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# taz.de -- Die „Bild“ fällt auf „Titanic“ rein: Schwache Verteidigung
> Die „Bild“ stellt die SPD bloß. Die „Titanic“ führt die Boulevardze…
> vor. Eine der beiden Aktionen findet der „Bild“-Chefredakteur ganz
> schlimm.
Bild: Im Newsroom: Julian Reichelt (Archivbild 2017)
Eigentlich sind sie sich ganz ähnlich, die Bild- und die Titanic-Aktion.
Während die Bild den Hund Lima erfolgreich bei der SPD anmeldete, sodass er
theoretisch an der Mitgliederbefragung teilnehmen könnte, jubelte die
Titanic der Bild gefälschte E-Mails unter, die eine mögliche Verbindung von
Juso-Chef Kevin Kühnert zu einem russischen Propagandatroll suggerierten.
„Dieser Hund darf über die GroKo abstimmen“, stand letzten Dienstag auf dem
Titelblatt der Bild.
„Neue Schmutz-Kampagne bei der SPD!“, hieß es auf der Seite eins
vorvergangenen Freitag zu den Mails an und von Kühnert. Da wusste bei der
Bild aber natürlich noch niemand, dass die Mails gefälscht waren – von der
Titanic.
Beide Aktionen waren auf ihren Spielfeldern – dem Boulevard und der Satire
– ziemlich gute Züge: Die einen schleusen einen Hund ein, um eine Partei
vorzuführen; die anderen schleusen Mails ein, um eine Redaktion
vorzuführen.
Man kann das Spiel namens Boulevardjournalismus grundsätzlich ablehnen.
Weil es unanständig ist, weil es die Endung -journalismus nicht verdient.
Aber einen Hund zum SPD-Mitglied zu machen, um zu verdeutlichen, dass der
Mitgliederentscheid anfällig für Manipulationen ist, ist klassischer, gut
eingefädelter, pointierter Boulevard. Man kann das ganze Thema seriös
aufschreiben – oder man meldet eben einen Hund bei der SPD an.
Aber: Genauso wie die Bild die SPD vorführte, führte kurz darauf die
Titanic die Bild vor. Am Mittwoch, einen Tag nach der Hundegeschichte,
[1][ließ das Satiremagazin seine auch schon ein paar Tage länger
eingefädelte Story vom Stapel]: Die Mails, auf die sich die
„Schmutz-Kampagne“-Schlagzeile stützte, stammten von Moritz Hürtgen, einem
Titanic-Redakteur. Kein Juri. Kein Kevin Kühnert. Alles ausgedacht,
reklamiert die Titanic für sich. Bumm.
## Die Schwäche von Springers Blatt
Und hier endet der gemeinsame Weg dieser zwei Storys. Denn an diesem Punkt
kommen die Reaktionen auf die gefälschten Mails von Bild-Chefredakteur
Julian Reichelt ins Spiel. In ihnen zeigt sich die Bigotterie und auch die
Schwäche von Springers Blatt.
Dass die Mails von der Titanic stammten, das stellten Springer und Reichelt
gar nicht erst infrage. Die Verteidigungslinie des Blatts war eine andere:
„Auslöser unserer Berichterstattung war die Ankündigung der SPD,
Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen“, teilte ein Sprecher mit.
Doch was hätte die SPD auch tun sollen, wenn ihr solche Mails vorgelegt
werden? Wenn sie sich glaubhaft wehren will, muss sie bei einem solchem
Verdacht Anzeige erstatten. Und so wurde für die Bild aus der anlasslosen
Verdachtsberichtsberichterstattung eine Berichterstattung mit Anlass.
Die Verteidigung war schwach. Und Reichelt, der ein Feldbett in seinem Büro
stehen hat und einst sagte, dass das einzig wichtige Kriterium für
Menschen, mit denen er zusammenarbeite sei, „ob man sich vorstellen kann,
zusammen im Schützengraben zu sein“, schaffte es einfach nicht, eine
geschlossene Verteidigungslinie herzustellen. Das war besonders deutlich zu
sehen, [2][als er bei Twitter gegen die Titanic schoss]: „Natürlich darf
Satire so etwas, aber sie versucht sich hier zu profilieren, indem sie
journalistische Arbeit bewusst zu diskreditieren versucht.“
Fällt Ihnen etwas auf? Ersetzen Sie „Satire“ durch „die Bild“, und
„journalistische“ durch „politische“. Dann liest sich das Ganze so:
Natürlich darf die Bild so etwas, aber sie versucht sich hier zu
profilieren, indem sie politische Arbeit bewusst zu diskreditieren
versucht.
Es ist genau das, was man Reichelt und der Bild bei ihrer Story über Hund,
SPD und Mitgliederbefragung vorgeworfen hat. Und auch bei den Geschichten
zuvor, als die Bild davor warnte, dass auch Ausländer bei der
SPD-Mitgliederbefragung mitmachen dürften. Ausländer!
Nur scheint Reichelt das entweder nicht zu erkennen. Was blöd wäre. Oder er
will es nicht erkennen. Was bigott wäre.
## Wieder, die hohe Kunst
Und man schwankt immer wieder hin und her zwischen erster und zweiter
Erklärung, wenn man Reichelts Text zu den Titanic-Mails liest. Es ist eine
Rechtfertigung nach dem Motto: Eigentlich haben wir fast alles richtig
gemacht. [3][So schreibt er]: „Im Artikel (‚SPD will Strafanzeige wegen
E-Mail erstatten‘) berichtete Bild, dass Kevin Kühnerts ‚Erklärung
gegenüber Bild plausibel‘ klingt und es ‚für die Echtheit der E-Mails
keinen Beweis gibt‘.“
Ja. Das stimmt. Das eine stand in einer Bildunterschrift. Das andere im
letzten Absatz des Artikels auf Seite zwei. Auf der Titelseite stand nur:
„Neue Schmutz-Kampagne bei der SPD! Es geht um brisante Mails, den
Juso-Chef und einen Mann namens Juri“. Vielleicht hätte man also von Anfang
an aus E-Mails, für deren Echtheit es keinen Beweis gibt, keine
Titelschlagzeile machen sollen. Zu der Erkenntnis scheint auch Reichelt
gekommen zu sein. Zumindest ein bisschen, und erst im Nachgang, wenn er
schreibt: „Ein berichtenswerter Vorgang bleibt es für Bild aufgrund der
Strafanzeige der SPD trotzdem, eine Schlagzeile auf Seite 1 wäre es in
Kenntnis der Titanic-Fälschung sicher nicht gewesen.“
Erst „in Kenntnis der Titanic-Fälschung“? Das ist die hohe Kunst des
Fehler-nur-ein-bisschen-Eingestehens.
Reichelt berichtet weiter, dass die Bild eine Mail von Experten habe prüfen
lassen und dass am Montag nach der Veröffentlichung mehrere Bild-Redakteure
den Informanten (also wohl Titanic-Redakteur Hürtgen) getroffen hätten –
und Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit gekommen seien. „Zu diesem Zeitpunkt
war klar, dass der Informant versuchte, Bild in eine klare Festlegung
hineinzutreiben, dass Kevin Kühnert persönlich mit ‚Juri‘ in Kontakt steh…
Dieser Intention hinter der Fälschung ist Bild nicht aufgesessen.“
Reichelts Schluss: „Wenn bei Bild ein Fehler passiert ist, dann, dass wir
den angeblichen Informanten nicht als Titanic-Mitarbeiter enttarnen
konnten, obwohl wir mehrfach versucht haben, seine Identität
festzustellen.“ Wenn ein Fehler passiert ist, dann … Wieder, die hohe
Kunst.
Am Donnerstag änderte sich die Verteidigungsstrategie: Es ging nun auf
Reichelts Twitteraccount fast nur noch darum, dass Hürtgen seinen Coup auch
im russischen Sender RT kommentierte. Mehr als zwei Dutzend Mal retweetete
oder zitierte Reichelt Beiträge, in denen Hürtgens Auftritt bei RT
kritisiert wurde. Und kam wieder zu einem eigenwilligen Schluss: „Wer
professionell gezielte Desinformation betreibt und damit RT bedient, kann
sich nicht auf Freiheit der Satire berufen.“
Doch, Herr Reichelt, kann er. So wie Sie sich auf die Freiheit der Presse
berufen dürfen, wenn Sie einen Hund in die SPD einschleusen.
23 Feb 2018
## LINKS
[1] /Medienschlacht-um-die-SPD/!5483972
[2] https://twitter.com/jreichelt/status/966290761812758528
[3] http://www.bild.de/politik/inland/julian-reichelt/so-kam-es-zu-dieser-schla…
## AUTOREN
Jürn Kruse
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