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# taz.de -- Vor dem EU-Gipfel: Widerstand gegen Asyl-Kompromisse
> EU-Kommissionschef Juncker wollte mit seinem Entwurf zur Asylpolitik wohl
> Merkel helfen. Doch nach heftigem Protest fällt die Erklärung wohl ins
> Wasser.
Bild: Merkel wird mit ihrem Versuch, eine europäische Lösung zu finden, zuneh…
Berlin/Brüssel dpa | Das [1][Asyltreffen mehrerer Staats- und
Regierungschefs] am Wochenende in Brüssel soll nach Protest aus Italien
ohne gemeinsame Erklärung enden. Regierungschef Guiseppe Conte erklärte am
Donnerstag auf Facebook, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe ihm zugesagt,
dass der Entwurf der Erklärung „beiseite gelegt“ werde. „Das Treffen wird
nicht mit einem geschriebenen Text abschließen“, so Conte. Der Gastgeber
[2][des Brüsseler Treffens], EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, hatte
eigentlich eine vierseitige Erklärung der Teilnehmer angepeilt.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) warnte Merkel unterdessen scharf
davor, ihn zu entlassen. Die Kanzlerin steht unter heftigem Druck, weil die
CSU Fortschritte bis Monatsende Fortschritte bei der Zurückweisung von
Migranten erwartet. Doch die Vorzeichen dafür sind schlecht.
Conte schrieb auf Facebook, er habe am Donnerstag einen Anruf Merkels
erhalten, die ihm [3][von ihrer Sorge] berichtet habe, er könne an dem
Treffen nicht teilnehmen. „Ich habe ihr bestätigt, dass es für mich
inakzeptabel gewesen wäre, an diesem Gipfel teilzunehmen, wenn es schon
einen vorgefertigten Text dafür gibt“, erklärte der Italiener. Sein
Innenminister Matteo Salvini hatte schon am Vortag deutlich gemacht, dass
seine Regierung keine Asylbewerber von Deutschland zurücknehmen will.
Auch aus Osteuropa und aus der CSU bläst Merkel weiter heftiger Gegenwind
ins Gesicht. Die vier [4][Visegrad-Staaten] (Ungarn, Polen, Tschechien,
Slowakei) werden dem Asyl-Gipfel fernbleiben. „Wir fahren nicht“, sagte
Ungarns [5][Ministerpräsident Viktor Orban] nach einem Treffen der
mitteleuropäischen Staatengruppe mit dem Österreichs Kanzler Sebastian
Kurz. Das einzige Forum, das zu Entscheidungen in der Migrationsfrage
befugt sei, sei der Europäische Rat der Staats- und Regierungschef. „Wir
verstehen, dass es Länder gibt, die mit innenpolitischen Problemen ringen,
aber das darf zu keinen gesamteuropäischen Panikhandlungen führen“, sagte
Orban wohl mit Blick auf Deutschland.
## Seehofer droht Merkel
Zu dem Treffen am Wochenende werden derzeit neben Merkel die Staats- und
Regierungschefs von Österreich, Italien, Frankreich, Griechenland,
Bulgarien, Spanien, Malta, Belgien, Dänemark und der Niederlande erwartet.
Die CSU von Innenminister Seehofer hatte ihr zwei Wochen eingeräumt, um
spätestens beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni bilaterale Vereinbarungen zu
treffen, nach denen Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen werden können,
wenn sie bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden.
Seehofer warnte Merkel davor, ihn wegen [6][eines Alleingangs im
Asylstreit] zu entlassen. „Wenn man mit dieser Begründung einen Minister
entließe, der sich um die Sicherheit und Ordnung seines Landes sorgt und
kümmert, wäre das eine weltweite Uraufführung. Wo sind wir denn?“, erklär…
Seehofer [7][im Interview] mit der Passauer Neuen Presse (Freitag).
„Ich bin Vorsitzender der CSU, einer von drei Koalitionsparteien, und
handele mit voller Rückendeckung meiner Partei. Wenn man im Kanzleramt mit
der Arbeit des Bundesinnenministers unzufrieden wäre, dann sollte man die
Koalition beenden“, sagte Seehofer.
## Juncker kommt der CSU eigentlich entgegen
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wies den Vorwurf zurück, es
gehe ihm im Asylstreit um die bayerische Landtagswahl im Oktober. Er sagte
im ZDF-„Morgenmagazin“, er mache sich vielmehr Sorgen um die Demokratie in
Deutschland. Merkel sagte in einer Diskussionsrunde mit Studenten in der
jordanischen Hauptstadt Amman: „Wir müssen ein offenes Land sein“, auch
wenn die Migration natürlich geordnet und gesteuert werden müsse.
EU-Kommissionschef Juncker hatte mit der für Sonntag geplanten gemeinsamen
Erklärung der Teilnehmer des Brüsseler Treffens eigentlich die
Verständigung auf eine Reihe von Grundprinzipien im Asylstreit befördern
wollen. In dem Entwurf des Papiers heißt es: „Wir werden einen flexiblen
gemeinsamen Rücknahmemechanismus nahe an den Binnengrenzen einrichten.“
Nach seinem Willen sollen Kanzlerin Merkel und die anderen Teilnehmer auch
eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg bringen, um die Weiterreise von
Asylsuchenden zwischen EU-Staaten zu unterbinden. „Es gibt kein Recht, den
Mitgliedsstaat, in dem Asyl beantragt wird, frei zu wählen“, heißt es in
dem Entwurf.
Juncker kommt mit seinem Papier eigentlich der CSU entgegen. Sie will
Schutzsuchende, die andernorts in der Europäischen Union bereits
registriert wurden, an der deutschen Grenze abweisen. Doch die CSU ist
skeptisch: „Wir haben die Sorge, dass Angela Merkel jetzt mit dem
Scheckbuch durch Europa läuft. Sie braucht Griechenland und Italien für
eine Lösung in der Flüchtlingsfrage“, sagte CSU-Vorstandsmitglied Markus
Ferber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er spielte damit auf die
Einigung zum Eurozonen-Budget an, die Merkel mit Frankreichs
Staatspräsident Emmanuel Macron getroffen hatte. „Für die CSU ist klar: Es
darf keinen Deal zu Lasten der deutschen Steuerzahler geben. Es geht nicht,
Dinge zu vermischen, die nicht zusammengehören.“
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) verteidigte am Donnerstag die
Einigung mit Macron. Er sagte, es sei ein Erfolg der Kanzlerin, dass sich
Frankreich hinter ihre Bemühungen gestellt habe, „durch eine verstärkte
Zusammenarbeit zwischen den Ländern Rücknahmen von Flüchtlingen zu
organisieren, die in einem anderen Land registriert worden sind und dort
bereits ein Asylverfahren begonnen haben“.
## SPD ist genervt
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat indes in scharfen Worten an CDU und
CSU appelliert, ihren Streit in der Asylpolitik beizulegen. „Ich bin sehr
verärgert über die Art und Weise, wie hier mit Deutschland gespielt wird,
weil man offensichtlich Panik hat, dass man in Bayern die absolute Mehrheit
verliert“, sagte Nahles in einem Interview der ARD-„Tagesthemen“ am
Donnerstag. Sie sei „nicht bereit, diese Mätzchen noch weiter mitzumachen“
und fordere die Union auf, „dass sie jetzt endlich zur Sache zurückfinden
und dass sie die Regierungsarbeit mit uns gemeinsam wieder aufnehmen“.
In dem Streit gehe es gar nicht mehr um die Flüchtlingspolitik, so Nahles
weiter. Da könne man „pragmatische Lösungen finden“. „Und wenn man sich…
der Sache einigen will, dann kann man das auch mit uns Sozialdemokraten.“
Im Unionsstreit gehe es aber „um Machtkämpfe, hier geht es um Rivalitäten,
um innerparteilichen Geländegewinn“.
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte: „Der Streit zwischen
CDU und CSU macht vielen Menschen in unserem Land Sorge.“ Dass es Probleme
zwischen den Schwesterparteien gebe, sei nicht neu. Sie betonte aber:
„Aktuell braucht man Fantasie, um zu sehen, wie sie wieder zueinander
kommen könnten. Ich hoffe, dass sie das schaffen.“
FDP-Chef Christian Lindner sagte: „Für die Opposition sind das schwierige
Zeiten, denn die Regierung selbst ist sich Opposition genug.“
22 Jun 2018
## LINKS
[1] /EU-Laender-im-Streit-um-Fluechtlingspolitik/!5513490
[2] /Mini-Fluechtlingsgipfel-in-Bruessel/!5515037
[3] /Sondergipfel-zur-EU-Migrationspolitik/!5512123
[4] /Visegrad-Staaten-und-Oesterreich/!5515068
[5] /Kommentar-Ungarns-Anti-NGO-Gesetz/!5514976
[6] /Geheim-Papier-Masterplan-Migration/!5514377
[7] https://www.pnp.de/nachrichten/politik/2985326_Seehofer-Froh-dass-ich-Europ…
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