| # taz.de -- Bildhauerinnen der Moderne: Die Stein und Bronze bändigten | |
| > Oft fast vergessen: Das Georg Kolbe Museum in Berlin bringt berühmt | |
| > gewordene Bildhauerinnen und Unbekannte zusammen. | |
| Bild: Blick in die Ausstellung, tanzendes Paar von Milly Steger im Vordergrund,… | |
| Die Begegnung mit den Werken von Louise Stomps ist vielleicht die größte | |
| Überraschung in der Ausstellung „Die 1. Generation. Bildhauerinnen der | |
| Berliner Moderne“ im Georg Kolbe Museum. Stomps, 1900 geboren, ist die | |
| jüngste der zehn hier vorgestellten Künstlerinnen, von denen nur zwei, | |
| Käthe Kollwitz und Renée Sintenis (von der auch die Vorlage für die Bären | |
| stammt, die gerade wieder auf der Berlinale verteilt werden), heute | |
| allgemein bekannt sind. | |
| Von Louise Stomps findet man im Internet Fotos auf ihrer Yamaha, da war sie | |
| schon eine kleine alte Frau. 1988 starb die leidenschaftliche | |
| Motorradfahrerin an den Folgen eines Unfalls. Dass sie die starken | |
| Maschinen liebte, wirkt so unerwartet, weil ihre Skulpturen besonders stark | |
| darin sind, von der Verletzbarkeit des Lebens und dem Bedürfnis nach Schutz | |
| und Geborgenheit zu erzählen. Von ihrer Kunst konnte sie, die sechzig Jahre | |
| lang in Berlin lebte, fast zu keiner Zeit existieren. | |
| Dabei zeigen ihre Skulpturen aus Zement, Holz und Bronze eine breite | |
| Entwicklungsspanne zwischen Figuren und abstrakten Formen, die die Sprache | |
| der Vorkriegsmoderne und die der Zeit nach 1945 verbindet. Teils sind es | |
| menschliche Figuren, die im eigenen Körper Schutz suchen, die Glieder | |
| zusammengerollt und zu einem Volumen gerundet, wie ein lange im Fluss | |
| abgeschliffener Stein. Teils sind es Formen, die durch ihre | |
| Fragmentierungen Gedanken an die Zerbrechlichkeit des Lebendigen aufrufen. | |
| In der unmittelbaren Nachkriegszeit gehörte Stomps zu denen, die das | |
| Kunstleben in Berlin aktiv wieder organisierten. | |
| ## Porträtbüsten verschollen | |
| Von dieser Bildhauerin sind immerhin viele Werke hier in der Ausstellung zu | |
| sehen und eben auch erhalten. Das gilt längst nicht für alle Frauen der | |
| vorgestellten ersten Generation von Bildhauerinnen aus Berlin. Drei | |
| Künstlerinnen hat die Kuratorin (und Museumsdirektorin) Julia Wallner | |
| einbezogen, deren Werk größtenteils verschollen ist. Was für die Generation | |
| der noch im 19. Jahrhundert geborenen Künstlerinnen überraschend oft der | |
| Fall ist. | |
| Dabei gehörten Christa Winsloe (1888–1944) und Tina Haim-Wentscher | |
| (1887–1974) zunächst durchaus zu einer bekannten Boheme in Berlin, selbst | |
| schillernd, exzentrisch und polyglott. Winsloe ging in die Filmgeschichte | |
| als Drehbuchautorin von Leontine Sagans „Mädchen in Uniform“ (1931) ein, | |
| einer Geschichte über grausamen Drill in einem Internat und von der Liebe | |
| zwischen Mädchen. Ihre Tierskulpturen, von Meerschweinchen, Murmeltier und | |
| Buschbaby, deren Physiognomien auf einem Sockel im Museum zum Schmunzeln | |
| verleiten, sind dagegen fast vergessen. | |
| Tina Haim-Wentscher war nicht einmal zwanzig, als sie sich einen Ruf als | |
| Porträtbildhauerin machte, zu der unter anderem die Schauspielerin Tilla | |
| Durieux kam. Davon existieren nur noch Fotografien. Einzig ihre Kopie der | |
| Nofretete, mit der sie der Archäologe James Simon 1913 beauftragte, | |
| existiert und verweist im Kolbe Museum auf ein verschwundenes Werk. Tina | |
| Haim-Wentscher, die einer Familie sephardischer Juden angehörte, war Anfang | |
| der 1930er Jahre in Asien unterwegs und entschied sich, nicht in das | |
| Deutschland der Nationalsozialisten zurückzukehren. | |
| ## Freundin von Käthe Kollwitz | |
| Dass man von Sophie Wolff überhaupt weiß, ist ihrer Freundin Käthe Kollwitz | |
| zu verdanken, die sie oft in ihren Tagebüchern erwähnt. „Sie arbeitet gut: | |
| klug, sehr überlegt und doch mit Passion“, schrieb sie über Wolff, von der | |
| biografisch sonst wenig überliefert ist – geboren 1865/1875, Geburtsort | |
| unbekannt, gestorben wahrscheinlich 1944 in Berlin. Fünf von ihren sechs | |
| bekannten Skulpturen zeigt das Kolbe Museum, darunter ein liebevoll und | |
| detailreich dargestelltes Paar, das an die Alltagsschilderungen von | |
| Heinrich Zille erinnert. | |
| Mit größeren Skulpturen-Ensembles sind hingegen Marg Moll und Milly Steger | |
| in der Ausstellung vertreten. Beide sind zwar inzwischen in der | |
| Kunstgeschichte bekannt, weil sich vor allem Kunsthistorikerinnen für ihr | |
| Werk und ihre Biografien interessiert haben, werden aber doch selten | |
| gezeigt. | |
| Marg Moll (1884–1977) hatte in Paris gelernt, unter anderem bei Henri | |
| Matisse. Sie reduzierte den Körper auf fast kantige Konturen und wenige | |
| Flächen, die jetzt im Obergeschoss des Museums im Licht, das durch die | |
| großen Atelierfenster fällt, zu schimmern beginnen. Während sie dem | |
| Kubismus nahestand, ist der Expressionismus eher bei Milly Steger | |
| (1881–1948) zu finden. Von ihr ist ein tanzendes Paar zu sehen, schmal, | |
| elegant und biegsam, eine Chiffre des Mondänen und eine Hommage an den | |
| aufkommenden Ausdruckstanz. Aber auch ein zur Stele zusammengewachsenes | |
| Paar, elementar und ernst wie die Skulpturen von Barlach. | |
| ## Zweischneidiges Schwert | |
| Der Vergleich mit den bekannteren männlichen Bildhauern ist ein | |
| zweischneidiges Schwert, denn wenn er auch einerseits der Vorstellung hilft | |
| und ein Kriterium der Qualität sein kann, legt er doch andererseits, zu | |
| Unrecht, den Vorwurf der Nachahmung nahe – als wären die Künstlerinnen | |
| nicht auf eigenem Weg zu ihrem Vokabular gekommen. | |
| Dafür steht ein Zitat des Kunstkritikers Franz Servas von 1916 im | |
| Eingangsraum des Museums pars pro toto für das Misstrauen in das Können von | |
| Frauen: „Merkwürdigerweise machen ein paar Frauen sich besonders bemerkbar, | |
| wenn auch nicht im besten Sinne. Renée Sintenis ist bizarr und graziös, | |
| Käthe Kollwitz sehr innerlich, aber gänzlich verunglückt in der Behandlung | |
| der Gliedmaßen; Milly Steger äfft Lehmbruck nach, und Margarete Moll strebt | |
| einen Scheußlichkeitsrekord an.“ | |
| Dennoch gehörte Steger wie Kollwitz und Sintenis zu den ersten | |
| Bildhauerinnen, die Anerkennung fanden. In Hagen wurde sie 1911 zur | |
| Stadtbildhauerin ernannt, die Aufgaben großformatiger Bauplastiken | |
| übernahm. | |
| Über ihre Skulpturen am Schauspielhaus schrieb Else Lasker-Schüler ein | |
| Gedicht, das mit den Zeilen beginnt: „Milly Steger ist eine Bändigerin/ | |
| Haut Löwen und Panther in Stein./ Vor dem Spielhaus in Elberfeld/ Stehen | |
| ihre Großgestalten;/ Böse Tolpatsche, ernste Hännesken,/ Clowne, die mit | |
| blutenden Seelen wehen.“ In Berlin engagierte Steger sich, auch im Verein | |
| der Berliner Künstlerinnen, für den Zugang von Frauen zum Kunststudium. | |
| ## Erforscht von Kunsthistorikerinnen | |
| Die meisten der von Julia Wallner hier zusammengebrachten Künstlerinnen | |
| waren schon Anfang vierzig, als Frauen 1919 in Berlin zum Kunststudium | |
| zugelassen wurden. Aber nicht nur der Kampf um Ausbildung verbindet sie, | |
| sondern oft findet sich in den Biografien auch die Organisation über | |
| Vereine, der Zusammenschluss von Künstlerinnen. | |
| Julia Wallner ist nach Ursel Berger die zweite Direktorin des Georg Kolbe | |
| Museums, die ein Augenmerk auf die Verbindungen Kolbes zu den Künstlerinnen | |
| seiner Zeit hat. Ein Katalog zu der Ausstellung mit Texten von beiden | |
| Kunsthistorikerinnen und von anderen soll im April erscheinen. Zudem ist | |
| für Mai ein Symposium zu den Bildhauerinnen geplant, deren Geschichten noch | |
| nicht auserzählt sind. | |
| 28 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Bettina Müller | |
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