Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verschärfung der Polizeigesetze: Deutschland rüstet auf
> Das neue bayerische Polizeigesetz hat eine scharfe Debatte ausgelöst.
> Doch nicht nur in Bayern erhalten Polizisten mehr Befugnisse.
Bild: Die Polizei bekommt in fast allen Bundesländern mehr Befugnisse
Berlin taz | Mehr als 30.000 DemonstrantInnen auf den Straßen Münchens,
hitzige Debatten im Landtag, scharfe Kritik selbst von der
Polizeigewerkschaft: Das neue bayerische Polizeigesetz [1][hat in den
vorigen Wochen die Gemüter erregt]. Am Dienstagabend wurde es im Landtag
beschlossen. Die Befugnisse der bayerischen Polizei sind nun umfassend
erweitert: Online-Durchsuchungen inklusive Datenveränderung und -löschung,
der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware auf Demonstrationen, die
erweiterte DNA-Analyse oder das Abfangen von Paketen gehören künftig dazu.
Vor allem aber ist mit dem Konstrukt der drohenden Gefahr eine rechtliche
Kategorie geschaffen, die der Polizei ermöglicht, künftig auch ohne
konkrete Verdachtsmomente aktiv zu werden. Kritiker sehen darin eine
Aufhebung der Grenze zwischen Polizei und Geheimdienst, wie es sie zuletzt
im Nationalsozialismus gab.
Doch es sind längst nicht nur die Bayern, die ihr Polizeirecht verschärfen:
In fast allen Bundesländern stehen ähnliche Änderungen oder zumindest
Neufassungen der entsprechenden Gesetze bevor, in einigen sind sie längst
beschlossen Die Welle der Gesetzesänderungen hat mehrere Gründe. Zum einen
müssen viele Länder das Recht an die neue Datenschutzgrundverordnung der EU
anpassen, die am nächsten Freitag in Kraft tritt.
Zum anderen steht die gesetzgeberische Aktivität im Zusammenhang mit der
Debatte nach dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im
Dezember 2016. Es geht um einen Paradigmenwechsel: Innenpolitiker und
Sicherheitsbehörden wollen nicht länger warten, bis sich ein Verbrechen
konkret abzeichnet, sondern bereits lange zuvor präventiv eingreifen. Durch
die Einteilung in die Kategorie Gefährder können Menschen zum Gegenstand
umfassender Maßnahmen der Sicherheitsbehörden werden, ohne dass sie bereits
in irgendeiner Form gegen Gesetze verstoßen hätten.
Das neue BKA-Gesetz, das 2017 noch kurz vor Ende der Legislaturperiode
beschlossen wurde und in dem die Befugnisse des Bundeskriminalamts
insbesondere auf dem Gebiet der Terrorabwehr massiv erweitert wurden, ist
ebenfalls Ausdruck dieser Entwicklung. Es tritt am selben Tag wie die neue
EU-Datenschutzrichtlinie in Kraft und ist ein weiterer wichtiger Grund für
die Verschärfungen der Polizeigesetze in den Bundesländern.
## Polizei darf deutlich mehr
Diese sind in einigen Ländern bereits beschlossen: In
Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt
sowie im Saarland gingen die Gesetzesänderungen bereits durch die Landtage.
Die Veränderungen sind teils ähnlich tiefgreifend wie in Bayern: Im
grün-schwarz regierten Baden-Württemberg etwa wurde schon im November
beschlossen, dass die Polizei künftig Software zum Mitlesen verschlüsselter
Chats auf den Geräten der Betroffenen installieren, elektronische
Fußfesseln als Präventivmaßnahme einsetzen oder in Ausnahmefällen
Handgranaten verwenden darf.
Nordrhein-Westfalen, [2][Sachsen] und [3][Niedersachsen] wollen bald
nachziehen: Auch hier ist geplant, der Polizei deutlich mehr zu erlauben.
In Nordrhein-Westfalen befindet sich die Gesetzesnovelle derzeit in der
ersten Lesung, in Niedersachsen will die schwarz-rote Koalition noch in
diesem Jahr einen Gesetzesentwurf ins Parlament bringen. In Sachsen wurde
das neue Gesetz im April im Kabinett vorgestellt. Es soll ähnliche
Befugnisse wie im bayerischen Gesetz beinhalten, laut Berichten von Freitag
plant das Dresdner Innenministerium außerdem, die Panzerfahrzeuge der
Polizei mit Maschinengewehren auszustatten. Auch im Saarland, das sein
Polizeigesetz erst voriges Jahr erneuerte, sind weitere Verschärfungen
geplant.
Veränderungen stehen auch in Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin an,
hier sind bislang aber kaum Details bekannt. In Brandenburg ist nur klar,
dass das Polizeirecht verschärft werden soll. Bremen und Hessen sind
Sonderfälle: An der Weser liegt eine von der SPD geplante Verschärfung nach
Intervention des grünen Koalitionspartners gerade auf Eis. In Hessen ist
zwar keine Polizeigesetz-Novelle geplant, dafür sollen die Befugnisse des
Verfassungsschutzes ausgeweitet werden. Thüringen gibt an, sein Gesetz nur
„geringfügig anpassen“ zu wollen.
19 May 2018
## LINKS
[1] /Abstimmung-ueber-Polizeigesetz-in-Bayern/!5506317
[2] /Sachsens-geplantes-Polizeigesetz-geleakt/!5501545
[3] /Verschaerftes-Polizeigesetz-in-NRW/!5499063
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Polizeigesetz
Schwerpunkt Überwachung
Aufrüstung
Polizeigesetz
Videoüberwachung
Polizeigesetz
Schwerpunkt Überwachung
Schule
Polizei
Polizeigesetz
NRW
## ARTIKEL ZUM THEMA
Anwalt über geplantes Polizeigesetz: „An den Fans ausprobiert“
Rechtsanwalt Andreas Hüttl sorgt sich darum, dass das neue niedersächsische
Polizeigesetz nicht nur Terroristen betrifft – sondern auch Fußballfans.
Neues Polizeigesetz in Niedersachsen: Kameras filmen heimlich
Expert*innen kritisieren die Schwächen des geplanten Polizeigesetzes in
Niedersachsen. Es sei teilweise verfassungswidrig.
Protest gegen Niedersachsens Polizeigesetz: Fast wie in Bayern
In Niedersachsen vernetzen sich Kritiker des neuen Polizeigesetzes. Sie
planen eine Großdemo am 8. September.
Demo gegen neues NRW-Polizeigesetz: Tausende gegen Staatstrojaner
Tausende haben gegen die geplanten Verschärfungen im NRW-Polizeigesetz
demonstriert. Sie lehnen Staatstrojaner und Schleierfahndung ab.
Schulschwänzer-Kontrollen in Bayern: Mit Ferienaufschlag
An Flughäfen überführen PolizistInnen Eltern, die es wagen, vor
Ferienbeginn in den Urlaub zu fliegen. Der wahre Übeltäter ist der freie
Markt.
Abstimmung über Polizeigesetz in Bayern: CSU setzt ihren Willen durch
Schon lange wurde im bayerischen Landtag nicht mehr so leidenschaftlich
gestritten. Verabschiedet wurde das umstrittene Gesetz trotzdem.
FDP-Politikerin über Polizeigesetz: „Die CSU hat sich vergaloppiert“
Das neue bayerische Polizeigesetz greift zu schnell in Grundrechte ein,
sagt Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Verschärftes Polizeigesetz in NRW: Verdächtig sind alle, die so aussehen
Wie andere Bundesländer verschärft auch NRW das Polizeigesetz. Damit stellt
es seine Bürger unter Generalverdacht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.