| # taz.de -- Werke der Bildhauerin Louise Stomps: Im Dickicht der Skulpturen | |
| > Die Berliner Bildhauerin Louise Stomps ist fast vergessen. In der | |
| > Berlinischen Galerie sind ihre anrührenden Werke nun endlich zu sehen. | |
| Bild: Ausstellungsansicht „Louise Stomps. Natur Gestalten – Skulpturen 1928… | |
| Es ist nicht schwer, sich einen Wald vorzustellen, wenn man in der | |
| Berlinischen Galerie den Saal mit den Skulpturen von Louise Stomps betritt. | |
| Einen Wald mit schlanken Bäumen, im Wind schwankenden Ästen und mit viel | |
| Dickicht, der Verstecke und Schutz bietet. | |
| Diese Vorstellung liegt nicht nur daran, dass die Skulpturen aus Stein, | |
| Bronze und Holz ungewöhnlich dicht auf Feldern am Boden und in Vitrinen | |
| gruppiert sind. Sondern auch, weil viele der verwendeten Hölzer, ob sie nun | |
| anthropomorphe Formen oder Figuren bilden, noch die Herkunft aus dem Wald | |
| spürbar in sich tragen. Nicht zuletzt kommt hinzu, dass viele der Gesten, | |
| die sowohl aus den figürlichen als auch aus den abstrakten Skulpturen | |
| sprechen, Gesten des Sich-Verbergens, -Versteckens, eines Rückzugs in das | |
| Innere sind. | |
| Die Fülle des Sichtbaren hat noch einen weiteren Aspekt: Das Werk der | |
| Bildhauerin Louise Stomps, 1900 in Berlin geboren, war selbst lange nicht | |
| öffentlich sichtbar. Die meisten Werke stammen aus Privatbesitz, nur wenige | |
| aus Museen. Sie wurde bisher wenig ausgestellt und kaum erforscht. | |
| [1][Dabei hat sie im Berlin der Moderne und in der Nachkriegszeit durchaus | |
| eine Rolle gespielt.] Bis 1960 lebte sie in der Stadt und floh dann vor dem | |
| durch den Kalten Krieg aufgeheizten kulturpolitischen Klima nach Bayern. | |
| Ihr Atelier war in einer alten Mühle bei Wasserburg und dort konnte man | |
| ihren Skulpturen begegnen. Dass diese kaum bekannte Bildhauerin jetzt in | |
| Berlin eine große Retrospektive bekommt, geht auf eine Initiative des | |
| Verborgenen Museums aus Charlottenburg zurück, die hier mit der | |
| Berlinischen Galerie zusammengearbeitet hat. | |
| ## Schutz und Rückzug | |
| Eine „Nachdenkende“ von 1946/47 aus Marmor ist fast wie ein Würfel geformt, | |
| die Knie angezogen, den Kopf in den Händen verborgen. Die Reduktion der | |
| Form, die Stille der Oberfläche, die Verdichtung der Masse – das alles ist | |
| in dieser Skulptur zwar auch eine Bewegung hin zur Abstraktion, aber ebenso | |
| sehr auch ein Ausdruck von Einsamkeit, von Emotionen, die ohne Austausch | |
| bleiben, von Schutzsuchen und Vorsicht. | |
| Es war die Nazizeit gewesen, in der Louise Stomps, deren Leben als | |
| selbstständige Künstlerin gerade erst begonnen hatte, wieder zurücktrieb in | |
| die Einsamkeit des Ateliers. Und in die Vorsicht – zum Beispiel bei | |
| heimlichen Ausstellungen im privaten Kreis oder beim Verteilen von | |
| Flugblättern. | |
| Dann kam der Zweite Weltkrieg. Ihre in den 1940er Jahren entstandenen | |
| Figuren scheinen alle durch diese Jahre der schmerzhaften Erfahrung | |
| gewandert zu sein. Aus porösem Granit ist eine Gestalt, der Kopf in die | |
| Schultern gesunken, der Körper von jenen Schichten durchzogen, die unter | |
| großem Druck zu Stein aushärten. | |
| Vieles von dem, was vor dem Krieg entstanden war, existiert nicht mehr, da | |
| Stomps’ Berliner Atelier bei einem Bombenangriff zerstört wurde. | |
| Unterstützt wurde sie von der [2][Mäzenin und Kunsthändlerin Hanna Bekker | |
| von Rath], die Stomps in den 1950er Jahren auch in Frankfurt ausstellte. | |
| In Stomps’ Skulpturen aus den 1960er und 1970er Jahren beginnt das Holz der | |
| Bäume, von Akazie, Nussbaum, Eiche, immer mehr ein Eigenleben zu entfalten. | |
| Formen schießen auf wie züngelnde Flammen, entfalten sich wie Flügel, | |
| greifen wie Hände, ummanteln den Innenraum wie eine Höhle, bilden Nester | |
| und Durchlässe. Etwas von einem beseelten Wald, von einem Ort für Geister, | |
| liegt in diesen Skulpturen. | |
| Sie tragen etwas in sich von der Sehnsucht, die Natur, aus deren Holz sie | |
| sind, nicht als das Andere und zu Gestaltende zu erleben, sondern als das | |
| Verwandte, in das sich zu verwandeln eine tröstliche Vorstellung ist. Und | |
| sie nehmen die Spur des Zufälligen auf, wie von Treibholz, geformt von | |
| Kräften, die größer sind als die des Menschen. Dabei streifen sie auch den | |
| Gedanken an das Erhabene. | |
| Unter den Skulpturen von Stomps sind einige, die Vergleiche mit bekannteren | |
| Zeitgenossen nahelegen, wie [3][Käthe Kollwitz], Ernst Barlach, Hans Arp, | |
| Max Ernst, Barbara Hepworth und Henry Moore. Da ist es gut, dass die | |
| Ausstellung, die durch Holzschnitte, Tusche-, Kohle- und | |
| Kugelschreiberzeichnungen ergänzt wird, die Eigenlogik der formalen | |
| Entwicklungen von Louise Stomps erkennen lässt. Sie war viel unterwegs, | |
| noch als alte Dame – sie starb 1988 – mit dem Motorrad, um sich | |
| Ausstellungen anderer anzuschauen. Doch im Atelier war das Material ihr | |
| wichtigster Partner, auf dessen Eigenschaften zu hören essentiell für die | |
| Arbeit war. | |
| 23 Oct 2021 | |
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| [1] /Bildhauerinnen-der-Moderne/!5484357 | |
| [2] https://hanna-bekker-vom-rath.org/ | |
| [3] /Erinnerungen-an-Kaethe-Kollwitz/!5423590 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Bettina Müller | |
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