Anwalt Torsten Kellermann kritisiert die Polizeidatei „Gewalttäter
Sport“ als zu restriktiv.
Neues Polizeigesetz in Niedersachsen: Kameras filmen heimlich
Expert*innen kritisieren die Schwächen des geplanten Polizeigesetzes in
Niedersachsen. Es sei teilweise verfassungswidrig.
Protest gegen Niedersachsens Polizeigesetz: Fast wie in Bayern
In Niedersachsen vernetzen sich Kritiker des neuen Polizeigesetzes. Sie
planen eine Großdemo am 8. September.
Verschärfung der Polizeigesetze: Deutschland rüstet auf
Das neue bayerische Polizeigesetz hat eine scharfe Debatte ausgelöst. Doch
nicht nur in Bayern erhalten Polizisten mehr Befugnisse.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.