Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- SPD-Mitgliedervotum über GroKo: Die seltsame Stille nach dem „Ja…
> Nach dem Groko-Votum beschwören Sieger und Verlierer die Einheit der SPD.
> Und wollen die Partei erneuern. Aber wie soll das aussehen?
Bild: Ist zuversichtlich: Andrea Nahles
Berlin taz | Mit mehr als halbstündiger Verspätung treten am
Sonntagvormittag der kommissarische Parteichef Olaf Scholz und
Bundesschatzmeister Dietmar Nietan hinter die aufgebauten Redepulte im
prall gefüllten Willy-Brandt-Haus. Mit ernster Stimme liest Nietan das
Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheids vom Blatt ab. Mit einer
Zweidrittelmehrheit hat sich die Parteibasis für die Fortsetzung der
Koalition mit der Union ausgesprochen, verkündet er. Und dann ist es still.
Ganz still.
In der SPD-Zentrale wird sonst vor aufgebauten Kameras gerne und ausgiebig
geklatscht. Jetzt regt sich keine einzige Hand zum Applaus.
Das war beim letzten Mitgliedervotum vor vier Jahren noch ganz anders,
obwohl der Ausgang der gleiche war. Doch diesmal verzichten die weit mehr
als hundert auf den Balkonen und in den Gängen versammelten
Sozialdemokraten auf den üblichen tosenden Beifall. Ist das die viel
beschworene Erneuerung der SPD?
Ob die ungewohnte Zurückhaltung von oben angeordnet oder selbstbestimmt
ist, bleibt auch auf Nachfrage an den kommissarischen Parteichef Olaf
Scholz offen. Offensichtlich ist allerdings, dass die SPD-Führung tunlichst
darum bemüht ist, sich nicht überheblich als die strahlenden Sieger zu
inszenieren – sie weiß nur allzu gut, dass die kommende Zeit keine leichte
sein wird. „Wir haben jetzt Klarheit“, sagte Scholz nur nüchtern.
## „Wir bleiben jetzt zusammen“
Der Auftritt von Scholz, der vor der offiziellen Verkündung erst noch
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
informiert hat, ist minimalistisch. Gerade mal eineinhalb Minuten dauert
sein vorbereitetes Statement, in dem er „die große Präzision“ lobt, „mit
der dieses Abstimmungsergebnis hier festgestellt werden kann“. Dann
beantwortet er noch in knappen Worten zwei Fragen – und entschwindet.
Dass es eine Mehrheit für eine weitere Regierungsbeteiligung geben würde,
hatte sich bereits in den vergangenen Tagen immer deutlicher abgezeichnet.
Je mehr die Umfragen für die SPD in den Keller gingen, desto größer wurde
bei immer mehr Sozialdemokraten die Angst vor Neuwahlen. Mit einem solch
klaren Ausgang hatte allerdings kaum jemand in der Partei gerechnet. „Es
waren einige überrascht, dass es jetzt so deutlich war“, sagte
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. „Ich bin froh, dass es jetzt so gekommen
ist.“ Nahles, die sich auf einem Bundesparteitag Mitte April zur neuen
Parteivorsitzenden wählen lassen will, zeigte sich zuversichtlich, dass das
Votum die SPD nicht spalten werde: „Wir bleiben jetzt zusammen.“
Führende Groko-Gegner äußerten sich zwar enttäuscht über den Ausgang des
Mitgliederentscheids, riefen ihre Anhänger jedoch dazu auf, weiter in der
SPD aktiv zu bleiben. „Wir sind keine schlechten Verlierer“, sagte
Juso-Chef Kevin Kühnert. „Selbstverständlich akzeptieren wir dieses
Ergebnis.“ Die Jusos würden „jetzt versuchen, das Beste daraus zu machen�…
Die Debatten der vergangenen Wochen hätten gezeigt, „dass ein
programmatischer Erneuerungsprozess der SPD dringend notwendig“ ist.
Berlin-Mitte, im Keller eines Cafés in der Oranienburger Straße.
Sonntagmittag. An Holztischen flackern Kerzen, leicht schummrige
Kneipenatmosphäre. An der Wand hängen Porträts von Rockstars. Vorne sitzt
Hilde Mattheis, Chefin der linken Parteiströmung DL 21, und sagt: „34
Prozent Neinstimmen sind doch nicht schlecht.“ Hier trifft sich der harte
Kern der No-Groko-Bewegung. 30 Aktivisten, eine überschaubare Truppe. Die
Berliner Juso-Chefin Annika Klose sollte auch kommen, aber die ist noch auf
einer Demo, heißt es.
## „Kritisch und konstruktiv“
Mattheis kündigt an, die Diskussion würde im Livestream übertragen. Vor dem
Tisch hängt schief eine rote Banderole. „Mehr Demokratie wagen“ steht
darauf. Alles wirkt etwas handgestrickt. Die Bundestagsabgeordnete schaut
skeptisch auf die windschiefe Banderole. „Bevor die Presse schreibt, bei
der DL 21 bricht alles zusammen, hängt das lieber ab“, sagt sie lachend.
Das Ganze verströmt den Charme des Improvisierten, Unfertigen,
Alternativen. Diese Truppe hat Andrea Nahles schlaflose Nächte bereitet?
Immerhin analysiert Mattheis professionell, was nun ansteht. Es dürfe keine
Spaltung der SPD in Ja- und Nein-Fraktion geben, sagt sie. „Kritisch und
konstruktiv“ werde man die Groko begleiten. „Wir geben nicht auf“, sagt s…
und schlägt kurz entschlossen auf den Tisch. Was das konkret heißt, bleibt
unscharf. Dann entdeckt jemand, dass leider der Livestream nicht
funktioniert hat. Mattheis muss noch mal von vorne anfangen.
Marco Bülow ist nicht nach Berlin gekommen. „Ich habe ein engeres Ergebnis
erwartet“, sagt der Dortmunder Bundestagsabgeordnete der taz. Aber viele
hätten „mit der Faust in der Tasche Ja gestimmt, weil die Alternativen noch
schlimmer waren“. 2013 habe die Parteispitze die Neinstimmen einfach
ignoriert. Das dürfe nicht wieder geschehen. „Jetzt müssen Partei und
Fraktion klüger agieren und auf die Skeptiker zugehen“, sagt Bülow. Wenn
Scholz sage, dass die SPD nun wieder zusammenwachse, dann werde das nur
geschehen, wenn die Spitze auf das Drittel Unzufriedene zugeht.
Und was, wenn nicht? Droht eine Abstimmung mit den Füßen, gerade in NRW, wo
die Skepsis nicht nur beim linken Flügel weiterhin riesig ist? Bülow
glaubt, dass schon jetzt einige Enttäuschte austreten werden. „Viele warten
noch ab, ob die Erneuerung der Partei mehr als nur eine Ankündigung ist“,
sagt er.
4 Mar 2018
## AUTOREN
Pascal Beucker
Stefan Reinecke
## TAGS
NoGroko
SPD
Schwarz-rote Koalition
Andrea Nahles
NRW
Hubertus Heil
NoGroko
SPD
Schwerpunkt Angela Merkel
Kevin Kühnert
SPD
Kevin Kühnert
SPD-Basis
## ARTIKEL ZUM THEMA
Erneuerung der SPD in NRW: Machiavelli am Mittelrhein
Der weitgehend unbekannte Sebastian Hartmann soll NRW-SPD-Chef werden.
Dabei geht es wohl um den Kampf um Posten an anderer Stelle-
SPD gibt ihre MinisterInnenliste bekannt: Arbeit, Arbeit, Arbeit … für Heil
Als letzte der GroKo-Parteien hat die SPD am Freitag ihre
Kabinettsmitglieder vorgestellt. Die Präsentation des Personals wirkte
wenig enthusiastisch.
Aufruf zu sozialem Bündnis: Für eine gerechte Gesellschaft
Linke inner- und außerhalb der SPD sammeln sich in einer neuen Plattform.
Sie sprechen Enttäuschte an und wollen der Spitze Dampf machen.
Debatte Große Koalition: Die Tragödie der SPD
Die Sozialdemokraten wollen sich als Partei erneuern – in der
Regierungsverantwortung. Wer daran glaubt, macht sich etwas vor.
Regierungsbildung nach Ja zur GroKo: CSU mit drei Ministern in Berlin
Steinmeier hat Merkel offiziell als Kanzlerin vorgeschlagen. Die CSU
prescht mit drei Ministerposten vor in Richtung Berlin. Mit dabei ist Horst
Seehofer.
SPD-Fraktionsvize zum Mitgliedervotum: „Das ist jetzt die zweitbeste Lösung�…
Besser wäre es, gegen die Jamaika-Koaliton in der Opposition zu sein, meint
Karl Lauterbach. Aber so lasse sich immerhin Umverteilung bewirken.
SPD-Abgeordnete zum Mitgliederentscheid: „Opposition wäre besser gewesen“
Die Basis hat für die Neuauflage der GroKo gestimmt. Die Berliner
Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe über die SPD nach dem Votum.
Kommentar SPD für neue GroKo: „Ja“ aus Angst
Nicht die Lust zu regieren hat beim SPD-Votum den Ausschlag gegeben –
sondern die Befürchtung, bei Neuwahlen schwächer zu sein als die AfD.
SPD-Mitgliederentscheid: 66 Prozent stimmen für die GroKo
Die SPD-Mitglieder haben „Ja“ gesagt zu einer erneuten Großen Koalition.
Mit 66 Prozent entschied sich die Parteibasis für den Koalitionsvertrag mit
der Union.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.