| # taz.de -- SPD in der Regierung: Ist das die versprochene Erneuerung? | |
| > Die SPD schickt drei Frauen und drei Männer ins Kabinett. Die Besetzung | |
| > ist in manchem verheißungsvoll, in anderem konventionell. | |
| Bild: Die neue Ministerriege ist nützlich für Nahles’ weitere Karriereplän… | |
| Berlin taz | Im Hintergrund sind drei anderthalb Meter hohe rote Buchstaben | |
| aufgestellt: SPD. Die kommen eigentlich nur bei Parteitagen zum Einsatz. | |
| Aber an diesem Freitag, der den Schlusspunkt des konfusen Weges der SPD in | |
| die Regierung markiert, soll alles besonders sein. [1][Die Koalition ist ja | |
| die alte], da soll wenigstens das Design neu wirken. | |
| Um 10 Uhr erscheint das neue Machtzentrum der SPD im Willy-Brandt-Haus auf | |
| der roten Bühne. Olaf Scholz, wie immer mit gefrorener Mimik, und Andrea | |
| Nahles, wie oft mit kaum unterdrücktem Grinsen. Scholz, kommissarischer | |
| Parteichef, [2][stellt die SPD-Ministerinnen vor.] Alle haben „die | |
| Fähigkeit, große Apparate zu führen“, lobt er. | |
| Die neue Justizministerin Katarina Barley kommt als Erste im weißen | |
| Hosenanzug nach vorne. Dann folgen [3][Franziska Giffey] und [4][Svenja | |
| Schulze], die vor lauter Nervosität von einem Fuß auf den anderen tritt. | |
| Die Inszenierung hat etwas von einer steifen Abiturfeier. Der Rektor | |
| spricht, die Absolventinnen lauschen still. Danach stellt Nahles die | |
| Minister vor: Finanzminister Scholz, [5][Außenminister Heiko Maas], | |
| Arbeitsminister Hubertus Heil. Nach weniger als 15 Minuten ist die Show | |
| vorbei. Noch ein Gruppenfoto. Keine Fragen. | |
| [6][Die Kabinettsbesetzung war eine Puzzelei.] Der Osten sollte vertreten | |
| sein, zudem war der übliche Regionsproporz zu beachten. Kein Kabinett | |
| ohne Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Drei Männer, drei Frauen, neue | |
| und alte Gesichter. Die Aufteilung ist gendermäßig erwartbar: Die harten | |
| klassischen Ressorts – Arbeit, Außen, Finanzen – sind in Männerhand, | |
| Justiz, Familie und Umwelt sind weiblich besetzt. | |
| Nahles und Scholz wollten die Namen unbedingt bis zu diesem Freitagmorgen | |
| unter Verschluss halten. Es sollte ein Zeichen sein, dass jetzt mit den | |
| Profis alles anders, seriöser wird, dass die Zeit der Selbstbezüglichkeit | |
| vorüber ist. Es hat nicht funktioniert. Was Geheimnisse angeht, ist die SPD | |
| ein rostiger Eimer. Manche Namen waren schon Donnerstag früh | |
| durchgesickert. [7][Juso-Chef Kevin Kühnert] twitterte entnervt: „Ist | |
| morgen um 9 Uhr wie geplant Parteivorstandssitzung oder machen wir’nen | |
| Umlaufbeschluss auf Spiegel Online?“ | |
| Für die SPD fühle sich diese Hochzeit an „wie ein Begräbnis“, schreibt d… | |
| britische Publizist Timothy Garton Ash im Guardian. So wenig Begeisterung | |
| für eine neue Regierung wie derzeit in Berlin habe er noch nie erlebt, so | |
| Ash. | |
| Oder ist diese Ministerriege nun die versprochene Erneuerung? Löst sie das | |
| vollmundige Versprechen der SPD-Spitze ein, dass diesmal für die Partei | |
| alles besser wird als in der letzten Koalition? Oder wird die SPD wieder im | |
| Regierungsalltagsgeschäft in Merkels langem Schatten verschwinden? | |
| Ein Aktivposten kann Justizministerin Katarina Barley werden. | |
| CSU-Innenminister Horst Seehofer wird mit Blick auf Bayern markige Ansagen | |
| machen. Das wird das klassische Gegenspiel von Innen- und Justizressort, | |
| von Sicherheit und Bürgerrechten, wiederbeleben. Barley war Richterin und | |
| hat am Bundesverfassungsgericht gearbeitet. Ihr Stil ist verbindlich, sie | |
| wirkt selten direkt konfrontativ. Aber sie ist linksliberal und von nicht | |
| zu unterschätzender Hartnäckigkeit. | |
| ## Das Kabinett ist nach Nahles' Geschmack | |
| Etwas anders sieht es beim Arbeitsministerium aus. Das, so fürchten auch | |
| SPD-Linke, dürfte Hubertus Heil, ein bekennender Anhänger der Agenda 2010, | |
| eher verwalten als mit neuem Schwung und Ideen führen. Dabei liegt gerade | |
| bei dem „Kernressort für die Sozialdemokraten“ (Nahles) die Hürde hoch. D… | |
| Bekämpfung prekärer Jobs und die Rentenpolitik waren Schlüsselargumente, | |
| mit denen die SPD-Führung den Widerstand in der Partei gegen die Groko | |
| klein raspelte. | |
| Ein zweiter Grund für die Groko lautete: Europa. Endlich Macrons | |
| Reformideen unterstützen. Noch wichtiger als Außenmister Maas wird | |
| Finanzminister Scholz sein. Der hat schon mal angekündigt, dass die strikte | |
| Haushaltspolitik bleibt. Auch in Sachen Stabilisierung des Euro wird sich | |
| Scholz nicht allzu weit von Schäubles Kurs entfernen. Denkbar ist | |
| allerdings, dass Scholz einen EU-Währungsfonds als Rettungsring für | |
| kommenden Finanzkrisen forcieren wird. | |
| Diese Kabinettsliste ist in manchem verheißungsvoll, in anderem | |
| konventionell. Auf jeden Fall ist sie nach dem Geschmack von [8][Andrea | |
| Nahles], die stets im Hinterkopf hat, wo Konkurrenz lauern könnte. Jetzt | |
| und in vier Jahren. | |
| Die Machtverteilung ist für die SPD nun neu. Normalerweise ist der | |
| Parteichef auch Minister. Jetzt ist das anders. Nahles wird als Fraktions- | |
| und Parteichefin einen Machtpol bilden. Und im Kabinett gibt es zu ihr | |
| keine klare starke Gegenfigur. Natürlich wird Heiko Maas als Außenminister | |
| beliebt sein. Doch Maas ist kein Alphatier. Und auch nicht, wie sonst | |
| üblich, Vizekanzler. Diesen Bonus hat Olaf Scholz, der als Finanzminister | |
| aber eher einen Schwarzbrotjob hat – und in der Partei unbeliebt ist. | |
| Die Macht ist unter den sozialdemokatischen MinisterInnen verteilt, nicht | |
| monopolisiert. Das ist nützlich für Nahles’ weitere Karrierepläne. Falls | |
| die SPD dann noch lebt. | |
| 9 Mar 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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