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# taz.de -- Neues Polizeigesetz in Niedersachsen: Präventivhaft und Staatstroj…
> Die Polizei soll auch in Niedersachsen mehr Befugnisse bekommen. Die taz
> beantwortet die wichtigsten Fragen zum neuen Gesetz.
Bild: Bodycams von Polizist*innen sollen dauerhaft und heimlich laufen
1. Was plant Niedersachsen?
Die Arbeit der Polizei soll sich weiter ins Vorfeld von Verbrechen
verschieben. So sollen insbesondere islamistische Terroranschläge
verhindert werden. Dafür will die Große Koalition aus SPD und CDU die
Rechte der Polizei massiv ausweiten. Sie soll sogenannte Gefährder
effektiver beobachten und diese sogar für bis zu 74 Tage einsperren können,
ohne dass die betroffenen Menschen eine Straftat begangen haben. Sie müssen
diese nicht einmal konkret vorbereitet haben. Sonst könnten sie auch in
Untersuchungshaft genommen werden.
2. Beziehen sich die Verschärfungen nur auf islamistische Terroristen?
Nein. Zwar betont der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD),
dass es ihm um islamistische Gefährder geht, im Entwurf stehen aber
allgemein terroristische Straftaten.
3. Wie ist eine terroristische Straftat definiert?
Darunter fallen im geplanten Polizeigesetz Taten, die die Bevölkerung auf
erhebliche Weise einschüchtern und die politischen, wirtschaftlichen oder
sozialen Grundstrukturen eines Staates gefährden sollen, etwa die Bildung
terroristischer Vereinigungen, Mord oder Verbrechen gegen die
Menschlichkeit. Eine terroristische Straftat kann aber auch der gefährliche
Eingriff in den Bahnverkehr oder die Störung von Telekommunikationsanlagen
sein. Kritiker*innen ist der Begriff zu schwammig definiert.
4. Was hat es mit der Präventivhaft genau auf sich?
Die Polizei darf Gefährder*innen für bis zu 74 Tage einsperren, wenn ein
Gericht zustimmt. Kritiker*innen sehen bei dieser Regelung die
Unschuldsvermutung ausgehebelt. Denn als Grund reicht aus, dass aus dem
individuellen Verhalten einer Person eine „konkrete Wahrscheinlichkeit“
hervorgeht, dass diejenige „innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine
terroristische Straftat begehen wird“. Bisher sind zehn Tage Präventivhaft
für Gefährder*innen erlaubt.
5. Braucht es bei Auflagen für Gefährder*innen eine richterliche
Zustimmung?
Nein. Die Polizei entscheidet selbst, ob sie einem Menschen
Aufenthaltsvorgaben macht, Kontaktverbote ausspricht oder Betroffene durch
Meldeauflagen zwingt, regelmäßig auf einer Polizeidienststelle
aufzutauchen. Wer dagegen verstößt, den kann die Polizei in Gewahrsam
nehmen. Nach dem Entwurf dürften die Inhaftierten in ihrer Zelle auch
gefilmt werden, wenn das zu ihrem oder dem Schutz der Polizist*innen wäre.
6. Will Niedersachsen einen Staatstrojaner einsetzen?
Ja. Die Polizei soll Onlinedurchsuchungen vornehmen können und
Kommunikation überwachen, bevor sie verschlüsselt wird. Das funktioniert,
indem eine Spionagesoftware auf den Computer oder das Handy gespielt wird.
Die Polizei profitiert dabei von Sicherheitslücken in Betriebssystemen, die
für Bürger*innen negativ sind.
7. Gehören meine Fotos mir?
Polizist*innen sollen zur Gefahrenabwehr Bild- und Tonaufnahmen von
öffentlichen Orten verlangen können. Wenn auf den Fotos vom letzten
Strandurlaub an der Nordsee ein Terrorist sein könnte, darf die Polizei die
Bikinifotos einfordern.
8. Soll mehr gefilmt werden?
Bisher durften öffentliche Plätze nur gefilmt werden, wenn dort erhebliche
Straftaten zu erwarten waren. Nun sollen „nicht geringfügige
Ordnungswidrigkeiten“ ausreichen. Zudem sollen die Bodycams von
Polizist*innen dauerhaft und heimlich laufen. Gespeichert werden davon aber
nur 30 Sekunden, wenn eine Polizist*in die Kamera aktiviert. Die
Landesdatenschutzbeauftragte hält das verdeckte Filmen für
verfassungswidrig.
9. Inwiefern unterscheidet sich der Entwurf vom Polizeigesetz in Bayern?
In Bayern gibt es keine Höchstdauer mehr für die Präventivhaft. Bei einer
„drohenden Gefahr“ darf die Polizei [1][auch DNA-Analysen vornehmen] und
damit Geschlecht, Hautfarbe oder Alter von Verdächtigen ermitteln. Das ist
in Niedersachsen nicht vorgesehen.
10. Gibt es Protest gegen das Gesetz in Niedersachsen?
Ja. Am Samstag hat das [2][Bündnis #noNPOG] ab 13 Uhr in Hannover auf dem
Ernst-August-Platz eine Großdemo angemeldet. Übrigens: Sich auf der
Demonstration zu vermummen, wäre nach dem neuen Gesetz keine
Ordnungswidrigkeit mehr, sondern eine Straftat.
6 Sep 2018
## LINKS
[1] /Abstimmung-ueber-Polizeigesetz-in-Bayern/!5506317
[2] https://niedersachsentrojaner.de/
## AUTOREN
Andrea Maestro
## TAGS
Niedersachsen
Polizeigesetz
Gefährder
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Terrorismus
Messerattacke
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