# taz.de -- Kolumne Macht: Die SPD, immer wieder überraschend | |
> Seit der Bundestagswahl haben die Sozialdemokraten doch einiges | |
> zustandegebracht. Aber das ist jetzt wirklich nicht als Belobigung | |
> gemeint. | |
Bild: Und ab ins Hinterzimmer: SPD-Chef Martin Schulz am Freitagnachmittag in d… | |
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass: Wie verständlich eine solche | |
Forderung im Einzelfall auch sein mag – sie nervt. Und zwar ziemlich | |
schnell. Was die SPD nicht daran gehindert hat, sie im Zusammenhang mit der | |
möglichen Bildung einer Großen Koalition wieder und wieder zu erheben. Die | |
Vorschläge wechselten, der Tenor blieb gleich. Die letzte Variante – KoKo – | |
wirkte schlaumeierisch und hilflos zugleich. Das muss man erst einmal | |
hinkriegen. | |
Wie die Sozialdemokraten in den letzten Monaten einiges zustande gebracht | |
haben, was unerreichbar schien. Es ist ihnen gelungen, den – falschen – | |
Eindruck zu erwecken, sie hätten die Bundestagswahl ganz alleine verloren | |
und den – richtigen – Eindruck, Opposition und Regierung zugleich sein zu | |
wollen. Das war keine Strategie, das war wirr. | |
Nun wird es also wenigstens endlich seriöse Verhandlungen über ein Bündnis | |
aus Unionsparteien und Sozialdemokraten geben. Die Nachricht als solche | |
wäre noch vor wenigen Monaten unspektakulär gewesen. Inzwischen klingt sie | |
wie eine Erlösung. Auch das muss man erst einmal hinkriegen. | |
Umfragen zufolge wünschen sich mittlerweile fast zwei Drittel der | |
Bevölkerung eine Große Koalition, also eine Allianz, die zu anderen Zeiten | |
stets die unbeliebteste aller Möglichkeiten war. Egal, was ihr entscheidet | |
– aber bitte, bitte entscheidet irgend etwas: Dieser Wunsch ist inzwischen | |
mächtiger als viele politischen Meinungsunterschiede. Ich teile ihn. | |
Aber ich weiß auch, dass das keine guten Voraussetzungen für | |
Koalitionsgespräche und noch weniger für die Arbeit einer künftigen | |
Regierung sind. Die vordemokratische Position, die jede politische | |
Auseinandersetzung über Sachfragen verächtlich als „Parteiengezänk“ | |
abwertet, hat Auftrieb bekommen. Profitieren dürfte davon in der konkreten | |
Situation die Person, deren Sache starke Überzeugungen ohnehin nicht sind: | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wer sie schon fast abgeschrieben hatte, wird | |
sich noch wundern. | |
Was ist vor diesem Hintergrund von einer Großen Koalition zu erwarten? | |
Jedenfalls keine Bürgerversicherung. Vielleicht wäre ein Einstieg in das | |
Ende der Zwei-Klassen-Medizin unmittelbar nach dem Scheitern der | |
Jamaika-Verhandlungen möglich gewesen. Inzwischen hat sich die SPD so sehr | |
geschwächt, dass sie die Union in dieser Frage wohl nicht mehr vor sich | |
hertreiben kann. | |
Anderes kann die Große Koalition bei gutem Willen durchaus hinbekommen. Die | |
Solidarrente, höhere Investitionen in die Bildung, Verbesserung beim Thema | |
Pflege, vielleicht und hoffentlich auch endlich für Menschen, die alte | |
Angehörige zu Hause betreuen. Immerhin. Das wäre wenigstens etwas. | |
Unwahrscheinlich ist es, dass sich wieder mehr Menschlichkeit beim Thema | |
Flüchtlinge und beim Familiennachzug durchsetzen lässt, auch die Klimaziele | |
dürften nicht ganz oben auf der Agenda der neuen Regierung stehen. | |
Und Europa? Ein trübes Kapitel. Zwar wird über eine Stärkung europäischer | |
Institutionen geredet, nicht aber über eine Demokratisierung Europas. Wenn | |
das „Königsrecht“ nationaler Parlamente, das Haushaltsrecht, durch einen | |
gemeinsamen Haushalt für die Eurozone und gar durch einen europäischen | |
Finanzminister geschwächt wird, dann darf dies nicht ohne Erweiterung der | |
Kompetenzen des Europaparlaments beschlossen werden. Haben Sie dazu in | |
letzter Zeit etwas gehört? Ich auch nicht. | |
Aber was soll's, vielleicht ist das alles ganz egal. Nur keine Hast. Noch | |
immer steht nicht fest, ob es zu Koalitionsverhandlungen kommt. Das | |
Zauberwort heißt Sondierungen. Und weiter warten. | |
17 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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