| # taz.de -- Kommentar SPD für neue GroKo: „Ja“ aus Angst | |
| > Nicht die Lust zu regieren hat beim SPD-Votum den Ausschlag gegeben – | |
| > sondern die Befürchtung, bei Neuwahlen schwächer zu sein als die AfD. | |
| Bild: Ein Drittel Nein-Stimmen – auch das muss Konsequenzen haben | |
| Die hart umkämpfte Frage, ob Umfragen Wahlen beeinflussen, ist um eine | |
| einleuchtende Vermutung reicher. Ja, können sie, wie das | |
| SPD-Mitgliedervotum zeigt. [1][Die Zweidrittelmehrheit für das Ja] ist | |
| deutlich – auch weil Umfragen, die die AfD gefährlich nah an der SPD sahen, | |
| Wirkung zeigten. | |
| Dieses Ja der Basis zur Großen Koalition rührt weniger aus Überzeugung und | |
| Lust am Regieren, es speist sich aus Angst vor dem noch größeren Übel, | |
| [2][das die Umfragen schwarz auf weiß vor Augen führten]. Lieber noch mal | |
| Merkel als für das historische Desaster verantwortlich zu sein, bei | |
| Neuwahlen schwächer als die Rechtspopulisten zu werden. | |
| Dieses Ja hat etwas Verdruckstes, Halbes. Erpresstes. Es zeigt, dass die | |
| Unzufriedenheit in der Partei tief sitzt – auch bei der passiven Mehrheit. | |
| Die ist eigentlich konservativer und genügsamer als die aktiven Genossen. | |
| Sie sind eher zufrieden mit reibungslosem Regieren und nicht so empfänglich | |
| für das unglückliche Bewusstsein der Sozialdemokratie, die sich zerrissen | |
| fühlt zwischen dem Anspruch, einen besonderen moralischen Auftrag zu haben | |
| und irgendwie Staatspartei zu sein. | |
| Jetzt wird regiert. Und das ist, auch für die EU, wohl besser als eine | |
| fortwährende Regierungskrise. Aber etwas fehlt – nämlich eine Idee, [3][wie | |
| es mit der SPD weitergehen kann]. Die schüttere Antwort der Führung auf das | |
| Misstrauensvotum von immerhin einem Drittel der Partei ist die | |
| Konstruktion, dass Nahles als Parteichefin nicht als Ministerin direkt in | |
| die Regierungsdisziplin eingebunden ist. | |
| ## Dies ist die Stunde der SPD-Linken | |
| Als Fraktionschefin soll sie mehr Beinfreiheit haben. [4][Ob Nahles die | |
| offensiv nutzten würde], ob dieses Prozedere verhindern kann, dass die SPD | |
| als Teil der SPCDU-Regierung unsichtbar wird, muss bezweifelt werden. | |
| [5][Dies ist die Stunde der SPD-Linken.] Die ist in einem kläglichen | |
| Zustand. Sie ist nach außen nicht kampagnenfähig und zieht intern bei | |
| Postenvergaben regelmäßig den Kürzeren gegen den lauten, gutorganisierten, | |
| rechteren Seeheimer Kreis. Viele moderate SPD-Linke sind nur noch in | |
| Details von dem Rest der Partei zu unterscheiden, die Radikaleren, | |
| Entschlossenen haben eine Neigung zum Einzelkämpferischen und zum | |
| Kleingärtnertum. | |
| Aber nur dieser trümmerhaft anmutenden Truppe kann der Balanceakt gelingen, | |
| der nun nötig ist: Die SPD nach links zu rücken, während sie mit Seehofer | |
| regiert. Andrea Nahles ist dafür zu stark in der Logik der Apparate | |
| verhaftet. Die schwärende Unzufriedenheit in der Mitte der SPD wird auch | |
| nicht verfliegen, weil Scholz & Friends ordentlich regieren. | |
| Die Konsequenz aus diesem Drittel Nein-Stimmen ist: Die Partei muss | |
| nochmals eine echte Wahl haben. Der Parteitag im April darf keine | |
| Krönungsmesse für Nahles werden, kein Proforma mit ZählkandidatInnen. | |
| [6][Der einzige, der derzeit eine Gegenentwurf verkörpern kann, ist Kevin | |
| Kühnert.] Deshalb wäre es folgerichtig, wenn Kühnert als Parteichef | |
| kandidierte. | |
| ## Die SPD braucht ein echtes Risiko | |
| Das würde die Schwäche des linken Flügels nicht kurieren. Es würde die SPD | |
| nicht zu dem machen, was sie werden muss: eine energische Kraft für | |
| Umverteilung. Aber man sollte auch die Wirkung von Symbolen nicht | |
| unterschätzen. Kühnert als SPD-Chef wäre ein Zeichen, dass die SPD | |
| begriffen hat. | |
| Aber würde eine nach links blinkende Partei, die in einer Großen Koalition | |
| regiert, nicht Kurzschlussgefahr erzeugen? Ist der Mann zu jung, zu | |
| unerfahren? Überhaupt werden doch Juso-Chefs in der SPD erst was, wenn sie | |
| nach zwei, drei Jahrzehnten in der Partei, in Fraktion oder Landesregierung | |
| pragmatisch, elastisch, mittig geworden sind. Wäre das nicht ein echtes | |
| Risiko? | |
| Doch, ja. Genau das braucht die SPD. Die Alternative ist, routiniert weiter | |
| den eigenen Niedergang zu verwalten. | |
| 4 Mar 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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