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# taz.de -- Not-Quartier für neues Gymnasium: Wenn Scholz Schule macht
> Weil sich der Schulbau um Jahre verzögert, muss das neue
> Struensee-Gymnasium in ein ungeeignetes Quartier ausweichen. Olaf Scholz
> hatte in die Planung gefunkt.
Bild: Soll gegen den Willen der Eltern neuer Standort werden: Berufsschule in d…
Hamburg taz | Es sah aus, als habe Schulsenator Ties Rabe (SPD) Gutes zu
verkünden, als er vorige Woche den Neubau mehrerer Schulen verkündete. Doch
für Eltern und Kinder des erst vor zwei Jahren gegründeten
Struensee-Gymnasiums in Altona schlummerte in Rabes Worten eine
Hiobsbotschaft. Sie sollen nicht wie geplant während des Neubaus ihrer
Schule am Standort Königsstraße bleiben, sondern für vier Jahre in eine
alte Berufsschule an der knapp zwei Kilometer entfernten Wohlwillstraße auf
St. Pauli ziehen.
Die Stimmung war geladen, als sich am Abend danach Landesschulrat Thorsten
Altenburg-Hack und sein Mitarbeiter Klaus Grab in der Aula der
Struensee-Schule den Fragen der Eltern und Kinder stellten. Denn Vertreter
des Elternrats hatten den gelb geklinkerten Berufsschulbau bereits
inspiziert und eine mit Fotos und Daten unterlegte Präsentation erarbeitet
Der Schulhof, bisher Parkplatz, ist nach Berechnungen des Elternrats 950
Quadratmeter klein. Die Schulbehörde spricht von „knapp 2.000“. Die Flure
sind eng, die „Turnhalle“ eher ein Gymnastikraum. „Wir haben Fragen“, s…
Elternrat Thomas Wilken. „Wie kann an diesem Ort ein geordneter Schulalltag
für unsere Kinder gewährleistet werden?“
Das kleine Gymnasium startete im Sommer 2016 mit einem besonderen
Ganztagsschulkonzept. Die bisher zehn- bis zwölfjährigen Kinder sind den
ganzen Tag in der Schule, haben morgens ein Lernbüro statt Hausaufgaben,
und lieben das Gelände der ehemaligen Schule Königstraße, wo zwischen
Kreuzbauten der 1960er-Jahre viel Platz zum Spielen ist. Den Eltern wurde
bei der Anmeldung gesagt, sie könnten weiter genutzt werden, bis der Neubau
steht. Fertigstellung 2019.
## „Schönes neues Gymnasium“ – kurz vorm Abitur
Und nun soll alles ganz anders sein. „Die Wiese wird einmal leer gefegt“,
hatte Rabe markigen Worten gesagt. Dann werde man ein „schönes neues
Gymnasium“ bauen. Und auch noch ein zweites
„Deutsch-Französisches-Gymnasium“ mit dazu. Fertigstellung 2023, ein Jahr
bevor die ersten Kinder Abitur machen.
Für die Ergebnisse des städtebaulichen Wettbewerbs haben die aufgewühlten
Eltern am Infoabend keinen Blick. „Das interessiert uns nicht“, „das
betrifft uns ja gar nicht mehr“, rufen Eltern dazwischen und werfen die
Tagesordnung um. Auch die Kinder, die auf dem Boden sitzen, sind wütend.
„Ich find’ das total beschissen, der Schulweg ist total weit aus Ottensen�…
sagt ein Sechstklässler. Beim Rausgehen kämpft er mit den Tränen. „Ich hab
gehört, dass wir so einen kleinen Schulhof haben, und das find ich halt
blöd“, sagt Junge aus der fünften Klasse. „Was ist, wenn ich in der Pause
Fußball spielen will und der Ball geht in die Scheibe? Also, eins ist klar,
ich bring ’nen Ball mit.“ Klaus Grab von der Schulbehörde kontert: „Der
Bewegungsdrang nimmt mit zunehmendem Alter ab.“
Der Elternrat kritisiert vor allem die Kommunikation. Denn den Eltern hatte
die Behörde den Sommer 2019 als Eröffnungstermin genannt. „Von einem Dialog
kann man da nicht sprechen“, sagt Vater Thomas Wilken.
Die Behördenmänner versprechen, die praktischen Probleme irgendwie zu
regeln. „Das letzte Jahr wird eng, aber es passt“, sagt Altenburg-Hack zur
Frage, wie bis 2022 812 Schüler dort untergebracht werden. Turnen sollen
die Älteren in einer benachbarten Berufsschule auf der anderen Seite der
vierspurigen Budapester Straße. Auch Fachräume sollen sie dort nutzen.
## Als die deutsch-französische Schule kam, war der Plan perdu
Zur Verzögerung sagt Grab, es sei was dazwischen gekommen. „Die
Entscheidung, dass das Deutsch-Französische Gymnasium dazukommt.“ Und der
Landesschulrat ergänzt: „Das war eine höchst politische Entscheidung der
Bürgermeisterei mit der Republik Frankreich.“
Pech wohl, dass der inzwischen Exbürgermeister Olaf Scholz (SPD) direkt bei
der Königstraße um die Ecke wohnt und das Schul-Filetgrundstück vor Augen
hatte. Und dann wurde er auch noch 2015 Bevollmächtigter des Bundes für
Deutsch-Französische Zusammenarbeit. Es gibt längst ein privates
französisches Gymnasium, das Lycée Français in Lokstedt. Im Oktober 2016
schlug Scholz dem französischen Außenminister vor, dass diese Schule in
einem staatlichen Deutsch-Französischen Gymnasium aufgeht – am Standort
Struenseestraße.
Der Lokstedter CDU-Abgeordnete Carsten Ovens sagt: „Der Vorschlag stieß bei
den Eltern nicht nur auf Gegenliebe.“ Gerade Eltern, die noch Kinder auf
der französischen Grundschule haben, müssten künftig zwei Schulstandorte
verbinden und weite Wege in Kauf nehmen. „Es gibt keinen logischen Grund,
die Schule dort wegzunehmen“, so Ovens. Doch es habe geheißen, in Altona
sei Platz, der geplante Schulcampus wäre für das Struensee-Gymnasium
allein „überdimensioniert“.
## Schulbauwesen durchökonomisiert
Noch vor einigen Jahren war das kein Thema. Seit 1963 existierte auf dem
Grundstück eine dreizügige Grund-, Haupt- und Realschule mit rund 800
Schülern. Das neue Gymnasium und die dortige Grundschule hätten zusammen
deutlich mehr Schüler, etwa 1.200. Dass der Platz heute dennoch als „zu
viel“ gilt, liegt daran, dass der Schulbau inzwischen vollständig
durchökonomisiert ist, und damit auch die Flächenbetrachtung.
Seit 2013 gehören alle Schulimmobilien dem Landesbetrieb Schulbau der
Finanzbehörde, dessen Aufgabe es ist, diese „nach wirtschaftlichen
Grundsätzen zu planen, zu bauen, zu unterhalten und zu bewirtschaften“. Die
Schulen zahlen Miete an Schulbau Hamburg, der Bedarf geht nach
„Musterflächenplan“.
Wegen dieses Wirtschaftlichkeitsgebots wurde nun an der Königstraße nicht
nur ein Gymnasium, sondern ein Schulcampus geplant. Die Ergebnisse des
städtebaulichen Wettbewerbs zeigen mehrere massive Gebäudekomplexe zur
Straße hin. Sie machen deutlich, dass hier Tabula rasa gemacht wird.
## Neuanmelder im Unklaren gelassen
„Die Pläne wurden am 4. Dezember im Landesinstitut für Lehrerbildung
gezeigt“, hat der Vater Kai-Michael Beck recherchiert. Er frage sich, warum
sie damals nicht auch an der Schule gezeigt wurden, wo doch im Januar
wieder Eltern ihre Kinder für die neuen 5. Klassen angemeldet haben. Laut
Schulbehörden-Sprecher Albrecht war das geplant. „Aber ohne Vorschläge zur
Übergangslösung wäre diese auch nicht befriedigend gewesen.“ Neuanmelder
wurden also bewusst im Unklaren gelassen. Eine Schülergeneration hat nun
Pech.
Die Schulbehörde prüft jetzt, ob der öffentliche Paulinenplatz vor der Tür
„zu festen Zeiten“ als Schulhof genutzt werden kann. Elternrat Thomas
Wilken gibt zu Bedenken, dass Spielplatz und Nachbar-Turnhalle auch von
Kitas und anderen Schulen gebraucht werden. „Die hatten drei Jahre Zeit und
nichts gemacht“, ärgert er sich über die Behörde. Darum solle man gucken,
ob es andere Lösungen gibt, etwa die Bauzeit zu verkürzen. Auch müsse die
Frage erlaubt sein, ob die Verlagerung des französischen Gymnasiums von
Lokstedt ins verdichtete Altona „wirklich sinnvoll ist“.
6 Apr 2018
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Hamburg
Protest
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